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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Osnabrücks IHK verkauft Bilder von Holocaust-Maler Nussbaum
 
Bald drei Bilder weniger im Nussbaum-Haus?
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker IHK will Werke des Holocaust-Malers verkaufen – Gemälde als Leihgaben im Museum
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Hat Osnabrück jetzt seinen Kunstskandal? Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim verkauft jedenfalls drei Gemälde des im Vernichtungslager Auschwitz ermordeten Malers Felix Nussbaum (1904 1944). Die vor Jahrzehnten erworbenen Bilder sind bislang als Dauerleihgaben im Felix-Nussbaum-Haus zu sehen, einem von Stararchitekt Daniel Libeskind errichteten Museum, das ausschließlich dem Andenken des Osnabrücker Künstlers Nussbaum gewidmet ist.

Kunstexperten reagieren schockiert auf das Vorhaben der IHK und deren Begründung. Es sei nicht die Aufgabe einer IHK, Kunst zu besitzen und sie auszustellen, heißt es. Nussbaum-Förderer sehen nun die Osnabrücker Erinnerungskultur infrage gestellt und protestieren. In der Tat: Mit seinem berühmten Selbstbildnis mit Judenpass″ ist Felix Nussbaum längst zum weltberühmten Zeugen gegen das Vergessen des Holocaust avanciert. Sein Werk thematisiert Flucht, Vertreibung und Exil. Deshalb irritiert die Verkaufsabsicht viele.

Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) und IHK-Verantwortliche bemühen sich derweil um Schadensbegrenzung. Nach ihren Vorstellungen soll ein Privatmann die Bilder erstehen, damit sie bleiben können, wo sie jetzt sind im Museum.

Die Osnabrücker IHK verkauft drei Gemälde von Felix Nussbaum. Als Dauerleihgaben sind sie im Felix-Nussbaum-Haus zu sehen. Nussbaum-Förderer reagieren entsetzt.

Osnabrück. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück Emsland Grafschaft Bentheim wird drei Bilder des Osnabrücker Malers Felix Nussbaum (1904–1944) aus ihrem Besitz verkaufen. Das bestätigte die IHK auf Anfrage in einer Mitteilung. Der Mitteilung zufolge ist es eine rechtliche Frage, ob eine IHK nach heutigen Maßstäben Kunst besitzen darf, um sie in Museen auszustellen″. Auf kritische Hinweise″ des Landesrechnungshofes und des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hin habe sich die IHK zu dem Verkauf entschlossen.

Ich bin nicht erfreut darüber, dass die Bilder verkauft werden sollen″, sagte Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) auf Anfrage. Die Bilder waren dem Felix-Nussbaum-Haus als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt worden. Die IHK und der Oberbürgermeister sind sich nach ihren Mitteilungen darin einig, dass die Bilder an ihrem Standort bleiben sollen. Offenbar hoffen der Oberbürgermeister wie auch die Verantwortlichen der IHK auf einen privaten Käufer, der die drei Werke dem Museum weiter zur Verfügung stellt.

Kostbare Selbstporträts

Um welche Werke Felix Nussbaums geht es genau? Das 65 mal 50 Zentimeter große Selbstbildnis mit Geschirrtuch″ entstand laut Werkverzeichnis 1936. Als einziges der drei jetzt zum Verkauf stehenden Gemälde ist es derzeit in der Sammlungspräsentation des Museums für Besucher zu erleben. Nur ein Jahr später fertigte Nussbaum das ungefähr gleich große Selbstbildnis mit Hut″ an. Beide Gemälde sind mit Ölfarben auf Sperrholz gemalt. Das dritte Bild ist das 1926 entstandene Stillleben mit Zinnteller″, ein 83 mal 52 Zentimeter großes Ölgemälde. Die Selbstbildnisse wurden nach Angaben der IHK in den Siebzigerjahren erworben. Das Stillleben kam im Jahr 2000 hinzu. Laut den Sitzungsvorlagen zur Vollversammlung veranschlagt die IHK für die drei Bilder in ihrer Bilanz Anschaffungskosten von 38 000 Euro. Der aktuelle Marktwert dürfte weit höher liegen.

