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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Uralter Handelsplatz im Wandel
Zwischenüberschrift:
Viel befahrener Nikolaiort 1965
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Ob es das Wort Feinstaubbelastung″ vor 50 Jahren schon gab? Im Vergleich zum weiträumigen Neumarkt muss die Abgaskonzentration auf dem engen Nikolaiort eine Katastrophe gewesen sein auch wenn die Verstopfung wie auf diesem Foto aus dem Jahr 1965 nicht immer so schlimm war.

Von Joachim Dierks

Osnabrück. Das Bild vom verstopften Nikolaiort scheint als Argumentationshilfe für die Befürworter einer autofreien Innenstadt gemacht worden zu sein. 1965 war die Zeit aber noch nicht reif dafür. Die Große Straße wurde erst 1972/ 73 zur Fußgängerzone umgestaltet und der Nikolaiort gar erst 1984. In den 1960er-Jahren lag das Hauptaugenmerk noch auf dem Wiederaufbau. Zwar waren die meisten Lücken, die der Bombenkrieg gerissen hatte, geschlossen, aber oft nur mit einfachen, eingeschossigen Behelfsbauten. Es ging nun darum, den Haupteinkaufsstraßen mit schicken drei- oder viergeschossigen Fassaden ein modernes Gesicht zu geben und mit großzügigen Schaufensteranlagen Kunden anzulocken.

Auch der ÖPNV war ein Dauerthema. Nach der Abschaffung der Straßenbahn 1960 schickten die Stadtväter die Busse auf den gleichen Strecken mitten durch die Innenstadt und dabei eben auch über den Nikolaiort. Wobei es aus heutiger Sicht nur eine kurze, aber teure Verirrung war, auf den Oberleitungsbus (Obus) zu setzen. Zu störanfällig, zu unflexibel, zu hohe Investitionen bei Streckenerweiterungen, hieß es. Nur neun Jahre nach dem Beschluss, ihn einzuführen (1959), begann man, Masten und Leitungen wieder abzubauen (1968). Der ÖPNV setzt seitdem fast ausschließlich auf den Dieselbus. Auf den Innenstadtstrecken herrschte er sowieso durchgehend, weil die Ausstattung mit Fahrdrähten dort zu aufwendig erschien. Dort, wo abgasfreier Busbetrieb am notwendigsten gewesen wäre, kam er nie zum Zuge. So erklärt sich, dass auf unserem Foto aus der Obus-Ära der Doornkaat-Eineinhalbdecker ein Dieselfahrzeug ist.

Mit seinen sechs einmündenden Straßen (Große Straße, Kamp, Krahnstraße, Domhof, Schwedenstraße und Herrenteichsstraße) hatten die Verkehrsplaner nach dem Krieg dem Nikolaiort die Rolle eines zentralen Verkehrsknotens mit einer Verteilerfunktion für die nördliche Altstadt zugedacht. Eigens dafür waren die Baufluchten für den Wiederaufbau zurückversetzt worden, der schlauchförmige Platz wurde dadurch breiter und verkehrsgerechter″. Die Große Straße verband den Nikolaiort mit dem nächsten großen Verteiler, dem Neumarkt. Nachdem sie 1972 zum Fußgängerbereich zurückgebaut worden war, konnte der Nikolaiort seine Verteilerfunktion nicht mehr erfüllen. Da war es logische Konsequenz, ihn verkehrsmäßig ebenfalls trockenzulegen.

Sobald die Mischfinanzierung mit Beteiligung von Bund und Land gesichert war, kam 1984 die Umgestaltung des Nikolaiorts als eines der letzten größeren Bauvorhaben der Altstadtsanierung an die Reihe. Einen ersten Entwurf legte ganz mutig ohne Ausschreibung und Bürgerbeteiligung das Tiefbauamt vor. Er sah Natursteinpflaster vom Piesberg in der Mitte und Beton-Sechseckpflaster an den Rändern vor. Auch ein Brunnen″ als belebendes Element dürfe nicht fehlen. Drei große Piesberger Gesteinsbrocken sollten von Fließwasser benetzt werden.

