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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Spielhallen-Verlosung war rechtswidrig
Zwischenüberschrift:
Gericht hebt Schließungsbescheide der Stadt auf – 300 Beschäftigte atmen auf
Artikel:
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Originaltext:
Die Würfel sind zugunsten der Spielhallenbetreiber gefallen: 52 von Schließung bedrohte Spielhallen in Osnabrück dürfen vorerst weitermachen. Das Verwaltungsgericht hob am Mittwoch die Schließungsbescheide der Stadt auf. 300 Beschäftigte atmen auf.

Osnabrück. Es passt ja zur Glücksspielbranche: Das Los, gezogen im August 2016 unter notarieller Aufsicht im Rathaus, sollte entscheiden, welche Spielhallen in Osnabrück der Bann trifft. Um den Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrages gerecht zu werden, sollten 52 der insgesamt 87 Spielhallen in Osnabrück ihr Geschäft einstellen.

Das Losverfahren war falsch″, sagte der Präsident des Verwaltungsgerichts, Ulrich Schwenke, in der Hauptverhandlung am Mittwoch. Die Stadt hätte zunächst alle Sachkriterien prüfen und ausschöpfen müssen, so der Richter. Das sei offensichtlich nicht geschehen. Außerdem müssten die Auswahlkriterien für jedermann transparent und nachvollziehbar sein. Das Gericht hob die Bescheide der Stadt auf und gab dem Bürgeramt auf, nach sachlichen Kriterien neu zu entscheiden.

Über 60 Zuhörer

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht stand landesweit unter Beobachtung. Das zeigte sich auch im größten aller Sitzungssäle im Fachgerichtszentrum an der Hakenstraße: 60 Zuhörer zwängten sich in den Raum von der Größe eines Klassenzimmers, mindestens 20 kehrten angesichts der Enge auf dem Flur um. Die vier klagenden Spielhallenbetreiber und weitere Beteiligte hatten neun Rechtsanwälte aufgeboten, die zunächst nicht mal alle einen Sitzplatz fanden.

Gerichtspräsident Ulrich Schwenke fand Gefallen an der Erörterung der hochkomplexen juristischen Materie, die sich auf drei Kernfragen reduzieren lässt: War das Losverfahren das richtige Entscheidungsmittel? Gibt es eine angemessene Regelung für Härtefälle? Handelt die Landesregierung bei der Umsetzung des Staatsvertrages nach dem Grundgesetz?

Die ersten beiden Fragen beantwortete das Gericht mit nein. In der dritten Frage nach der Verfassungsmäßigkeit ließ Schwenke deutlich Zweifel anklingen: Grenzwertig″ nannte er die Regelung in Niedersachsen, die nach seiner Meinung die Zuständigkeiten des Bundes und des Landes vermischt.

Der seit 2012 gültige Glücksspielstaatsvertrag lässt Mehrfachspielhallen nicht mehr zu und schreibt einen Abstand von mindestens 100 Metern zwischen Spielstätten vor. Ziel ist es, das Glücksspielangebot zu kanalisieren und Spielsüchtige nicht in Versuchung zu bringen. Der Gesetzgeber hatte den Spielstättenbetreibern eine Übergangsfrist von fünf Jahren eingeräumt. Diese Frist läuft am 30. Juni 2017 aus.

Unklar ist, ob alle Spielhallen über den 30. Juni hinaus weiter geöffnet haben. Den Antragen der Spielhallenbetreiber auf unbefristeten Weiterbetrieb gab das Gericht nämlich nicht statt. Die klagenden Spielhallenbetreiber gehen allerdings davon aus, dass der Betrieb fortgeführt werden kann. Sie erwarten nicht, wie ein Anwalt nach dem Urteil sagte, dass die Stadt in so kurzer Zeit die vom Gericht verlangten Rechtsstandards erfüllen und rechtssichere Bescheide erstellen kann.