Als Maler des Exils ist der in Osnabrück geborene Felix Nussbaum inzwischen weltberühmt. Der Künstler wurde gemeinsam mit seiner Frau Felka Platek 1944 in Auschwitz ermordet. Das von Stararchitekt Daniel Libeskind erbaute Felix-Nussbaum-Haus bewahrt einen großen Teil von Nussbaum. Sein Werk ist durch viele Selbstporträts wie das berühmte Selbstbildnis mit Judenpass″ geprägt. Deshalb sind gerade die beiden Selbstbildnisse aus dem IHK-Bestand hoch einzuschätzen. Zum Vergleich: 2007 erst wurde das auch als Selbstbildnis zu verstehende Gemälde Mann mit Blume″ für das Osnabrücker Museum bei einer Versteigerung in der Berliner Villa Grisebach erworben. Ohne die Mithilfe der Kulturstiftung der Länder und des damaligen Kulturstaatsministers Bernd Neumann wäre die Ankaufssumme von insgesamt 400 000 Euro kaum zu stemmen gewesen. Das Münchener Auktionshaus Ketterer hat in den letzten Jahren Stillleben Nussbaums jeweils zu Preisen zwischen 20 000 und 30 000 Euro versteigert.

Ich hätte nie erwartet, dass eine öffentlich-rechtliche Institution mit Sitz in Osnabrück das Thema Felix Nussbaum so auf die Agenda setzen würde″, zeigt sich Hans-Jürgen Fip vom IHK-Beschluss entsetzt. Alle Menschen, die sich jahrelang für das Andenken Nussbaums eingesetzt hätten, müssten sich nun desavouiert vorkommen, sagte der ehemalige Osnabrücker Oberbürgermeister und Ehrenvorsitzende der Nussbaum Foundation sowie der Felix-Nussbaum-Gesellschaft weiter.

Zur Disposition gestellt

Deren Vorsitzende Karin Jabs-Kiesler hat der IHK nach eigenen Worten vorgeschlagen, die drei Bilder zum alten Ankaufspreis zu übernehmen, um sie dann dem Museum zu schenken. Der Gedanke, dass hier Schlüsselwerke aus der Sammlung des Felix-Nussbaum-Hauses zur Disposition gestellt werden, hat uns erschrocken und zugleich sprachlos gemacht″, heißt es in einem Schreiben. Eine Antwort der IHK steht nach den Worten von Karin Jabs-Kiesler aus.

Fip wie Jabs-Kiesler verweisen auf Nussbaums zentralen Stellenwert für das Holocaust-Gedenken. Diese gemeinsame Verpflichtung habe die Osnabrücker IHK mit ihren Nussbaum-Ankäufen unterstützt, so Fip und Jabs-Kiesler. Hinzu kommt, dass die Frage nach dem Eigentum an dem Selbstbildnis mit Hut″ offenbar strittig″ ist. So formuliert es Gotthard Czekalla, stellvertretender Vorsitzender des Osnabrücker Museums- und Kunstvereins (MuK). Nach seinen Worten ist das Bild 1975 mit Mitteln der IHK für den Verein erworben worden. Der MuK werde immer wieder als Leihgeber genannt, so Czekalla. Wir hoffen auf eine gütliche Einigung″, sagt der Vorsitzende

Bildtext:
Noch ist es im Museum zu sehen: Selbstbildnis mit Geschirrtuch″ (1936) von Felix Nussbaum.

Foto:
David Ebener

Kommentar:

Rufschädigung für ganz Osnabrück

Die Osnabrücker Industrie- und Handelskammer verkauft drei Bilder des Holocaust-Opfers Felix Nussbaum. Was für ein Schock! Gerade die beiden vor über vier Jahrzehnten erworbenen Selbstbildnisse gehören zum Kernbestand der Osnabrücker Sammlung. Nun sprechen Manager von nicht betriebsnotwendigem Vermögen″.

Im Hinblick auf kaufmännische Bilanzen mag das sogar zutreffen. Aber bei diesen Bildern geht es eben nicht um Buchhaltung, sondern um Erinnerungskultur. Spielt das keine Rolle?

Offenbar nicht. Denn das einhellige Votum für den Verkauf zeigt, wie wenig die volle Tragweite dieser Entscheidung verstanden wird. Ausgerechnet eine Osnabrücker Institution treibt nun Handel mit Werken des Osnabrücker Holocaustopfers Nussbaum. Ein solches Vorgehen ist mit dem Wort unsensibel noch höflich umschrieben.

Mit dem Kunstverkauf beschädigt nicht nur die IHK ihr Ansehen. Die Rufschädigung trifft die ganze Stadt Osnabrück. Die Erinnerung an parallele Fälle ist noch frisch. Die heftig kritisierten Verkäufe aus der Kunstsammlung des WDR erinnern fatal an das, was sich jetzt in Osnabrück anbahnt.
Autor:


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