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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Multi-Spielhallen vor der Zerschlagung
 
Spielhallen-Beschäftigte bangen um ihre Jobs
Zwischenüberschrift:
Minister will Mehrfach-Komplexe zerschlagen – Wer muss am Freitag schließen?
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Etwa 300 Beschäftigte in Osnabrücker Spielhallen wissen nicht, ob sie ab Juli noch einen Job haben. Die Landesregierung will am Freitag zahlreiche Spielstätten schließen. Die Betreiber wehren sich. Und die Stadt muss zuschauen.

Etwa 300 Beschäftigte in Osnabrücker Spielhallen wissen nicht, ob sie kommende Woche noch einen Job haben. Die Landesregierung will an diesem Freitag zahlreiche Spielstätten schließen. Die Betreiber wehren sich. Und die Stadt muss ratlos zuschauen.

Osnabrück. Der politische und juristische Streit um das Glücksspiel treibt auf den Höhepunkt zu. Am kommenden Freitag, 30. Juni, sollen wenn es nach der Landesregierung geht 52 von 87 Spielstätten in Osnabrück dichtmachen. Welche zu schließen sind, hatte die Stadt auf Anraten des Wirtschaftsministeriums (wie andere Kommunen auch) per Los entschieden, was wiederum das Verwaltungsgericht im Mai für rechtswidrig erklärte. Und jetzt?

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) steckt in einem Dilemma. Er will den politischen Auftrag zu Ende bringen, die privaten Glücksspielangebote zurückzudrängen, verfügt aber zurzeit über kein rechtssicheres Instrument zur Auswahl der Spielstätten, die schließen müssen. Deshalb verschiebt er die Entscheidung in den kniffeligen Fällen: Lies wies jetzt die Kommunen an, Spielhallen in echten Konkurrenzverhältnissen vorerst nicht zu schließen″. Diese liegen nach Angaben des Ministeriums dann vor, wenn Spielhallen unterschiedliche Betreiber haben. Das heißt: Wo sich Wettbewerber gegenüberstehen, darf das Automatenglücksspiel weitergehen, bis die juristischen Fragen in letzter Instanz geklärt sind. Der Glücksspielstaatsvertrag wird in diesem einen Punkt ausgesetzt.

Anders sieht es der Minister bei den sogenannten Multikomplexen. Wo mehrere Spielstätten eines Betreibers unter einem Dach vereint sind, darf nur noch eine nach dem 30. Juni weiterbetrieben werden, sagt das Ministerium. Die Rechtslage sei klar und der Glücksspielstaatsvertrag umzusetzen. Weil künftig ein Mindestabstand von 100 Metern zwischen jeder Spielhalle gilt, sind Mehrfachkomplexe nicht mehr möglich. Die gesetzliche Regelung gilt seit 2012, enthält aber eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Diese Frist läuft am 30. Juni ab. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums müssen in Niedersachsen von den 1900 Spielstätten etwa 50 Prozent schließen.

25 Fälle vor Gericht

Der Bau von Multispielhallen war eine Reaktion der Branche auf Flächenbeschränkungen. Der Gesetzgeber ließ nur noch eine bestimmte Anzahl von Automaten pro Spielstätte zu. Also kombinierten die Betreiber mehrere Spielstätten, um Kosten zu sparen und ihren Kunden weiterhin ein breites Spielangebot zu bieten.

Spielstättenbetreiber in Osnabrück wehren sich juristisch gegen eine Schließung. Dem Verwaltungsgericht liegen insgesamt 25 Anträge von Betreibern vor, die in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Duldung erreichen wollen, bis der Streit in der Hauptsache letztinstanzlich entschieden ist. Wie ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Osnabrück sagte, wird in dieser Woche in jedem Einzelfall eine Entscheidung ergehen. Und darauf wartet auch die Stadt Osnabrück. Ihr obliegt es, im Auftrag des Landes die Schließungsverfügungen umzusetzen.

