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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Als das Kaiserreich Devisen brauchte
Zwischenüberschrift:
April 1917: Auslandsaktien verkaufen, Türkisch lernen, Hausmädchen zur Landarbeit freistellen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Nach dem Hungerwinter 1916/ 17 richten sich im dritten Kriegsjahr alle Anstrengungen auf eine möglichst gute Ernte. Voraussetzung ist die umfassende Frühjahrsbestellung der Felder. Viele Landarbeiter stehen an der Front. Ersatz sollen Schulklassen bieten, die umschichtig aufs Land geschickt werden.

Osnabrück. Weiterhin bittet der Vaterländische Frauenverein seine Mitglieder, die Dienstboten halten, diese nach Möglichkeit jetzt für die Frühjahrsbestellung und auch später für die Erntezeit freizustellen, sofern sie Landarbeit verstehen″, wie es im Osnabrücker Tageblatt″ heißt. Besonders wertvoll wäre es, wenn das unter Weiterzahlung wenigstens eines Teils des Lohns geschehe. Die Hausfrau, die dafür mehr häusliche Arbeitslast selbst übernimmt oder die Haustöchter dazu heranzieht, versteht die Kriegsforderung des Tages und handelt in echt deutschem Gemeinschaftssinn″, schreibt das Blatt.

Industrielle Arbeitgeber werden ermahnt, jetzt bloß nicht auch noch Frauen vom Lande durch Agenten anwerben zu lassen. Jeder Unternehmer müsse sich doch sagen, dass er sich dadurch selbst schädige, denn er entziehe der Landwirtschaft jene Kräfte, die für seine und seiner Arbeiter Ernährung zu sorgen hätten. Die Frau vom Lande ist für den Unternehmer eine ungelernte Kraft wie jede andere, für die Landwirtschaft aber ist sie Facharbeiterin und unersetzlich″, so zu lesen im Tageblatt″.

Superintendent jubiliert

Das Reich braucht Devisen. An alle Besitzer ausländischer Wertpapiere ergeht die Aufforderung, sie bis zum 21. April den Reichsbankanstalten zum Kauf anzubieten. In Osnabrück wickelt den Ankauf auch das private Bankhaus Sanders, Wiecking & Co. in der Schillerstraße ab. Wir können in jedem Falle die höchstmögliche Verwertung erzielen″, inseriert die Bank, weist aber auch auf Folgendes hin: Sollten jedoch die Inhaber ausländischer Wertpapiere, deren Verwertung im vaterländischen Interesse liegt, sich zur freiwilligen Hergabe an das Reich nicht entschließen können, wird der Reichskanzler jederzeit die zwangsweise Überlassung anordnen können.″

Am 15. April begeht Superintendent Balduin Weidner sein 40-jähriges Dienstjubiläum an St. Katharinen. Als Kanzelredner wie als Mensch erfreut sich der Jubilar der größten Wertschätzung″, urteilt das Tageblatt″. Er habe in der Sorge für das Alter (als Vorstandsmitglied des Osnabrücker Frauenheims in der Klosterstraße), in Sorge um die Jugend (als Vorstandsmitglied der Kleinkinderbewahranstalt an der Alten Münze) und in der Wohnungsfürsorge (als Gründer und Vorsitzender des Gemeinnützigen Bauvereins) in langen Jahren eine erfolgreiche soziale Wirksamkeit entfaltet″. Aus tiefer Dankbarkeit benannte der Magistrat bereits 1908 eine Straße nach ihm, die die Sutthauser Straße mit der Brinkstraße verbindet. Sie liegt inmitten der Wohnsiedlung, die der Bauverein schuf. Damit nicht genug, erhielten die Parallelstraßen auch noch die Vornamen seiner Töchter Hermine, Klara und Martha.