Der Vorschlag stieß auf heftige Kritik. Das Natursteinpflaster in der Mitte würde die Frauen mit ihren Stöckelschuhen reihenweise zum Stolpern bringen, hieß es. Der Architektenbeirat fand die Brunnen-Brocken gedankenlos″. Und überhaupt, wieso gab es nur einen Vorschlag und keine Alternativen? Tiefbauamtsleiter Claus Runge begründete das damit, dass der Bürger bei mehreren Vorschlägen oft selbst nicht mehr wisse, was er eigentlich wolle.

Im April 1984 begannen die vorbereitenden Kanalbauarbeiten, während Anlieger, Bürgervereine und Ratsvertreter die Gestaltung noch heftig diskutierten. Der arg verrissene Brunnen wurde gestrichen, obwohl der Wasserkasten dafür schon fertig war. Am 5. Dezember 1984 erfolgte die Freigabe des durchgehend gepflasterten Platzes, wobei man die Frage eines gestalteten Mittelpunktes mangels mehrheitsfähigen Konzepts zurückgestellt hatte.

Daran änderte sich in den nächsten 15 Jahren nichts. In dem Rhythmus, in dem neue Vorschläge auf den Tisch kamen, wurden sie sogleich wieder von Gegenstimmen hinweggefegt. Wie wäre es mit einer Standuhr mit Umlauffiguren wie beim Münchner Rathaus? Oder mit der Wasseruhr eines französischen Künstlers? Oder einer antikisierenden Normaluhr wie auf dem Kröpcke in Hannover? Einem Teepavillon? Einer Viehherde in Bronze? Einer zentralen Linde als Schattenspender? Oder einfach nur einem Blumenbeet?

Nach 1993 kehrte vergleichsweise Ruhe ein, weil man sich darauf verständigt hatte, auf einem zentralen Betonsockel plastische Kunstwerke zeitlich befristet als Wechselausstellung zu präsentieren. Die Kunst auf dem Sockel war stets umstritten, der nackte Sockel selbst als Sitzplatz hingegen beliebt. Geradezu symptomatisch erschien die Frage eines älteren Passanten, die er an den Kranführer richtete, der gerade ein neues Kunstwerk einschweben ließ: Ob er das Ding″ nicht einfach mal fallen lassen könne…

Als im April 2001 eine Neupflasterung mit China-Granit anstand, hatte sich die Frage einer dauerhaften Platzmöblierung erledigt. Seither ist die große Fläche zu einem beliebten Zentrum der Außengastronomie geworden. Aber auch Straßenmusikanten und Weltverbesserer, Flash-Mobs und politische Parteien, die im Wahlkampf Argumente und Kugelschreiber verteilen sie alle wählen gern den Nikolaiort als Bühne.

Serie Zeitreise So war es früher:

Berichte aus dem alten Osnabrück auf noz.de/ historisch-os

Bildtexte:
Wenn es nicht gerade regnet, wie auf diesem Foto aus der vergangenen Woche, hat heutzutage die Außengastronomie den verkehrsfreien Nikolaiort fest im Griff.

Der Nikolaiort 1965: Zu den werktäglichen Stoßzeiten herrschte hier Dauerstau. Der Blick geht aus der Krahnstraße über den Platz hinüber zum einzigen erhaltenen Baudenkmal aus der Vorkriegszeit, der klassizistischen Hirsch-Apotheke. Aus der Herrenteichsstraße grüßt unterhalb der Herz-Jesu-Turmspitzen das Möbelhaus Lahrmann, links daneben das OAB-Haus mit Schuh-Wellmann und der Kneipe Alter Schwede″ an der Einmündung der Schwedenstraße. Die Aufnahme entstammt dem Band Osnabrück 1949 bis 1979″ von Matthias Rickling, Sutton-Verlag, 2013. F

Fotos:
Michael Gründel, Archiv des Presse- und Informationsamt der Stadt Osnabrück/ Emil Harms


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