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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Überschrift:
Abends, kurz vor zehn Uhr . . .
Zwischenüberschrift:
Wie Osnabrücker Muslime und Nicht-Muslime gemeinsam das Fastenbrechen begehen
Artikel:
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Originaltext:
Bis zum 24. Juni fasten auch in Osnabrück viele Muslime. Dann endet der Ramadan. Dazu gehört auch das abendliche Fastenbrechen. Wie das abläuft und warum überhaupt gefastet wird, erklären muslimische Bürger. Wir waren zu Gast in einem Osnabrücker Restaurant, im Mädchenzentrum und bei einem Verein.

Osnabrück. Egal, an welchem der drei Orte man sich befindet, kurz vor 22 Uhr spielt sich überall eine ganz ähnliche Szene ab: Es erklingt ein Gebetsruf, Menschen stecken sich rasch Datteln in den Mund und trinken ein Glas Wasser. Manche ziehen sich zurück und beten. So läuten die meisten Muslime den Iftar″ ein, das Fastenbrechen. Zwischen Sonnenuntergang und Morgendämmerung die genaue Uhrzeit verschiebt sich täglich ist den Gläubigen dann alles erlaubt, was vorher untersagt war: Essen, Trinken, Rauchen, Geschlechtsverkehr.

Es ist die kulturelle Pflicht von Muslimen, das Fastenbrechen gemeinsam zu feiern″, erklärt Samet Er, gerne auch mit Menschen anderer Religionen.″ Samet studiert islamische Theologie an der Universität Osnabrück und arbeitet nebenbei in Gefängnissen als Deradikalisierungsberater für Syrien-Rückkehrer und radikalisierte Flüchtlinge. Während es in muslimischen Ländern öffentliche Iftars gebe, sei das bis vor etwa drei Jahren in Deutschland nicht üblich gewesen. Das wird jetzt aber mehr″, sagt Samet.

Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islams, neben beispielsweise der Pilgerfahrt. Ungefähr mit Erreichen der Pubertät sollen alle Muslime während des Ramadans fasten. Ausnahme: Frauen während einer Schwangerschaft oder ihrer Periode, Kranke, Reisende und Schwerstarbeiter. Denn Gott möchte nicht, dass man seiner Gesundheit schadet″, erläutert Samet. Der Verzicht sei auch ein Reinigungsprozess, durch den schlechte Gewohnheiten abgelegt und ein neues Leben begonnen werden könne.

So sieht das auch Sarra Müller. Die 20-jährige Studentin nimmt am ersten Fastenbrechen im Osnabrücker Mädchenzentrum Café Dauerwelle teil. Die Mitarbeiterin Gülüstan Genc berichtet: Es war der Wunsch der Mädchen, neben anderen religiösen Festen auch den Iftar zu feiern.″ Erst kochen die 15- bis 24-Jährigen gemeinsam, dann essen und spielen sie. Es gibt Couscoussalat, Zaziki und Börek. Nicht alle sind Musliminnen und nicht alle fasten. Es geht auch darum, sich über die verschiedenen Kulturen zu unterhalten und zu erklären, warum sich manche vorübergehend in Verzicht üben.

Sarra hat mit zehn Jahren zum ersten Mal gefastet: Da macht man das, weil die Eltern stolz sind.″ In einer rebellischen Phase habe sie dann aufgehört. Ich dachte, meine Eltern merken es nicht, wenn ein Stück vom Fladenbrot fehlt″, sagt Sarra und lacht. Doch vor etwa vier Jahren habe sie zur Religion zurückgefunden. Seitdem fastet sie für sich selbst, und nicht, weil die Eltern es wünschen.

Fällt das nicht schwer? Der Durst ist ein großes Problem″, gibt Sarra zu. Aber man gewöhne sich daran, und der Magen verkleinere sich schnell. Der Trick ist, es zu wollen vorausgesetzt, der Körper ist dazu in der Lage.″ Sie vermutet, dass viele sich selbst unterschätzen. Nach Sonnenuntergang isst sie meist erst einmal Datteln und Wassermelonen, um den Körper langsam an Nahrung zu gewöhnen.

