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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Den Einkauf mit Karte bezahlen
Zwischenüberschrift:
Juni 1917: Ausufernde Zwangsbewirtschaftung, Papier- statt Münzgeld, Hausmittel gegen Sommersprossen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Der seit fast drei Jahren tobende Erste Weltkrieg setzt der Zivilbevölkerung im Juni 1917 hart zu. Fehlende Importmöglichkeiten und schlechte Ernten durch eingezogene Landarbeiter führen zu Versorgungskrisen.

Osnabrück. Die staatliche Bürokratie blüht auf. Sie rationiert, reglementiert und kostet die Bürger viel Zeit und Kraft durch das ewige Anstehen nicht nur für die Ware selbst, sondern auch für Bezugskarten, Genehmigungen und Sonderzuteilungen. Die Abgabe rationierter Lebensmittel gegen entsprechende Marken kündigt das Osnabrücker Tageblatt″ im Wochenzyklus so an: Montags 125 g Kunsthonig pro erwachsene Person, 125 g Syrup, 125 g Kriegsmus. Dienstags dito, mittwochs 500 g Fleisch, davon 100 g Wurst, und 1 Hering. Donnerstags Speisefett, 1 Ei, 1 Hering. Freitags 200 g Graupen, 100 g Dörrgemüse, 100 g Kartoffelwalzmehl.″ An allen Tagen gibt es Klippfisch, Räucherfische und 1 Liter Fleischbrühe. Kranke erhalten Zusatzkarten, hoffende Frauen″ zusätzliche Milchkarten. Auf dem Schlachthof findet sonnabends nachmittags für Schwerarbeiter ein Knochenverkauf statt.

Brotkarten werden mittwochs, freitags und samstags ausgegeben mit engen Zeitfenstern für jede Wohnstraße. Die Ausgabe erfolgt in den meisten Bezirken nur nachmittags, da sie von dienstverpflichteten Lehrern und Lehrerinnen nach deren Unterricht durchgeführt wird. Bei der Wichtigkeit der Brot- und Lebensmittelkarten ist es zweckmäßig, nicht Kinder mit der Abholung zu beauftragen, da für verlorene Karten kein Ersatz geleistet wird″, warnt die Zeitung.

Eine neue Verordnung des Bundesrats verbietet den Halsschnitt beim Schlachten von Rindern, Schafen und Ziegen. Das Verbot soll der Gewinnung größerer Mengen genusstauglichen Blutes für die Ernährung der Bevölkerung dienen.

Der staatlichen Mangelverwaltung unterstellt werden nun auch Katzen- und Kaninchenfelle. Meldepflicht, Beschlagnahme und Verwendungsbeschränkungen bei festgelegten Preisen gelten für alle rohen und eingearbeiteten Felle und daraus hergestelltes Leder von zahmen und wilden Kaninchen sowie von Hasen und Hauskatzen jeder Herkunft und in jedem Zustand″. Bei Hasen differenziert das Stellvertretende Generalkommando die Preise zum Beispiel nach Mäuschen″, Sommerhasen″, Halbhasen″ und Winterhasen″.

Auch Silber- und Nickelmünzen sind knapp geworden. Die Reichsbank setzt sie außer Kurs, nimmt ihnen also die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Damit soll dem Kleingeldhamstern entgegengewirkt werden. Zwar ist viel Kleingeld in die besetzten Gebiete in Belgien und Polen geflossen. Aber das könne den heutigen Mangel nicht erklären, schreibt die Zeitung. Weiterhin verschwinde viel Silber und Nickel nutzlos in Strümpfen, Kisten und Kästen. Die Kleingeldhamster sind ebenso gefährlich wie die Lebensmittelhamster, sie handeln ebenso schädlich wie kindlich″, urteilt das Tageblatt″. Hamster würden den Zinsverlust nicht beachten – „ als denkende Menschen würden sie den Unfug überhaupt nicht machen″. Nach der Außerkurssetzung würden sie also später nur den im Verhältnis zum Kurswert viel geringeren Metallwert aus den Münzen erlösen können, frohlockt die Zeitung.

Derweil ist auf lokaler Ebene mit der Ausgabe von Papierkleingeld begonnen worden. Die Handelskammer lässt 50-Pfennig-Scheine von brauner Färbung sie tragen die bürgenden Unterschriften von Ernst Stahmer und Carl Dütting als Präsident und Vizepräsident der Handelskammer durch Banken und Sparkassen verausgaben. Notgeld in weiteren Stückelungen zu 25, 10 und 5 Pfennig soll in den nächsten Tagen an die Schalter kommen.

Eine zeittypische Leseranfrage: Darf ich meinen gefallenen Ehemann in die Heimat zurückholen? Wie teuer wird das? Antwort: Das Gesuch wegen Überführung einer Leiche von der Front müssen Sie an das Stellvertretende Generalkommando in Hannover richten. Die Kosten lassen sich nicht genau bestimmen. Während der Sommermonate finden Überführungen von Leichen nicht statt.″

Es gibt aber auch harmlosere Anfragen. Wie etwa, was man gegen Sommersprossen unternehmen kann. Die ernüchternde, aus heutiger Sicht wohl eher nicht zum Nachmachen geeignete Antwort: Sie lassen sich nur entfärben, aber nicht gänzlich vertreiben. Man nehme fein geriebenen Meerrettich, übergieße ihn in einer Glasflasche mit scharfem Essig und lasse ihn 24 Stunden stehen. Alsdann betupfe man hiermit die Sommersprossen beim Zubettgehen. Nach etwa 14 Tagen täglichen Behandelns werden die Flecken so ziemlich verschwunden sein. Sie kehren aber im nächsten Sommer wieder. Man kann es auch mit sauren Molken versuchen, denen man etwas Benzoe-Tinktur beimischt.″

Lauft barfuß oder in Holzschuhen!″, gibt das Tageblatt″ als Parole im Dienste der Lederersparnis aus. Im Sommer barfuß und im Winter in Holzschuhen zu gehen war schon vor dem Kriege auf dem Lande und in der Kleinstadt üblich. Jetzt macht der Krieg zu einem Verdienst, was oft ein Vergnügen oder Brauch war. Lederersparnis für das Vaterland! Daneben gehe es auch um Geldersparnis für kinderreiche Familien. An dieser Forderung der Zeit″ dürfe und werde niemand Anstoß nehmen.

Vor 100 Jahren

Serie Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os

Bildtext:
Mit Sarkasmus reagierten manche Kreise auf das ausufernde Bezugskartenwesen. Diese Postkarte entstammt der Sammlung historischer Bildpostkarten von Prof. Dr. Sabine Giesbrecht (Universität Osnabrück), online erreichbar unter der Adresse bildpostkarten.uos.de.
Autor:
Joachim Dierks


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