Keine Härtefallregelung

Die Glücksspielbranche übt harsche Kritik an der Ministeranweisung. Sie zeuge von Hilflosigkeit″, sagte der Sprecher der Gauselmann-Gruppe, Mario Hoffmeister. Das Unternehmen aus Espelkamp betreibt in Osnabrück sechs Multikomplexe. An vier Standorten müssten theoretisch″, wie Hoffmeister sagt, zehn von insgesamt 14 Konzessionen beendet werden. 54 Mitarbeitern und einem Auszubildenden drohe der Verlust des Arbeitsplatzes. Wir werden natürlich um jede Filiale und jeden Arbeitsplatz weiter juristisch kämpfen″, so Hoffmeister.

Besonders kritisierte der Sprecher, dass die Landesregierung keine Härtefallregelung zulasse. Viele Betreiber hätten im Vertrauen auf die Konzession in ihre Standorte investiert und mit einer bestimmten Laufzeit kalkuliert. Wenn jetzt der Staat die Schließung verfüge, sei das ein unverhältnismäßiger Eingriff. Für manche Betreiber könne das den wirtschaftlichen Ruin bedeuten.

In einem Punkt haben sich die Betreiber schon durchgesetzt, zumindest in der ersten Instanz. Die Verwaltungsgerichte in Osnabrück und Oldenburg halten das Losverfahren für rechtswidrig.

Das Osnabrücker Gericht entschied im Mai, dass die Stadtverwaltung als ausführendes Organ zunächst andere, objektive Kriterien zur Auswahl der Spielstätten hätte heranziehen müssen. Das wären zum Beispiel: Zuverlässigkeit der Spielhallenbetreiber, der Vertrauensschutz, das Alter der Bestandsspielhallen, die örtliche Lage der Spielhallen in Bezug auf von Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen, die Qualität des Sozialkonzepts, die wirtschaftliche Bedeutung der Schließung für die Spielhallenbetreiber und die bestmögliche Ausschöpfung der Gebietskapazität.

Glücksspiel und Spielsucht: Diskutieren Sie mit auf noz.de/ lokales

Bildtext:
Die Glücksspielbranche steht politisch unter Druck. Sie soll bis Freitag zahlreiche Spielstätten schließen. Doch welche aufgegeben werden müssen, ist immer noch unklar.

Foto:
David Ebener

Kommentar:

Unfair, oberflächlich, schlampig

Was war eigentlich die Triebfeder für die Änderung des Glücksspielstaatsvertrages vor fünf Jahren? War es wirklich das Bedürfnis, die Versuchungen für Spielsüchtige zu minimieren, indem ihnen der Spielautomat um die Ecke genommen wird?

Ja, es stimmt, die Zahl der privaten Glücksspielstätten ist in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Die Nachfrage ist also da. Es ist auch keine neue Erkenntnis, dass Menschen sich mit Spielen vergnügen und einen Kitzel dabei verspüren, wenn sie Geld riskieren. Weil das manche in den Abgrund reißt, ist es Aufgabe des Staates, das Spielangebot zu kanalisieren: Es soll dort gespielt werden, wo Suchtgefährdete entdeckt und zur Not vor sich selbst geschützt werden können. Wenn jetzt die Zahl der Spielstätten mehr als halbiert wird, verschwindet nicht einfach die Hälfte der Suchtgefährdeten. Sie suchen sich andere, unkontrollierte Zonen im Internet oder auf irgendwelchen Hinterhöfen.

Das Losverfahren ist von Gerichten schon verrissen worden, und noch etwas lässt Zweifel an der Glücksspiel-Politik des Wirtschaftsministers Lies aufkommen: Er schert sich nicht darum, ob Betreiber im Vertrauen auf die staatliche Konzession investiert oder gar ihre Existenz mit einer Spielstätte aufgebaut haben. Eine Härtefallregelung wird in Niedersachsen anders als in anderen Bundesländern nicht angewandt. Das ist den Betreibern gegenüber nicht fair und wird wohl noch einige Schadenersatzklagen nach sich ziehen.

Die Landesregierung hat den schwerwiegenden Eingriff in den Glücksspielmarkt sehr oberflächlich und schlampig abgearbeitet. Es drängt sich der Verdacht auf, dass weder Spielerschutz noch die Wahrung der Interessen privater Betreiber Priorität hatten sondern: die Stärkung des staatlichen Glücksspielangebots und die Sicherung der Einnahmen daraus.
Autor:
hin


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