User Online: 4 | Timeout: 12:05Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie leben die Flüchtlinge auf dem Limberg?
Zwischenüberschrift:
274 Geflüchtete wohnen in alten Kasernen – Teilweise Kritik an Lebensumständen – Randale in der Nacht zu Freitag
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Am Donnerstag haben 50 bis 70 Flüchtlinge aus dem Sudan in Osnabrück gegen die Lebensumstände in ihrer Unterkunft der ehemaligen Limbergkaserne demonstriert. Vor Ort ergibt sich ein differenziertes Bild.

Osnabrück. Mit seinen Mitbewohnern steht Aladin vor seiner Baracke wie so oft, sagt er. Langeweile bestimme seinen Tag. Schlafen, Essen, Trinken sonst gibt es hier ja kaum Aktivitäten″, sagt der 27-Jährige.

Seit vier Monaten lebt der Sudanese in der Unterkunft am Ickerweg. 274 Flüchtlinge verteilen sich auf neun Häuser, Zahl schwankend. Allesamt Männer zwischen 18 und 40 Jahre, fast ausschließlich aus dem Sudan. Bei 289 Bewohnern ist Schluss.

Schön sieht anders aus. Die flachen und langen Bauten wurden zwar im vergangenen Jahr saniert. Etwas trostlos und einsam stehen sie dennoch auf dem Areal. Der bewohnte Teil des Geländes ist zudem eingezäunt.

Ein bis drei Personen teilen sich je ein Zimmer. Die Ausstattung: ein bezogenes Bett, ein Spint, pro Person ein Kühlschrank. In den Häusern zeugt teilweise nicht mehr viel von der Sanierung. In einer Küche klebt über zwei kleinen Mülleimern inzwischen mehr Dreck an der Wand als Farbe. Und ansonsten: vier Herdplatten und ein Spülbereich das war′s. Die Herdplatten sind teilweise nicht nutzbar: Die Anschlusskabel wurden durchtrennt.

Im gegenüberliegenden Sanitärbereich gibt es zahlreiche Waschbecken, sechs Duschen und Toiletten sowie drei abgetrennte Badewannen. Auch dort ist es nicht sonderlich sauber, aber akzeptabel. Je zwei Flüchtlinge reinigen täglich die Häuser. Es sind 1-Euro-Jobber, von der Stadt bezahlt.

Viele Bewohner sind an diesem Freitagnachmittag nicht anzutreffen. Einige sind unterwegs, andere schlafen womöglich, manche sind beim Deutschkurs. Nichts ist zu hören, nicht viel zu sehen.

Aladin hat Zeit und erzählt. Er gehört zu den Teilnehmern, die am Donnerstag gemeinsam mit der Initiative No Lager″ gegen die Lebensumstände vor dem Rathaus demonstriert und Stadtbaurat Otte einen offenen Brief samt einer langen Mängelliste übergeben hatten. Auf einige der Kritikpunkte hat die Stadt keinen Einfluss, etwa die Wartezeit bis zum Asylentscheid oder die Angst vor der drohenden Abschiebung.

Massive Kritik gibt es wegen des Zauns. Das Tor zur Unterkunft sei mit einem Vorhängeschloss verschlossen. Das ist so, das Tor ist stets verschlossen. Zweimal war ein Krankenwagen nicht sofort auf das Gelände gekommen, aber nur, weil der Schlüssel fehlte, versichern die Johanniter, die die Flüchtlinge betreuen. Eigentlich hätten alle Rettungskräfte einen Generalschlüssel. Einige Bewohner fühlen sich eingesperrt, obgleich ein Weg zu Fuß und mit dem Rad rund um die Uhr passierbar ist ohne Tor.

Die Zäune gehen der Stadt zufolge auf Initiative der Bundesanstalt für Immobilien (Bima) zurück. Sie ist Eigentümerin des Areals. Die Flüchtlinge dürfen den Rest des Geländes nicht betreten, weil die Bima die Verkehrssicherungspflicht nicht übernehmen könne, heißt es zur Begründung.

Kritik an Johannitern

Auch an der Arbeit der Johanniter, die die Flüchtlinge am Limberg von 8 bis 19 Uhr betreuen, gibt es Kritik: zu wenig Übersetzer, eine erzwungene Präsenzliste, kein Internet, keine Privatsphäre und vor allem kaum Beschäftigungsmöglichkeiten.

Letztere gibt es zwar, aber in Anbetracht der 274 Bewohner sind sie rar. Es gibt einen kleinen Fitnessraum mit einer Handvoll gespendeter Geräte wie einem Laufband. Zwei Sudanesen powern sich dort am Mittag aus. Im muffig riechenden Raum nebenan steht ein alter gespendeter Billardtisch. Beide Räume sind aber ab 19 Uhr zugesperrt. Zudem gibt es Gemeinschaftsräume mit Tischen und Sofas. Keine Bilder, keine Deko, karg, lieblos. Aber das ließe sich in Eigeninitiative schöner gestalten.

