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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Lorca-Lesart im Theater Osnabrück
 
Frauenpower im Kampf um die Freiheit
Zwischenüberschrift:
Shirin Khodadadian inszeniert Lorcas „Bernarda Albas Haus″ im Theater Osnabrück
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Frauenpower im Osnabrücker Theater: Shirin Khodadadians bildstarke Inszenierung von Lorcas Bernarda Albas Haus mit sieben Schauspielerinnen begeisterte das Premierenpublikum.

Begeisterung beim Premierenpublikum im Theater Osnabrück: Shirin Khodadadian inszeniert einen Hauch zu realistisch Federico Garcia Lorcas Bernarda Albas Haus″ als so vitalen wie tragischen Kampf zwischen Selbstbefreiung und
Repression.

Osnabrück. Aus brodelndem Gewölk droht die Faust eines muskulösen Männertorsos auf die Szene herunter. Unten, auf schrägen Spielflächen, kriechen schwarzgewandete Frauen aus dunklen Abseiten hervor. Hier ist klar, wer schon lange als Gott die alleinige Macht ausübt: der Mann. Bernarda Alba und ihr tyrannisches Matriarchat sind nur die Stellvertreter eines lust- und lebensfeindlichen Patriarchats.

Ihre Töchter Angustias, Magdalena, Martirio und Adela erstarren vor Angst, wenn Bernarda Alba erscheint. Amelia, die Fünfte, ist für die Lesart im Theater Osnabrück gestrichen worden. Sobald Bernarda verschwindet, kichern, kaspern und kabbeln die Schwestern ausgelassen wie pubertierende Mädchen. Auch wenn die Älteste schon 39 Jahre alt ist: Sie werden unreif und den Männern ferngehalten im rigiden Korsett von Verbot, Strafe, Entmündigung und Freiheitsentzug.

Shirin Khodadadian hat Federico Garcia Lorcas Drama Bernarda Albas Haus″ als düsteres Gleichnis für den Kampf zwischen Freiheitsstreben und Unterdrückung angelegt. Dafür auch, dass der Ausbruch Einzelner ohne Solidargemeinschaft nicht gelingen kann. Zumal Adela, die Jüngste , „ nur″ mit ihrem Körper revoltiert und nicht die Gesellschaftsordnung infrage stellt.

Die Unfreiheit des Körpers und damit der ganzen Person: Das ist das beklemmende Thema der Inszenierung im Großen Haus . Hinreißend, wie viel verführerische Spitzen, Rüschen und Tüllschleier Charlotte Sonja Willi da in der Trauerkleidung variiert. Einzig Adela und Maria Josefa, die 80-jährige Mutter Bernardas, setzen sich über die acht Trauerjahre hinweg, indem sie Weißes anziehen, hier die Farbe der Freiheit.

Vogelstimmen, Insektengesumm oder die Stimmen von Menschenansammlungen montiert Katrin Vellrath zu raffinierten Kompositionen, in denen das Leben jenseits der Gefängnismauern Ohr und Hirn kitzelt.

Freiheit für ein selbstbestimmtes Leben, das macht die Inszenierung deutlich, ist auch die Befreiung vom Sexualtrieb in seiner Befriedigung. Nicht nur Adela, auch Martirio ist in Angustias Bräutigam Pepe el Romano verliebt, doch sie kriegt ihn nicht, das lässt sie zu Adelas Verräterin werden und ganz nach dem Vorbild der Mutter ins repressive System zurückfallen erschütternd wirklichkeitsnah.

Cornelia Kempers spielt eine machtvoll dominante Bernarda, die nicht einmal bösartig ist– nur prinzpientreu. Unterwerfung kann intrigant machen, das verkörpert Christina Doms sehr überzeugendes Geschlängel und Getänzel als Magd La Poncia zwischen Vertrauter der Frauen und Giftzahn. Marie Bauer verleiht der im Stück blassen Magdalena ein quirlig-quietschendes, bald kläffendes, bald nachäffendes Temperament zum Staunen. Maria Goldmann leuchtet selbstbewusst als Braut Angustias, als erwarte sie das Paradies und nicht das eheliche Patriarchat.

Helene Stupnicki revoltiert als Adela einleuchtend mit ihrer sinnlichen Körpersprache. Etwas, dass der neidischen Martirio Elaine Camerons abgeht, obwohl sie Adela eng auf den Fersen bleibt. Berührend, wie am Ende Wiltrud Schreiner selbst noch als altersverwirrte Braut des Todes ins Freie und Verbotene flattert, Hand in Hand mit Adela.

Doch bei allen zündenden Regieideen und opulenten Bildern bleibt der Eindruck einer etwas zu psychologisch-realistischen Spielweise. Sie lässt das Archaische und Tragische vermissen, das Lorcas Figuren eingeschrieben ist. Ist das der Preis, um Bernarda Albas Haus″ so nah wie möglich an die Gegenwart heranzuholen? Bühnenbild (Carolin Mittler), Kostüme und Musik entfalteten jedenfalls atmosphärisch und symbolisch mehr Kraft als das Spiel auf der Bühne.

Dennoch: Diese Frauenpower begeistert, wie das Premierenpublikum zu verstehen gab.

Weitere Aufführungen: 8., 11. und 23. April.

Kartentel. 05 41/ 7 60 00 76.

Mehr zur aktuellen
Arbeit des Osnabrücker Theaters und eine Bildergalerie: noz.de/ theater

Bildtext:
Martirio übernimmt den Fächer als Zepter der Mutter: Helene Stupnicki als Adela (von links), Elaine Cameron als Martirio, Cornelia Kempers als Bernarda, Marie Bauer als Magdalena und Maria Goldmann als Angustias.

Foto:
Marek Kruszewski
Autor:
Ch.A.


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