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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Überschrift:
Diese Herren sind nicht willkommen
Zwischenüberschrift:
Amtliche Bodenschätzer sind bis Ende des Jahres in Osnabrück-Hörne unterwegs
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Sie sind nicht willkommen, die drei Herren, die auf der Wiese im Boden stochern. Vor allem Landwirte ziehen skeptisch die Augenbrauen zusammen beim Anblick der amtlichen Bodenschätzer.

Osnabrück. Ganz am Ende ihrer Arbeit kann es nämlich schon passieren, dass ein Bauer höhere Steuern oder Abgaben zahlen muss. Der dreiköpfige Schätzungsausschuss des Finanzamtes Osnabrück-Land taxiert seit Ende April bis voraussichtlich Ende dieses Jahres die Böden im Osnabrücker Stadtteil Hörne. Alle Veränderungen der Ertrags- und Nutzungsarten beispielsweise die Umwandlung von Grünland in wertvolleres Ackerland werden erfasst und in den Schätzungskarten dargestellt.

Das ist der Job von Ulrich Niermann, amtlichem landwirtschaftlichem Sachverständigen beim Finanzamt Osnabrück-Land. Die Steuerbehörde ist in diesen Angelegenheiten auch für die Stadt Osnabrück mit zuständig. Neben dem 45-jährigen Agraringenieur Niermann gehört dem Ausschuss ein Landwirtschaftsmeister als ehrenamtlicher Bodenschätzer an. Heinrich Grüter vertritt die Landwirte. Als die Bodenschätzung 1935 in Deutschland eingeführt wurde, haben die stolzen Bauern dem Finanzamt wohl nicht ganz vertraut. Bei der Bodenbewertung müssen der amtliche und der ehrenamtliche Schätzer zu einem gemeinsamen Urteil kommen. Der Dritte im Trio ist ein Vermessungsingenieur. Thomas Kuzior markiert mit einem GPS-Gerät exakt die Punkte, an denen Bodenproben genommen werden.

GPS statt Feldzirkel

Noch vor wenigen Jahren gab es anstelle dieser satellitengestützten Navigation einfachste Hilfsmittel. Früher benötigten die Bodenschätzer neben Schaufel und einem rund einen Meter langen Bohrstock″ einen Feldzirkel. Mit dem zum Spagat gespreizten Holzgerät marschierte das Trio über die Felder und maß die Entfernungen: Vergangenheit. Moderne Technik mit GPS und Laptop ist jetzt Standard. Der hoheitliche Akt heißt immer noch Bodenschätzen. Die Flurstücke in Hörne werden jetzt neu begutachtet, weil sich durch die Flurbereinigung Düteaue 2008 viel verändert hat. Einige Böden haben in der Bereinigungsaktion für die Bauern an Wert gewonnen. Andere Böden sind renaturiert worden. In den Katastern gibt es also Nachholbedarf. Die tatsächliche Nutzung wird von den Fachleuten festgestellt und ist damit im wahrsten Sinne des Wortes amtlich.

Einheitswert D-Mark

Ein Beispiel: Im Zuge der Düterenaturierung wurde in Hörne eine gut 7200 Quadratmeter große ehemalige Grünlandfläche im Uferbereich umgewandelt und aufgeforstet mit Nadelwald. Vorher hatte diese Fläche einen sogenannten Einheitswert von 1080 D-Mark, danach nur noch gut 36 D-Mark. D-Mark? wieso D-Mark? Die Umstellung auf den Anfang 2002 eingeführten Euro ist in der Steuerbürokratie noch nicht vollends gelungen. Das liegt am Zeitpunkt für die amtliche Feststellung der sogenannten Einheitswerte. Sie dienen als Bemessungsgrundlage für Vermögensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer für unbebaute und bebaute Grundstücke. Die noch heute gültigen Einheitswerte entsprechen den Feststellungen vom Januar 1964 für den Westen Deutschlands und vom Januar 1935 für den Osten. Für den Landwirt mit der aufgeforsteten Fläche an der Düte bedeutet das: Als Grundstückseigentümer wird er künftig rund 3 Euro weniger Steuern im Jahr zahlen.

