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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wo die Offiziere abgespeist wurden
Zwischenüberschrift:
Das Kasino am Neuen Graben überdauerte zwei Weltkriege
Artikel:
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Originaltext:
Das 1866 fertiggestellte Offizierskasino am Neuen Graben gehörte zu den nicht gerade zahlreichen älteren Gebäuden in der Innenstadt, die den Bombenkrieg unbeschadet überstanden hatten. Gleichwohl wurde es 1970 abgerissen, da es der Neugestaltung des Ledenhofs im Wege stand.

Osnabrück. Aus heutiger Sicht mag es überraschen, dass Stadtplaner und öffentliche Meinung dem damals bereits mehr als 100 Jahre alten Gebäude seinerzeit keine Träne nachweinten. Es passe so gar nicht in die alte Umgebung gegenüber dem Schloss″ und habe der neuen Zeit als Stehimweg einige Schwierigkeiten″ bereitet, schrieb das Osnabrücker Tageblatt″. So sei es seit Verbreiterung des Neuen Grabens nur ein Provisorium gewesen, dass die alte Freitreppe in die Flucht des Gehwegs hineinsprang. Oder noch krasser: Mit einem historischen Gebäude hat man es hier nicht zu tun″, hieß es noch im Mai 1970, womit wohl die Tatsache gemeint war, dass es nicht unter Denkmalschutz stand.

Man sieht hieran einmal mehr, wie relativ die Begriffe alt″ und neu″, historisch″ und modern″ sind. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand empfindet man unterschiedliche Entstehungszeiten benachbarter Gebäude weniger störend. Wer wollte heute daran Anstoß nehmen, dass etwa in Görlitz spätgotische Häuser aus dem 15. Jahrhundert und Historismus-Beispiele aus dem 19. Jahrhundert nur durch eine Brandmauer getrennt nebeneinanderstehen?

Der frühere städtische Denkmalpfleger Bruno Switala hält sich mit Kritik an der Abriss-Entscheidung zurück. Das war vor meiner Zeit, insofern bin ich unbefangen, kenne aber auch nicht alle Überlegungen dazu″, sagt er. Für seinen Geschmack waren die hannoverschen Militärbaumeister vor 1866 nicht besonders respektvoll″ mit der Nähe zum fürstbischöflichen Schloss umgegangen. Schließlich habe es sich um den Ort unmittelbar gegenüber der Hauptzufahrt zum Schloss gehandelt, wo das offene Gewässer des Neuen Grabens zugeschüttet und umgeleitet worden war. So entstand ein Vorplatz, über den die Kutschen im Bogen in den Tordurchlass einbiegen konnten.

Der Neue Graben als historische Grenzscheide zwischen den ehemals selbstständigen Kommunen Altstadt und Neustadt hätte eine sorgfältigere Beachtung verdient gehabt. Insofern ist für Switala nachvollziehbar, dass die Stadtplanung in den 1960er-Jahren versuchte, mit der Entfernung des Kasinos den Ledenhof in eine Beziehung zum Schloss zu setzen.

Das habe die heute viel gescholtene Umgestaltung nach dem Entwurf des Architekten Helge Bofinger mit richtigen Ansätzen versucht (1975–1977), auch wenn sich im Praxistest viele Details als kritikwürdig erwiesen hätten.

Eines ist für Switala aber auch klar: Wenn wir das Kasino heute noch in Reinkultur da stehen hätten, würde man nicht mehr Hand anlegen. Dann wäre es als Baudenkmal eingestuft.″ Die Architektur der Gründerzeit stehe heute deutlich höher im Kurs als vor 50 Jahren.

Das Offizierskasino kommt im Stil einer preußischen Kanzlei daher, die nicht mehr scheinen will, als sie ist formenstreng, klar und ehrlich. Dabei ist sie gar nicht preußisch, sondern noch in hannoverscher Zeit geplant und vollendet worden. Das Kasino war ursprünglich auch nicht als solches gedacht, sondern als Hauptwache für die Einheiten, die in der Artilleriekaserne auf dem Ledenhof lagen.

Die Hauptwache war im Erdgeschoss, während das Obergeschoss dem Regimentskommandeur als Wohnung diente. Er hatte es dann nicht weit zur Arbeit, denn im Schloss waren die Diensträume seines Stabes. Die Offiziere hatten ihr Kasino im sogenannten Küchenflügel des Schlosses. Das änderte sich 1891, als weitere Abteilungen hinzukamen. Ab da belegte die Offiziersspeiseanstalt″ das Kasinogebäude Neuer Graben 14 komplett. Das rote Backsteinhaus war der Öffentlichkeit mehr oder weniger verschlossen. Nur bei Regimentsbällen und anderen Veranstaltungen wurden auch Zivilisten eingelassen.

Die Offiziere speisten auch in der Zwischenkriegszeit noch im roten Haus, bis 1937 die Winkelhausenkaserne in der Netter Heide fertig war und Platz für ein neues, modernes Kasino bot.

1945 beschlagnahmten die Engländer das Kasino am Neuen Graben und brachten hier verschiedene Dienststellen wie etwa das britische Arbeitsamt und den Sitz des Verbindungsoffiziers unter. Gleichzeitig nutzten sie Räume im Haus und in der dahinterliegenden Nissenhütte für Reeducation und Völkerverständigung. Die Brücke″ bot den Osnabrückern Vorträge, Filmvorführungen und eine Bibliothek mit Leseräumen. Zeitweise brachte die Stadt hier auch ihre eigene Bücher- und Lesehalle″ unter, bis diese 1959 in das Gebäude der ehemaligen Löwen-Apotheke Markt 6 (heute Remarque-Friedenszentrum) ziehen konnte.

Im April 1970 wurden das Offizierskasino und die Nissenhütte plattgemacht, der Ledenhof als Parkplatz und Ort des Donnerstags-Wochenmarkts konnte sich dorthin ausdehnen.

Serie Zeitreise

Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os.

Bildtexte:
Das Offizierskasino stand von 1866 bis 1970 am Neuen Graben gegenüber dem Schlosseingang. Am linken Bildrand sieht man angeschnitten die Evangelische Bürgerschule Ledenhof und rechts daneben den Katharinen-Kirchturm. Die Ansichtskarte aus dem Jahr 1915 entstammt dem Bildarchiv Alt-Osnabrück, Band II, von Wido Spratte, Wenner 1997.

Ungehindert vom Kasino, geht heute der Blick zum Ledenhof. Ein Platzeindruck im Sinne einer Schlossfreiheit″ wird allerdings durch den Baumbestand verhindert.

Die Luftaufnahme aus dem Jahr 1934 verdeutlicht die Lage des Kasinos gegenüber dem Schlosseingang. Auf dem Ledenhof sind Wochenmarktstände aufgebaut. Das Foto von Richard J. Kern (hier ein Ausschnitt), entstammt dem Bildarchiv Alt-Osnabrück, Band II, von Wido Spratte, Wenner 1997.

Im Dezember 1967 waren die Tage des Offizierskasinos bereits gezählt. Die Oberleitungen verraten, dass das Bild in der ÖPNV-Epoche der Obusse geschossen wurde. Auf der Litfaßsäule verkündet 4711-Reklame den Weihnachtsfrieden. Links am Bildrand die IHK, rechts die angegliederte Nissenhütte auf dem Ledenhof.

Fotos:
Bildarchiv Alt-Osnabrück, J. Dierk, Archiv/ Kurt Löckmann
Autor:
Joachim Dierks


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