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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Grünes Licht für Bolzenschneider
 
Liebesschlösser: Stadt macht kurzen Prozess
Zwischenüberschrift:
Brückengeländern droht Rostfraß – Alternative Orte werden noch geprüft
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die Politik gibt der Verwaltung für die Aktion Bolzenschneider″ grünes Licht: Weil Liebesschlösser durch Kontaktkorrosion selbst verzinkten Stahl rosten lassen, sollen sie von den Brückengeländern der Innenstadt entfernt werden.

Pärchen, aufgepasst! Die Stadt will Liebesschlösser von Brückengeländern rigoros entfernen. Neu angebrachte Treue-Eisen sollen nicht mehr geduldet werden. So hat es der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt beschlossen. Offen ist noch, ob es künftig einen legalen″ Ort für Liebesschlösser gibt.

Osnabrück. Sie sind anonym oder tragen eingravierte Namen, sie schillern in allen Farben. Hunderte oder Tausende von Liebespaaren angebrachte Schlösser zieren die Brückengeländer der Innenstadt und setzen langsam, aber sicher Rost an. Damit gefährden sie sogar Material, das als rostbeständig gilt. Durch Kontaktkorrosion, so schreibt der Fachbereich Geodaten und Verkehrsanlagen, werde selbst verzinkter Stahl angegriffen und beginne auf Dauer selbst zu rosten.

Um solche Schäden abzuwenden, startet die Stadt ihre groß angelegte Aktion Bolzenschneider″. 20 000 Euro veranschlagen die Planer, um die zerstörerischen Verbindungen zu lösen. Schon nach dem Bekanntwerden dieser Pläne vor drei Wochen hatte sich gezeigt, dass die Schlösser nicht nur mit Rostflecken, sondern auch mit vielen Emotionen behaftet sind. Es war die Fraktion UWG/ Piraten, die mehr Sensibilität und weniger brachiale Gewalt beim Umgang mit den schweren Hinterlassenschaften der Liebe einforderte. Aber einem entsprechenden Antrag wollten sich die anderen Fraktionen nur bedingt anschließen.

In der Ausschusssitzung war schnell klar, dass es einen breiten Konsens gibt, die Schlösser nach entsprechender Ankündigung in der Presse zu entfernen. So soll den Paaren Gelegenheit gegeben werden, ihre stählernen Treueschwüre selbst in Sicherheit zu bringen, sofern sie noch über einen Schlüssel verfügen und der Mechanismus nicht eingerostet ist. Doch damit waren die gemeinsamen Ziele der Politiker auch schon erschöpft.

Nach Auffassung von UWG und Piraten soll die Verwaltung die geknackten Schlösser vor der Entsorgung vier Monate verwahren, um den Eigentümern Gelegenheit zu geben, sie wieder an sich zu nehmen″. Dieser Vorschlag ging Stadtbaurat Frank Otte entschieden zu weit. Es komme nicht infrage, dass die Verwaltung die Herz- und Schmerzsymbole fein säuberlich nach Farben geordnet in ein Regal lege, stellte er klar. Und hatte damit die Hardliner auf seiner Seite.

Verena Kämmerling (CDU), Ulrich Hus (SPD) und Volker Bajus (Grüne) stimmten ihm zu und forderten zugleich, kurzen Prozess zu machen, falls ein Pärchen es wage, das unliebsame Schlösser-Ritual nach der ersten Säuberungsaktion wiederaufleben zu lassen. Das ging dem FDP-Politiker Oliver Hasskamp entschieden zu weit. Die Stadt müsse das Ansehen der Liebenden respektieren, forderte er von seinen Ratskollegen und sprang Wulf-Siegmar Mierke (UWG/ Piraten) bei, der einen alternativen Ort für die Weiterführung des Brauchs″ vorgeschlagen hatte. Eine entsprechende Skulptur könne auf dem Raiffeisenplatz installiert werden, schlug Hasskamp vor.