Mit dem Bohrstock

Das dahintersteckende Ermittlungsverfahren ist ebenfalls nicht für eine Unterhaltungssendung im Abendprogramm des Fernsehens geeignet. Die Bodenschätzer des Finanzamtes müssen sogenannte Ertragsmesszahlen ermitteln eine für Laien kaum nachvollziehbare Buchstaben- und Zahlenkombination. Die beschreibt quasi den Wert des Bodens. Der amtliche und der ehrenamtliche Schätzer untersuchen die Bodenschichten mit dem Bohrstock″, schauen sich die Horizonte″ an, machen Fingerproben. Sandig, lehmig, humos, eher schwer oder gar wie Ton? Am Ende bekommt der Boden eine Gesamtpunktzahl.

Das Osnabrücker Land hat dabei eher durchschnittliche Ergebnisse. An der Spitze der Boden-Rangliste liegt die Magdeburger Börde. Eine Bodenprobe aus der Börde das sogenannte Musterstück ist mit 100 Punkten bewertet und bundesweit das Maß aller Bodenschätzung. Jede der neun Bodenklassen ist durch ein Musterstück definiert. Darüber hinaus gibt es regionale Musterstücke, für den Landkreis Osnabrück allein 43, die als Vergleichsmaßstab für die Bodenschätzung auch in Hörne dienen.

Die Ergebnisse liegen später einen Monat öffentlich aus, zugleich wird den Landwirten eine Schlussbesprechung angeboten. Einen Monat danach ist die Bodenschätzung rechtskräftig und kann wenn sich die Daten im Vergleich zur vorangegangenen Schätzung erheblich verändert haben zu einem neuen Steuerbescheid führen. Die Arbeit der Bodenschätzer in Niedersachsen dient zugleich der geologischen Forschung und dem Naturschutz. Die Ergebnisse werden in den Liegenschaftsbüchern und - karten festgehalten. Früher noch auf Papier, mittlerweile hat die Steuerbehörde Stück für Stück auf Computerarbeit umgestellt.

Hanfplantage

Wirklich ganz selten stellen Ulrich Niermann und seine Kollegen vom Schätzungsausschuss bei ihren Feldbegehungen Nutzungsänderungen fest, die den Staatsanwalt mehr interessieren als den Steuerbeamten. Im nördlichen Landkreis Osnabrück standen die drei einmal unversehens am Rande eines Wäldchens in einer Hanfplantage. Aber dafür gibt es natürlich keine amtlichen Ertragsmesszahlen.

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Bildtexte:
Diesen Bohrstock treiben die Mitglieder des Schätzungsausschusses des Finanzamtes Osnabrück-Land in den Boden, um die Beschaffenheit zu ermitteln. Am Ende des Verfahrens können die Erkenntnisse zu einem neuen Steuerbescheid führen.

Der Schätzungsausschuss des Finanzamtes Osnabrück-Land vor Ort: der landwirtschaftliche Sachverständige Ulrich Niermann (von links), der ehrenamtliche Bodenschätzer Heinrich Grüter und Vermessungsingenieur Thomas Kuzior in Osnabrück-Hörne.

Der Feldzirkel hat ausgedient. Moderne Technik mit GPS (Foto) und Laptop ist jetzt Standard bei der exakten Ermittlung der Bohrlöcher im Rahmen der amtlichen Bodenschätzung.

Ulrich Niermann prüft die vier Jahre alten Luftaufnahmen vom Stadtteil Hörne, die Indizien für eine Nutzungsänderung geben können.
Fotos:
David Ebener, Thomas Osterfeld
Autor:
Franz-Josef Raders


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