Eine weitere Herausforderung im Ramadan: Gefrühstückt werden muss ebenfalls noch vor Tagesanbruch, also vor 4 Uhr. Sarra bleibt meistens wach, denn die Nacht sollte für Gebete und Austausch genutzt werden. Früh morgens lernt sie dann. Für sie als Studentin sei das Fasten allerdings vergleichsweise leicht, andere müssten auf die Rücksicht ihrer Arbeitgeber hoffen. Im Gegensatz dazu kann man in muslimischen Ländern den Tag anpassen″, fügt sie hinzu.

Ihren Tag nicht angepasst haben die Betreiber des Restaurants Moin″ an der Hannoverschen Straße. Obwohl sie bis Sonnenaufgang ein Büffet fürs Fastenbrechen anbieten, haben sie auch tagsüber regulär geöffnet. Es ist ein Kommen und Gehen, viele essen ab zwei Uhr″, erklären die Betreiber, die selbst Muslime sind.

Im Café ist eine U-förmige Tafel aufgebaut, es läuft orientalische Musik, und die rund 30 Personen, die meisten Männer, haben sich schick gemacht. Denn Oberbürgermeister Wolfgang Griesert hat zum Fastenbrechen ins Moin″ eingeladen.

Bei diesem Anlass werden auch Anliegen der muslimischen Gemeinden in Osnabrück besprochen. Der Islam wird für Gewalttaten missbraucht″, sagt Griesert. Das erwecke einen falschen Eindruck. Ein Vertreter einer der muslimischen Gemeinden berichtet, dass nach den Berliner Anschlägen im Dezember viel Öffentlichkeitsarbeit notwendig war. Griesert fordert die Gäste auf, weiterhin selbstbewusst zu sein und ihren Glauben erfahrbar zu machen.

Genau das will auch der Verein Lesezirkel der Friedensstadt Osnabrück″. Die Mitglieder haben nicht-muslimische Nachbarn, Bekannte und Freunde zum gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen. Auch Theologiestudent Samet Er ist wieder dabei. Er hält einen Vortrag über den Ramadan, danach nehmen alle an den Tischen Platz. Zuerst wird Suppe als Vorspeise angeboten, dann unter anderem Reis, gefüllte Auberginen und Fleisch, zum Schluss gibt es ein Dessert. Samet sitzt mit einigen Gästen zusammen, darunter zwei Punkern, und beantwortet deren Fragen. Was ist an der Koran-Übersetzung der Salafisten anders?″, will zum Beispiel einer wissen.

Dilara Sivük aus Lotte hat ihre Freundin Pia Langen mitgebracht. Ich wollte, dass sie sieht, wie unsere Kultur wirklich ist″, sagt die 19-Jährige, die wie die meisten anwesenden Frauen ein Kopftuch trägt. Pia gefällt es: Vom Essen her ist es ganz anders, aber sehr familiär.″ Ob sie sich vorstellen könnte, selbst zu fasten? Auf Essen verzichten? Vielleicht. Aber auf Wasser auf keinen Fall.″

Der Ramadan endet mit dem Fest des Fastenbrechens (Zuckerfest), das in diesem Jahr vom 25. bis zum 27. Juni stattfindet. Da der Fastenmonat nach dem Mondkalender ausgerichtet wird, verschiebt er sich auf dem gregorianischen Kalender jedes Jahr um etwa elf Tage nach vorne. Fällt der Ramadan in den Winter, bedeutet das kürzere Fastenzeiten. Dann wird das Fasten auch für die Osnabrücker Muslime wieder einfacher als zurzeit ist mit dem 21. Juni doch sogar der längste Tag des Jahres ein Teil des Ramadans.

Bildergalerie auf www.noz.de

Bildtext:
Bunt gemischt sind die Gäste beim Fastenbrechen des Vereins Lesezirkel der Friedensstadt Osnabrück″.

Nicht nur gegessen, sondern auch gekocht wird im Mädchenzentrum Café Dauerwelle. In Bild (von links): Mitarbeiterin Gülüstan Genc mit den Besucherinnen Hava Yibur, Esra Akcay und Sarra Müller.

Anliegen aus ihren Gemeinden tragen die Gläubigen Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (Mitte) vor, der zum Fastenbrechen ins Moin″ eingeladen hat.

Fotos:
André Havergo; Elvira Parton; Michael Gründel
Autor:
Vincent Buß


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