Um die deutsch-türkischen Beziehungen ist es vor 100 Jahren wohl besser bestellt als heute. Aus der Waffenbrüderschaft wird sich voraussichtlich nach dem Kriege ein enges wirtschaftliches Bündnis ergeben″, prophezeit das Tageblatt″, weil sich beide Länder, die die schwere Zeit″ zusammengeführt habe, gut ergänzten. Die Türkei sei ein Land voll reicher, zum größten Teil noch ungehobener Bodenschätze und Rohstoffe und Deutschland das Land, das diese Schätze in gebrauchsfähige Ware umzuwandeln befähigt sei. Den Weg zur Erschließung eines Landes ebne nichts so sehr wie die Kenntnis seiner Sprache. In beiden Ländern habe eine umfassende Bewegung eingesetzt, die Sprache des verbündeten Volkes zu erlernen. Die Teilnehmerzahl des in Osnabrück von Kapuzinerpater A. Strittmatter abgehaltenen Türkisch-Kurses war so groß, dass der Kurs geteilt werden musste. Um das Gewonnene zu bewahren und zu vervollkommnen″, hat sich nach Kursende jetzt aus den Teilnehmern ein Türkischer Lesezirkel″ gebildet, der jeden Freitagabend im Zeichensaal der Bürgerschule am Herrenteichswall zusammenkommt.

Aus der Kriegschirurgie werden große Fortschritte mithilfe von Elektromagneten berichtet. Ein in Gewebeteilen oder Organen eingeschlossener, metallischer Fremdkörper kann in vielen Fällen dort belassen werden, wenn er keine Beschwerden verursacht. Wenn hingegen die Weichteilwunde nicht verheilen will und Eiter absondert, was besonders bei Steckschussverletzungen vorkommt, muss der Fremdkörper entfernt werden.

Magnete gegen Kugeln

Das Aufsuchen und Extrahieren des Geschosses geschieht mit einem Elektromagneten meistens schonender und gefahrloser als mit herkömmlicher Operation. Das Geschoss stellt sich unter der Zugkraft des Magneten in seine Längsrichtung ein, eine weiter gehende Zertrümmerung etwa von Gehirnsubstanz nach Kopfschüssen wird vermieden. Ähnliches gilt für die komplizierte Entfernung von Granatsplittern nach einem Lungenschuss. Der Verwundete konnte vollkommen geheilt und felddienstfähig entlassen werden″, wird aus der Deutschen Medizinischen Wochenschrift″ zitiert.

Junge Straßenrowdys

Die missbräuchliche Benutzung von Fußwegen ist auch schon vor 100 Jahren ein Thema. Viele Menschen glauben, sich in jetziger Zeit über alle Bestimmungen hinwegsetzen zu können″, klagt der Zeitungsredakteur. Milchkarren und Handwagen, beladene wie unbeladene, würden auf den Fußwegen gezogen. Selbst Radfahrer glauben oftmals, den vollständig freien Fahrdamm meiden zu müssen.″ Eine weitere Unsitte werde von Kindern auf abschüssigen Straßen geübt, indem sie, auf einem Kastenwagen sitzend, die Deichsel zwischen den Knien, in schnellem Tempo den Fußweg herunterfahren. Entgegenkommende Personen sind gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen. Dieser Unsinn werde nur durch Mangel an Aufsicht ermöglicht. Jeder Erwachsene sollte derartigem Unfug gegenüber selbst Polizei spielen und Ordnung schaffen″, fordert die Zeitung.

Bildtexte:
Das Bankhaus Sanders, Wiecking & Co. war stark im internationalen Wertpapiergeschäft engagiert. Sein Sitz befand sich an der Schillerstraße 11, wie das Lichtenberg-Foto von 1920 zeigt. Heute steht dort die Oldenburgische Landesbank.
Pastor Balduin Weidner (1845–1929) auf dem Ölgemälde von Theodor Peter Koch, das am Turmaufgang der Katharinenkirche hängt.
Fotos:
Rolf Spilker, Lichtenberg Bilder einer Stadt, Bramsche, 1996, Bosselmann
Autor:
Joachim Dierks


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