Etwa 300 Beschäftigte wären nach Branchenangaben von einer Schließungswelle in Osnabrück betroffen gewesen. Landesweit sind 60 000 Menschen in Glücksspielstätten beschäftigt. 1500 hatten am Dienstag in Hannover gegen die geplanten Schließungen protestiert.

Das hat Spaß gemacht″

Das Urteil hat landesweite Signalwirkung. Am Dienstag hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg gegensätzlich entschieden. Ein weiteres Verfahren ist in Hannover anhängig. Es gilt als sicher, dass sich höhere Instanzen damit noch befassen werden.

Klaus Gill, Spielhallenbetreiber und einer der vier Kläger, freute sich über den Sieg der Demokratie und des Rechtsstaates″. Das Losverfahren und die fehlende Bereitschaft von Stadt und Land, Härtefälle anzuerkennen, wären einem Berufsverbot gleich gekommen, sagte er. Das Los hatte Gill hart getroffen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Royal Casino mit Sitz in Espelkamp hätte 13 seiner 15 Spielstätten in Osnabrück dichtmachen müssen.

Glücklich war am Ende nicht nur Gill, sondern auch der Gerichtspräsident. Ulrich Schwenke schloss die Verhandlung mit einer persönlichen Anmerkung: Dafür bin ich Verwaltungsrichter geworden. Das hat richtig Spaß gemacht.″

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Bildtext:
Das Glücksspiel darf weitergehen. Das Verwaltungsgericht ist der Stadt Osnabrück in den Arm gefallen.

Foto:
David Ebener

Darum ist das Los unfair

Das Losverfahren ist nicht fair, wie Richter Schwenke an einem Beispiel erläuterte. Die Spielhallen müssen einen Abstand von mindestens 100 Metern haben , sagt das Gesetz. Wenn drei Spielstätten an einer Straße jeweils 90 Meter voneinander entfernt sind, hat die Spielhalle in der Mitte deutlich schlechtere Überlebenschancen. Trifft das Los die mittlere, sind die beiden äußeren sofort aus dem Schneider. Trifft das Los einen der äußeren Konkurrenten, ist eine zweite Ziehung zwischen den beiden verbliebenen nötig. Die mittlere Spielhalle muss also zwei Losrunden gewinnen.

Kommentar:

Vom Land im Stich gelassen

Die vier Vertreter der Stadt hatten in der Hauptverhandlung nicht viel zu sagen. Na klar: Nicht die Stadt hat einen Fehler gemacht, die Landesregierung und der Landtag haben es über Jahre versäumt, den Kommunen ein rechtssicheres Instrumentarium zur Umsetzung des Staatsvertrages an die Hand zu geben. Es geht schließlich um nicht weniger als die Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl, zementiert in Artikel 12 des Grundgesetzes.

Ein Arbeitsgruppe unter Führung des Wirtschaftsministeriums hatte den Städten empfohlen, im Falle konkurrierender Anträge und Fehlen sachlicher Kriterien einfach das Los zu werfen. Regierung und Behörden haben sich die Sache damit ziemlich einfach gemacht, zum Nachteil der Betroffenen. Das Los kann einen Großunternehmer treffen, der einen von fünf Standorten aufgeben muss, aber auch einen Firmengründer, der seine einzige Spielstätte und damit seine Existenz verliert. Ja, der Gesetzgeber sieht dann eine Härtefallregelung vor, aber in der Praxis wird sie nicht angewandt, wie vor Gericht deutlich wurde. Die Begehren der Betroffenen wurden offenbar mit gleichlautenden Antworten abgewiesen, ohne den Einzelfall zu prüfen. Die Fairness wird dem politischen Ziel geopfert, das private Glücksspielangebot einzuschränken. Angeblich, um der Spielsucht zu begegnen. Wahrscheinlich aber auch, um die staatlichen Lotterie- und Wetteinnahmen zu sichern.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat solche Ungereimtheiten offengelegt. Und das Gericht hat eindrucksvoll bewiesen: Der Rechtsstaat funktioniert.
Autor:
Wilfried Hinrichs


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