Anette Meyer zu Strohen (CDU) wollte gleich Nägel mit Köpfen machen und gab zu bedenken: Wir haben ja einen Künstler in der Stadt . . .″ – „. . . der sich mit Schrott auskennt″, trällerte Volker Bajus von den Grünen dazwischen. Gemeint war Volker Johannes Trieb, der schon häufiger mit rostigen Installationen in Erscheinung getreten ist.

Skeptisch gegenüber solchen Ersatzpflanzungen″ äußerte sich Stadtbaurat Otte, und auch aus der Politik kamen Vorbehalte, ob es Aufgabe der Stadt sei, den Schlösser-Wildwuchs auf künstlerisch gestaltete Gebilde umzuleiten. Am Ende kam es zu einer Kampfabstimmung quer durch die Fraktionen. Mit 6: 5 Stimmen wurde der Vorschlag von UWG/ Piraten angenommen. Nun soll die Verwaltung darlegen, wie ein alternatives Element″ zur Anbringung von Liebesschlössern aussehen könnte, wo es aufgestellt werden könnte und wie viel es kosten würde.

Einstimmig fiel dagegen die Entscheidung, dass die rostenden Liebesschwüre in einer angekündigten Aktion entfernt werden sollen. Und dass die Stadt anschließend einschreitet, sobald weitere Schlösser an Brücken gesichtet werden. Ohne Ankündigung.

Osnabrück als Glückshauptstadt: Lesen Sie mehr im Internet auf www.noz.de

Bildtext:
Liebesschlösser an Brücken werden nicht mehr geduldet. Die Stadt plant die Aktion Bolzenschneider″.

Foto:
Jörn Martens

Kommentar:

Selber aktiv werden für ein Monument der Liebe

Die Augen schließen, Für immer! rufen und den Schlüssel in die Hase werfen. Ist das romantisch? Oder ist es nicht eher makaber, grenzenlose Liebe mit einem Symbol auszudrücken, das für Verschlossenheit und Kerker steht? Wer bis über beide Ohren verliebt ist, denkt nicht darüber nach. Aber wenn massenhaft rostende Schlösser Schäden an kommunalen Brückengeländern verursachen, dann muss die Stadt reagieren. Und dann sind auch die Liebespaare gefordert, ihr Ritual infrage zu stellen.

Mit großem Wohlwollen für alle, die mit Schmetterlingen im Bauch sonderbare Dinge tun, haben die Politiker über den Umgang mit Liebesschlössern diskutiert. Vielleicht, weil Osnabrück sich immer noch als Glückshauptstadt versteht. Und weil es nicht schaden kann, dem Glück ab und zu ein Schälchen Milch hinzustellen.

Bei aller Liebe: Wenn sich Paare in ihrem Zweisamkeitstaumel mit einem rostenden Schloss an einem Brückengeländer verewigen wollen, dann ist das ohne rosa Brille betrachtet Sachbeschädigung. Auf Dauer eine teure Angelegenheit für die Allgemeinheit. Deshalb kann auch eine Glückshauptstadt nicht darauf verzichten, gegen solchen Unfug einzuschreiten. Wer seine Liebesschwüre auf Häuserwände, Autos oder Schaufenster sprüht, könnte auch nicht auf Nachsicht hoffen.

Bleibt noch die Frage, ob es Aufgabe der Stadt ist, einen legalen″ Ort für das bunte Schlösser-Treiben bereitzustellen. An den Brücken lässt sich ja ablesen, dass dieser seit zehn Jahren grassierende Brauch zahlreiche Anhänger hat. Wenn so viele Menschen ein stählernes Bekenntnis zu ihrem liebsten Menschen abgeben wollen, sollten sie sich zusammenschließen und ein Monument der Liebe kreieren. Etwa einen stählernen Baum mit vielen Verästelungen, an denen sich die Liebesschlösser anbringen lassen, ohne dass Brücken Schaden nehmen. Die Stadt wird so eine Initiative sicherlich unterstützen, indem sie einen geeigneten Standort zur Verfügung stellt.
Autor:
rll


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