Ein Kunstrasenplatz um die Ecke dürfen die Geflüchteten ebenfalls nutzen. Zweimal pro Woche ist die ehrenamtlich geführte Fahrradselbsthilfewerkstatt geöffnet. Am Donnerstagabend verfolgten die Johanniter mit etwa 30 bis 40 Flüchtlingen den Confed Cup auf einer Leinwand.

Auch die anderen Kritikpunkte seien der Verwaltung und den Johannitern zufolge nicht gerechtfertigt. Kein Mitarbeiter betrete ohne guten Grund Privatzimmer. Internet sei Sache der Bewohner, und Fernseher würden aus Sorge vor Beschädigung nicht in Gemeinschaftsräumen aufgestellt. Erst in der Nacht zu Freitag wurden in einer Baracke mehrere Meter der Deckenverkleidung im Flur heruntergerissen, bestätigt Stadtsprecher Gerhard Meyering. Die Polizei bestätigt auf Nachfrage einen Einsatz: Streitigkeiten unter Bewohnern, nichts Wildes″, sagt ein Beamter. Das komme ab und zu vor, wie in anderen Unterkünften auch.

Einmal pro Woche müssten alle Bewohner aber tatsächlich ihre Ausweisdokumente vorlegen, bestätigten die Johanniter. Andernfalls sei unklar, wer überhaupt noch auf dem Areal wohne. Manchmal verschwinde auch einfach jemand. Bei Problemen, bei denen die drei Johanniter vor Ort nicht helfen könnten, würden sie nach Möglichkeit vermitteln. In der Stadt sei das Angebot recht gut, allerdings gebe es sehr wenige Angebote für traumatisierte Geflüchtete.

Aladin ist dennoch enttäuscht. Aber primär von der Regierung, wie er sagt. Er habe große Hoffnungen gehabt, als er im Februar nach Deutschland gekommen war: Schule, Deutschlernen, einen Job, mit Menschen zusammenkommen. Mit der Arbeit der Johanniter sei er weitgehend zufrieden. Die helfen bei Problemen, ich respektiere die Leute hier und bin dankbar für die Hilfe.″ Allerdings sei ein Dolmetscher nicht ausreichend, und als Syrer sei dieser nicht immer zu verstehen, sagt Aladin.

Die Johanniter bestätigen: Es gibt nur einen Dolmetscher. Der syrische Flüchtling leistet Bundesfreiwilligendienst und habe Arabisch studiert. Ein Dolmetscher ist im Alltag ausreichend, versichern die Johanniter.

Doch mehr Abwechslung wäre schön. People get mad of waiting″, sagt Aladin. Die Leute werden verrückt wegen der Warterei auf Asylbescheide, aus Angst vor Dublin II. Manche Bewohner würden sich wegen psychischer Probleme in Alkohol und Drogen flüchten, was ein weiterer Sudanese bestätigt.

Die Beschädigungen an und in den Häusern, die teilweise vorhandene Verschmutzung der öffentlichen Räume, die Diebstähle von öffentlichen″ Gegenständen wie Stühle gingen auf ein paar Einzelne zurück, sagt Aladin. Ein weiterer Sudanese wie auch die Johanniter bestätigen das.

Häuser wurden saniert

Den Vorwurf der teilweise desolaten Zustände der Gebäude und deren Einrichtungen weist Stadtsprecher Meyering daher zurück. Der Zustand der Unterkünfte läge in der Selbstverantwortung der Bewohner. Die Häuser, die Sanitäranlagen alles sei im vergangenen Jahr in Ordnung gewesen, versichert der Sprecher. Auch er sagt: Schön ist anders. Aber die Stadt sei froh, bislang keine Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht haben zu müssen.

Die Johanniter hätten No Lager″ übrigens ein Gesprächsangebot gemacht, doch auf dieses sei nicht eingegangen worden, versichert die Organisation. No Lager″ könne sich auch selbst am Limberg konstruktiv einbringen. Und die Johanniter versichern: Die Demonstranten vom Donnerstag hätten keineswegs für alle Bewohner gesprochen. Einige hätten sich von der Aktion distanziert. Die Johanniter kämen in der Regel gut mit den Bewohnern aus, versichern sie.

Bildtexte:
Seit vier Monaten wohnt Aladin (vorne) in der Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände der ehemaligen Limbergkaserne. Viele seiner Hoffnungen wurden in Deutschland nicht erfüllt. Den Johannitern macht er aber kaum Vorwürfe.

Für die teilweise desolaten Zustände seien die Bewohner selbst verantwortlich, sagt die Stadt.

Es gibt Freizeitangebote für die 274 Bewohner, doch sie sind rar. Der Billardtisch war eine Spende.

Fotos:
Michael Gründel
Autor:
Jörg Sanders


Anfang der Liste Ende der Liste