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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Veganer, Vegetarier und Flexitarier mischen den Markt auf
Zwischenüberschrift:
Weniger Fleisch, mehr Bio: Wie Landwirte auf Trends reagieren –Gesund für viele wichtiger als lecker
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Zwischen Gemüseabteilung und Fertiglebensmitteln wie Curry-King und backfertigem Pizzateig leuchtet bei Rewe ein Kühlregal in frischem Hellgrün. Vegan″ steht auf einem kleinen Schild. Da gibt es vegetarisches Hackfleisch aus Sojaproteinen, dem geräuchertes Salz und Karamell zu Geschmack verhelfen. Und vegetarische Mortadella aus Eiklar, Rapsöl und Farbstoffen. Ein Mann um die sechzig greift zu den vegetarischen Falafel, hält zwei Wiener Schnitzel aus Soja- und Weizeneiweiß daneben und sieht seine Frau fragend an. Am Ende entscheiden sie sich für das Schnitzel.

Dieses Angebot im Kühlregal ist ein Indiz für das wachsende Interesse der Deutschen an vegetarischer Ernährung. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Großteil der Menschen nun wirklich vegetarisch lebt. Deren Anteil liegt im einstelligen Prozentbereich und variiert je nach Studie. Allerdings wollen offenbar 37 Prozent der Bevölkerung ihren Fleischkonsum reduzieren. Das stellte das Marktforschungsinstitut GfK fest. Die Träger des Veggie-Booms sind damit die sogenannten Flexitarier″, die flexibel in ihrem Konsum sind, aber zunehmend gerne mal zu fleischlosen Lebensmitteln greifen.

Vor allem Schweinefleisch verliert an Beliebtheit. Laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) aßen die Deutschen 1996 im Schnitt 68 Kilogramm Schweinefleisch pro Person. Im vergangenen Jahr waren es nur noch rund 60 Kilo.

Woher kommt das Interesse am Gemüse? Ernährungspsychologe Thomas Ellrott von der Universität Göttingen formuliert es im Interview mit Spiegel Online so: Vegetarismus oder Veganismus sind ja per se nicht schlecht, aber manche Anhänger suchen vor allem eine Ordnungsstruktur und finden sie in einem Essverhalten, das ihnen plötzlich Sinn und Halt gibt.″ Ernährung könne zu einer Ersatzreligion werden. Auf der einen Seite diene der Ernährungsstil dazu, sich selbst zu inszenieren. Auf der anderen Seite würden Lebensmittel zur körperlichen Selbstoptimierung genutzt.

Auch Biolebensmittel werden immer beliebter. Im Januar veröffentlichten Techniker Krankenkasse und foodwatch eine Studie, wonach knapp die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland vor allem gesund″ essen wollen. Dieses stand damit erstmals vor lecker″. Viele bringen Biolebensmittel mit Gesundheit in Verbindung. Und so stieg der Anteil derjenigen, die bevorzugt Bio kaufen, laut der Studie in den vergangenen drei Jahren um gut zwanzig Prozent.

Wenn man sich aber anschaut, wie viele derjenigen, die sich für Biolebensmittel interessieren, diese tatsächlich kaufen, verändert sich das Bild. Wenn die Deutschen einkaufen gehen, haben Biolebensmittel laut Marktforschungsinstitut GfK nämlich nur einen Anteil von 5, 5 Prozent an den Ausgaben.

Weniger Schwein, mehr Gemüse, mehr Bio: Was bedeuten diese Änderungen im Konsumverhalten für die deutschen Landwirte? Professor Alfons Balmann untersucht am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien die Veränderungen in der Agrarwirtschaft. Er erklärt: Wenn weniger Deutsche Schweinefleisch äßen, bedeute das nicht, dass der Markt einbricht. Ein Teil der Produktion wird bereits jetzt ins Ausland exportiert zum Beispiel nach China.″ Der Markt entwickele sich eher schleichend. Große Veränderungen von heute auf morgen finden selten statt″, sagt der Agrarwissenschaftler. Eine Ausnahme sei der BSE-Schock von 2001 gewesen da sei die Nachfrage stark eingebrochen.

Neue Nischen tun sich auf

Ähnliches lasse sich beim Interesse an Bio-Lebensmitteln beobachten. Im kleineren Biosektor können sich schneller Überkapazitäten entwickeln. Das kann dazu führen, dass sich Bioprodukte nicht mehr absetzen lassen.″ Biolebensmittel werden zwar auch in Biomärkten und Ökoläden verkauft, vor allem aber im Sortiment großer Supermarktketten. Hier beschränke sich der Anspruch häufig darauf, dass es überhaupt ein Biosiegel gebe. Ansonsten komme es vor allem auf den Preis an. Wer besonders günstig produzieren kann, kommt zum Zug und das muss nicht unbedingt der Landwirt um die Ecke sein. Als Beispiel nennt Balmann Bio-Getreide, das aus Ost- und Südosteuropa importiert wird. Beim Veggieboom lasse sich dagegen beobachten, dass neue Nischen entstünden. Landwirte könnten etwa auf die Produktion von Hülsenfrüchten setzen Linsen zum Beispiel.

Fazit: Auch wenn sich die Konsumgewohnheiten der Deutschen kontinuierlich wandeln den Agrarsektor bringen Trends wie Veggie und Bio nicht aus dem Gleichgewicht. Zum einen entwickeln sich die Änderungen in Geschmack und Interesse nur langsam, sodass sich die Produzenten darauf einstellen können. Zum anderen hat die Globalisierung der Märkte zur Folge, dass ein kleiner Anteil der Konsumenten in Deutschland nicht für allzu große Verwerfungen sorgen kann.

Bildtext:
Wo Wurst draufsteht, muss kein Fleisch drin sein: Vegane Mortadella ist im Supermarkt schon Standard.

Foto:
dpa
Autor:
Stefanie Witte


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