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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Frösche, Geigen und Paragrafen
Zwischenüberschrift:
Die Poggenburg gegenüber der Katharinenkirche hat schon viele Nutzungen erlebt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Vor 40 Jahren war der Poggenkeller″ in der Hakenstraße eine schwer angesagte Szenekneipe. Ein paar Häuser weiter in Richtung Katharinenkirche suchten brave Geigenschülerinnen die Poggenburg″ auf, weil sich darin das städtische Konservatorium befand.

Osnabrück. Beide Gebäude bezogen ihren Namen vom Poggenbach, der als eine Art Vorläufer des Pappelgrabens die Wüste entwässerte, den Siedlungskern der Stadt umfloss und in die Hase mündete, später jedoch im städtischen Graben- und Kanalisationssystem aufging. Pogge″ ist das niederdeutsche Wort für Frosch. Wenn ihr Haus wenig vornehm als Poggenburg″ bezeichnet wurde, so entsprach das wahrscheinlich nicht dem Wunsch der begüterten Osnabrücker Familien, die sich gegenüber der Katharinenkirche niederließen. Doch was sollten sie machen, die Nähe zum Poggenbach legte diesen volkstümlichen Begriff nun einmal nahe.

Die Neustadt etwa zwischen St. Johann und St. Katharinen war im späten Mittelalter eine bevorzugte Wohngegend für die damalige Prominenz. Adelshöfe waren seit dem 15. Jahrhundert in Osnabrück stark verbreitet, vor dem Bau des Fürstbischöflichen Schlosses vornehmlich an Kommenderie-, Gold- und Süsterstraße, später in Schlossnähe an Haken-, Klub- und Seminarstraße. Noch um 1800 nahmen sie ein Sechstel des gesamten Stadtgebiets ein.

Warum die Häufung gerade in der Neustadt? Ganz einfach: weil da noch Platz war. Weiter nördlich, in der Altstadt, wären die teils großen und prächtigen Anwesen nicht oder nur zu sehr viel höheren Kosten unterzubringen gewesen. Und nach dem Bau des Schlosses (1667– 1673) schmückte man sich gern mit einer Adresse, die nicht zu weit von diesem entfernt lag.

Ertwin Ertmann (1429– 1505) war nicht nur ein tüchtiger Bürgermeister, dem wir unter anderem den Bau des Rathauses verdanken, er gewann gleichzeitig auch das Vertrauen des Osnabrücker Bischofs Konrad III. Der machte ihn zum Bischöflichen Rat und wies ihm 1487 als Wohnsitz die Poggenburg zu. Schon 40 Jahre zuvor wohnte an gleicher Stelle mit Hermann von Melle ein Bürgermeister. Später ging das Haus in den Besitz der Adelsfamilie Ostman von der Leye über. Sie gab dem Gebäude zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine bis heute gültige zweiflügelige Gestalt. In den 1920er- und 30er-Jahren verkaufte der Weingroßhändler Friedrich Förster hier im passenden Ambiente seinen Cröver Nacktarsch″ und andere edle Tropfen.

Der Bombenkrieg ließ von der altehrwürdigen Poggenburg wenig mehr als die Außenmauern stehen. 1950 beschloss die inzwischen Eigentümerin gewordene Stadt den Wiederaufbau. Das Städtische Musikschulwerk″, wie sich das spätere Konservatorium damals noch nannte, war in Räumen der Jugendherberge an der Bocksmauer mehr schlecht als recht untergebracht und sollte hier eine neue Heimstatt finden. Im August 1951 konnte Leiter Kurt Felgner die hellen neuen Räume″ übernehmen, die weiterhin patrizierhafte Vornehmheit″ ausstrahlten, wie die Zeitung damals schrieb, so aber doch mit modernsten Schallschluckplatten ausgestattet waren. Die Aula im Obergeschoss bot 150 Personen Platz und war sowohl für die Probenarbeit wie für kammermusikalische Darbietungen vor Publikum geeignet.

1996 verständigten sich Stadt und Land darauf, die Studienabteilung des Konservatoriums mit der Musiklehrer-Ausbildung in die Trägerschaft des Landes in Gestalt der Fachhochschule (FH) zu übergeben. Danach erschien es sinnvoll, das Konservatorium insgesamt umziehen zu lassen, um die personellen und räumlichen Beziehungen zu erhalten. Als Standort der neuen vereinigten Musik- und Kunsthochschule war zunächst ein Teil der Caprivikaserne vorgesehen, doch dann entschieden die Gremien sich 1998 für die ehemalige Frauenklinik am Lieneschweg.

Durch Verkauf der frei gewordenen Poggenburg wollte die Stadt Geld in den geschrumpften Stadtsäckel bekommen. Heißer Anwärter war das La Vie″, damals noch unter der Leitung von Jörg Riepe. Der Mietvertrag des Gourmet-Restaurants im alten Bellevue″ gegenüber dem Heger Friedhof stand kurz vor dem Auslaufen. Finanzier Jürgen Großmann war bereit, der Stadt eine Million DM für die Poggenburg zu zahlen, wenn die Stadt selbst für den nötigen Parkraum sorgt. Die Parkplatzfrage, Anliegerbedenken und Denkmalschutzauflagen, die dem Einbau einer modernen Küche im Wege standen, ließen den Verkauf schließlich scheitern. Das La Vie″ ging im Dezember 1999 an seinen heutigen Standort im Haus Tenge an der Krahnstraße.

Für die Poggenburg kam die Rechtsanwaltskanzlei Graf und Partner zum Zuge. Sie renovierte das Haus in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege. Mitarbeiter und Mandanten fühlen sich ausgesprochen wohl in den historischen Mauern″, versichert Imogen Graf, und manchmal passiert es auch, dass ein Besucher sagt: Den Raum kenne ich, hier musste ich immer zur Klavierstunde.′″

Serie Zeitreise

Foto: Colourbox.de

Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os.

Bildtext:
In der Poggenburg empfing der Weinhändler Friedrich Förster bis in die 1930er-Jahre seine Kunden. Das von Aloys Wurm aufgenommene Foto entstammt Wido Sprattes Bildarchiv Alt-Osnabrück, Band III″, Verlag Wenner Osnabrück, 1997.

Die Dachgauben sind eine Zutat des Nachkriegs-Wiederaufbaus, ansonsten hat die Poggenburg ihre historische Gestalt seit 200 Jahren bewahrt.

Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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