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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Mehr als 65 000 Minijobber
 
Taubers Äußerung ist „nur erniedrigend″
Zwischenüberschrift:
Viele Minijobber in der Region haben „etwas Ordentliches″ gelernt
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Wer etwas Ordentliches gelernt habe, brauche keine drei Minijobs: Mit dieser Aussage hat CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Dienstag viel Kritik auf sich gezogen.

In Stadt und Landkreis hatten im September 2016 mehr als 65 000 Menschen einen Minijob. Mehr als 55 Prozent von ihnen hatten eine anerkannte Berufsausbildung oder einen akademischen Abschluss. Weniger als 20 Prozent der geringfügig Beschäftigten konnten keine Berufsausbildung vorweisen.

Die Aussage eines solchen Politikers ist einfach nur erniedrigend, unfair und macht unfassbar wütend″, sagt Petra Brümmer aus Quakenbrück zu Taubers Aussage. Sie hat drei Jobs, mehrere Ausbildungen absolviert und würde eigener Angabe zufolge nicht ohne den Verdienst ihres Mannes über die Runden kommen.

Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs″: Mit dieser Aussage hat der CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Dienstag viel Kritik auf sich gezogen. Kritik gibt es auch von Osnabrücker Minijobbern, also geringfügig Beschäftigten. Die Mehrheit von ihnen hat etwas Ordentliches″ gelernt.

Osnabrück. Einige Leser wandten sich nach Taubers Aussage an unsere Redaktion, etwa Petra Brümmer aus Quakenbrück. Sie habe zwar keine drei Minijobs, aber drei Jobs, und dennoch würde sie ohne ihren Mann nicht über die Runden kommen, sagt sie. Die Aussage eines solchen Politikers ist einfach nur erniedrigend, unfair und macht unfassbar wütend.″

15 Stunden pro Woche arbeitet Brümmer in einem Fitnessstudio. Vor ihrer Elternzeit waren es mehr Stunden gewesen, doch nach dem Teilzeiteinstieg konnte sie ihre Stunden nicht wieder aufstocken. Nun arbeite sie weitere 15 Stunden als selbstständige Kosmetikerin und Gesundheitstrainerin für Mamas und ihre Babys, sagt Brümmer. Man arbeitet gefühlt rund um die Uhr, um am Ende des Tages ein bisschen Taschengeld′ auf dem Konto zu haben. Ohne meinen Mann käme ich trotz drei Jobs alleine mit einer Tochter nicht über die Runden″, sagt Brümmer.

Hat sie etwa nichts Ordentliches″ gelernt? Brümmer hat Fachabitur in Wirtschaft, eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau, ein Fernstudium zur Fitnessfachwirtin absolviert, nebenberuflich eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht und gefühlt unendlich viele Fort- und Weiterbildungen besucht und vor allem auch teuer aus eigener Tasche finanziert″, sagt sie. Ganz nebenbei bin ich übrigens auch noch Hausfrau und Mutter einer vierjährigen Tochter.″

Die Zahlen sprechen ohnehin gegen Peter Tauber. Die Statistik der Agentur für Arbeit Osnabrück zählte am 30. September 2016 insgesamt 65 325 Minijobber in Stadt und Landkreis Osnabrück. 55, 7 Prozent hatten zu diesem Zeitpunkt einen anerkannten oder akademischen Berufsabschluss. In der Summe waren es 32 464 mit einer Berufsausbildung und 3925 Akademiker. Nur knapp 20 Prozent hatten keinen Berufsabschluss (12 833). Bei weiteren 24, 7 Prozent der Minijobber hatte die Agentur keine Angabe zum Abschluss (16 103).

Die Zahl der Minijobber im Alter von 65 Jahren und älter stieg in den vergangenen Jahren stark an. 2726 zählte die Agentur für Arbeit am 30. Juni 2016 in der Stadt Osnabrück. Ende Juni 2003 hatte deren Anzahl 1593 betragen. Bei den älteren Minijobbern handelt es sich fast ausschließlich um Rentenaufstocker.

Auch bundesweit sprechen die Zahlen gegen Tauber. Eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit vom Dezember 2016 weist 7, 63 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Minijob auf. 4, 34 Millionen von ihnen hatten zu diesem Zeitpunkt entweder einen anerkannten oder akademischen Berufsabschluss, nur 1, 5 Millionen hatten keinen beruflichen Abschluss. 4, 58 Millionen oder 60 Prozent der Minijobber waren Frauen. Insgesamt wird vielen Minijobbern der gesetzliche Mindestlohn nicht gezahlt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert die Minijobs scharf, sie zögen viele negative Konsequenzen nach sich. So sind etwa die Rentenansprüche katastrophal″, insbesondere für diejenigen, die nur einen Minijob und keine weitere Beschäftigung hätten, sagt Johannes Jakob, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik beim DGB in Berlin. Die hohe Zahl der Minijobber gehe auf die Fehlanreize″ zurück: Für Arbeitgeber seien Minijobber flexible und billige Arbeitskräfte. Die Minijobber selbst arbeiten steuer- und sozialversicherungsfrei. Die Anreize sind aus unserer Sicht falsch″, sagt Jakob.

Obgleich die Minijobs einst als Sprungbrett ins Arbeitsleben gedacht waren, sind sie für viele ein Dauerzustand″, sagt Jakob. Zudem passe sich der Arbeitsmarkt an. In Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe sei der Anteil der Minijobber hoch, oft gebe es keine Alternative für die Arbeitnehmer.

Tauber hatte als Werbung für das neue Unionswahlprogramm und in Abgrenzung zur SPD zunächst getwittert: Vollbeschäftigung″ ist besser als Gerechtigkeit″. Auf die Nachfrage eines Twitter-Nutzers, ob dieser nun drei Minijobs benötige, erwiderte Tauber: Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.″ Es hagelte Kritik, wenig später ruderte Tauber zurück. Es tue ihm leid, dass er sein Argument so blöd formuliert und damit manche verletzt habe″.

Bildtext:
Mehr als 65 000 Menschen in Stadt und Landkreis haben einen Minijob, mehr als die Hälfte von ihnen hat eine Berufsausbildung oder akademischen Abschluss.

Foto:
imago/ Schöning
Autor:
yjs


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