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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Was die Bomben nicht schafften …
Zwischenüberschrift:
1974 wurde die Villa Rolandstraße 8 abgerissen und durch einen Zweckbau ersetzt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Eines der ältesten (und schönsten) Gebäude in der Rolandstraße musste 1974 einem Neubau weichen. Der setzte die modernistische Schuhkarton-Architektur″ des Nachbargebäudes zur Rechten fort.

Osnabrück. Heute fasst man sich an den Kopf, wie wenig wertschätzend noch vor kaum mehr als 40 Jahren mit einem typischen Beispiel der Villen und herrschaftlichen Wohnhäuser in der westlichen Vorstadt umgegangen wurde. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die 1939 Eigentümerin geworden war und wegen steigenden Raumbedarfs bereits 1957 ein modernes Bürohaus rechts danebengesetzt hatte, sah zu Beginn der 1970er-Jahre keine andere Möglichkeit, ihre wiederum zugespitzte Platznot zu befriedigen, als die Villa abzureißen und durch einen quadratisch-praktischen Zweckbau im Stil des schon bestehenden zu ersetzen.

Hätte sie damit doch nur weitere 13 Jahre gewartet. 1987 war nämlich klar geworden, dass die im Gleichschritt mit dem medizinischen Sektor insgesamt wachsende Standesvertretung der Ärzteschaft nichts mehr in der Rolandstraße verloren hatte. 1987 entstand das nochmals viel größere Ärztehaus draußen auf der grünen Wiese″ an der Lengericher Landstraße. Dann hätte man die Villa Rolandstraße 8 erhalten und einer neuen, passenderen Nutzung zuführen können. Etwa wie das linke Nachbarhaus Rolandstraße 10, in dem jetzt eine Vermögensverwaltung residiert.

Die Rolandstraße 8 entstand 1903/ 04 als zweites Haus der Straße überhaupt. Bauherr de Reuter wählte einen spätklassizistischen Baustil mit Anklängen an das traditionelle Osnabrücker Fachwerkgiebelhaus. Er muss bald nach Bezug des Hauses gestorben sein, denn von 1905 bis 1938 wird die Witwe Sophie de Reuter als Eigentümerin und Bewohnerin geführt. Udo Stiller, Sohn des ehemaligen KV-Geschäftsführers Ewald Stiller, meint sich zu erinnern, dass Familie de Reuter jüdischen Glaubens war.

Nach der Reichspogromnacht 1938 mit den einhergehenden Verfolgungen und Entrechtungen des jüdischen Bevölkerungsteils, die eine Emigrationswelle auslösten, konnte die Treuhandgesellschaft der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands″ das Anwesen erwerben. Sie brachte neben den Bezirksstellen von KV, Ärztekammer und der Privatverrechnungsstelle der Ärzte, Zahnärzte und Dentisten auch Dienstwohnungen für Geschäftsführer und Hausmeister darin unter.

Im Sommer 1942 erlitt das Ärztehaus bei einem Luftangriff schwere Zerstörungen. Als provisorische Unterkünfte dienten die Kegelbahn einer Gaststätte in Bohmte, die Privatwohnung des KV-Vorsitzenden Dr. Kadow und später eine Baracke im Garten hinter dem beschädigten Ärztehaus.

1942 wurde Ewald Stiller KV-Geschäftsführer. Seine Aufgabe war es, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung unter Kriegsbedingungen sicherzustellen. Von seiner Kegelbahn in Bohmte aus versuchte er das, so gut es ging. Nach dem Krieg waren alle Anstrengungen auf die schnelle Wiederherstellung der Villa gerichtet. Sie gelang angesichts des Mangels an Baumaterial und - personal erstaunlich qualitätvoll, wie das Foto zeigt. 1949 konnte Stiller mit seiner Familie die Dienstwohnung im linken Teil des Obergeschosses beziehen.

In den Wirtschaftswunderjahren gab es immer mehr Ärzte und Behandlungsfälle″ zu verwalten. Zwischen 1947 und 1957 verdoppelte sich die Zahl der Ärzte im Bezirk auf 740. Dass dafür die Baracke im Garten nicht mehr ausreichte, lag auf der Hand. So beschloss der KV-Vorstand 1956 den Neubau. Nach der Einweihung im September 1957 schrieb die Neue Tagespost″, er erscheine irgendwie schwebend, was wohl auf die reichliche Verwendung des Glases zurückzuführen ist″, und er füge sich vollendet in das umgebende Baugut″ ein, sei geradezu eine Bereicherung der Rolandstraße″. Die Osnabrücker sollten nicht versäumen, Fremde und Besucher, die das neu erbaute Osnabrück betrachten, hierhin zu führen″.

Das Osnabrücker Tageblatt″ war eine Nuance kritischer: Nach den Plänen von Architekt Kroeber entstand ein repräsentativer Neubau, der sich zwar aus dem Wohncharakter der Rolandstraße heraushebt, aber als moderner Zweckbau fraglos ein Blickpunkt dieser Straße ist.″

1974 hatte sich die Zahl der Ärzte ein weiteres Mal verdoppelt, womit die räumlichen Kapazitäten wiederum überschritten waren. Es fiel die Entscheidung, die Villa abzureißen und an die Stelle eine vierachsige Erweiterung des vorhandenen dreiachsigen Zweckbaus zu setzen. Als sich 1985 die Chance ergab, das Anwesen für 3, 2 Millionen DM an die Universität zu verkaufen, setzte die KV ihre Neubaupläne in Hellern um. An der Rolandstraße 8 forschen und lehren seitdem die Wirtschaftswissenschaftler.

Serie Zeitreise

Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os.

Bildtexte:
Die Universität wurde 1987 neuer Hausherr, nachdem die KV sich nach Hellern ausgesiedelt hatte.

Das architektonische Juwel wurde bis zu seinem Abriss 1974 als Ärztehaus genutzt.

Foto:
Joachim Dierks, Privatarchiv Udo Stiller
Autor:
Joachim Dierks
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