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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Alle Proteste waren vergebens
Zwischenüberschrift:
Die traditionsreiche Ludwigshalle im Schinkel wurde 1983 abgerissen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Dass sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt eines Gasthauses gründet, dürfte in der Geschichte der Bürgerbewegungen nicht allzu oft vorgekommen sein. So geschehen 1982, als der Stern der Ludwigshalle Hehmann an der Belmer Straße im steilen Sinkflug war.

Osnabrück. Initiator Gerhard Lange er vertrat den regelmäßig bei Hehmann tagenden Sparclub hatte eine stattliche Riege von Vereinsvorsitzenden und interessierten Bürgern aus Schinkel, Gretesch, Lüstringen und Belm für die Initiative gewonnen. Chöre, Sportvereine, Schützen, Jäger, aber auch Pastor Schürmann von der evangelischen Petrus-Gemeinde Gretesch, versicherten spontan, ihre Feste wieder in der Ludwigshalle feiern zu wollen.

Wenn nur wieder ein vernünftiger Wirt die Regentschaft am Zapfhahn übernähme, hieß es. Denn der derzeitige Besitzer hätte die Gäste zunehmend verprellt. Harmlose Biertrinker an der Theke oder Jugendliche, die lediglich eine Portion Pommes bestellen wollten, seien hinausgeekelt worden. Der MGV Sängerlust″ klagte, der Übungsraum würde nicht geheizt, und das Klavier sei geklaut worden.

Als der Gastwirt und Bäckermeister Heinrich Hehmann 1974 seinen 85. Geburtstag feierte, war die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Eine familieninterne Nachfolge war allerdings gescheitert, Sohn Ludwig (Lutz) Hehmann und Schwiegersohn Werner Bergmann waren beide früh verstorben.

In den späten Siebzigern verkaufte Tochter Inge den Betrieb an einen erfahrenen Hotelier. Für die Ludwigshalle verfolgte dieser große Pläne. Entlang der Belmer Straße sollte auf Stützen oberhalb der Kegelbahn ein Sporthotel″ mit zunächst 100 Betten″ errichtet werden. Sporthotel″ deshalb, weil Kegelbahnen und Schießanlage reaktiviert und ein Hallenbad und eine Reitanlage integriert werden sollten. Der vorhandene Saal sollte so erweitert werden, dass 900 Personen an Tischen Platz hätten, und zusätzlich sollten drei Tagungsräume neu geschaffen werden. In gewisser Konkurrenz zur Stadthalle wollte der neue Inhaber größere Tagungen und Kongresse in das Anwesen weit außerhalb des Stadtzentrums locken.

Indes, die Pläne scheiterten. Der defizitäre und mittlerweile hoch verschuldete Betrieb kam unter den Hammer. Gerüchte machten die Runde, dass die Diskothek Hyde Park″ hierhin verlegt werden sollte, nachdem ihr der Pachtvertrag im Schweizerhaus an der Rheiner Landstraße gekündigt worden war. Diese Gerüchte waren es, die die Bürgerinitiative zusammenschweißten. Unter dem Motto Wir wollen die Ludwigshalle behalten! klemmten sie sich hinter die Politik. Ohne die Ludwigshalle würde das gesellige Leben im Schinkel, in Gretesch und Lüstringen sterben, lautete ihre Befürchtung. Verschiedene Vereine waren bereit, dem Erwerber eine schriftliche Garantie zu geben, dass sie ihre Feierlichkeiten wieder in der traditionellen Saalgaststätte abhalten würden.

Aber es half nichts. Den Zuschlag erhielt ein Frankfurter Bauunternehmen, dem an einer Wohnbebauung des 13 000 Quadratmeter großen Areals gelegen war. Das Aus für den Saalbetrieb war besiegelt, der Abriss ging im Dezember 1983 über die Bühne. Für die eigentliche Gaststätte an der Ecke Belmer Straße/ Strothmannsweg gab es noch eine kleine Gnadenfrist, weil sie als Nachbarschafts- oder Eckkneipe erhalten bleiben sollte. Der Investor meinte es aber nicht sonderlich ernst damit und ließ das Stammhaus verfallen. 1985 wurde es ebenfalls eingeebnet und machte der durchgehenden Reihenhausbebauung Platz.

Eine 90 Jahre lange Geschichte ging damit zu Ende. 1895 hatte Ludwig Hehmann die bestehende kleine Landgaststätte gekauft. Sie lag direkt an einer Wegegeld-Hebestelle. Das eingenommene Wegegeld musste Hehmann zum größten Teil abführen, da es dem Straßenunterhalt diente, aber die am Schlagbaum haltenden Fuhrleute nutzten gern und regelmäßig die Gelegenheit zu einem Erfrischungstrunk. Noch bis April 1914 hatte die Wegezoll-Regelung Bestand. Bereits 1903 baute Ludwig Hehmann eine Kegelbahn und einen Saal an. Den Saal nannte er nach seinem Vornamen Ludwigshalle″.

In den folgenden Jahrzehnten bewiesen Ludwig und Sohn Heinrich ein sehr geschicktes Händchen, indem sie weite Teile des aufblühenden Vereinslebens in ihr Haus holten. Ein großer Kaffeegarten lud die Spaziergänger zum Verweilen ein. Die wirtschaftliche Basis des Betriebs wurde verbreitert durch die angeschlossene Bäckerei und später durch ein Lebensmittelgeschäft gegenüber auf der anderen Seite des Strothmannswegs heute befindet sich dort eine Filiale der Bäckerei Wieking. Zwei Kühe und vier Schweine wurden bis in die Nachkriegszeit gehalten. Für die Schweine fielen genug Altbrot und die steinharten Schwarzbrot-Knuste an. Das frische Brot wurde früher mit Pferd und Wagen, in den 1950ern mit zwei Goliath-Dreirädern ausgefahren.

Heinrich Hehmann hatte auch ein Herz für den Sport. Im Bereich der heutigen Siedlung Schinkeler Esch″ ließ er einen Sportplatz anlegen, auf dem die Sportler der TSG 07 Burg Gretesch üben konnten. Im Winter wurde im Saale geturnt. Geschirr und Gläser mussten weit weggeräumt werden, wenn der Radfahrverein Edelweiß″ auf seinen Saalmaschinen″ Radball trainierte. Das traditionsreiche Radrennen Rund um Burg Gretesch″ hatte Start und Ziel bei der Ludwigshalle.

Angestellte der Papierfabrik Schoeller kamen regelmäßig zum Mittagstisch. Heimatvertriebene und Kriegsversehrte hielten ihre Versammlungen ab, die Kirchenchor der Rosenkranzgemeinde übte, die Blaskapelle Bissendorf-Holte spielte, für die Jugend gab es Filmvorführungen. Wenn die Züchter ihren Bullenball feierten, dann war richtig was los″, erinnert sich der in der Nachbarschaft groß gewordene Egon Bode.

Am Wochenende spielten beliebte Kapellen für jedermann zum Tanz auf, etwa die Fredo′s″ mit Alfred Timm, die Kapelle Rattey, die Kapelle Liebig oder das Medium-Terzett, das in den 1950er-Jahren noch Welfen-Trio″ hieß. Wenn der Männergesangverein zu Theateraufführungen wie etwa der Operette Im weißen Rössl″ lud, war der Saal an mehreren Abenden ausverkauft. Wenn Schützenfest war, ließen Hehmanns ein Kettenkarussell aufstellen.

Egon Bode weiß noch: Da wurden die Fischerin vom Bodensee′ und Ich möchte gern dein Herz klopfen hören′ in Dauerschleife gespielt, bis wir alle den Text auswendig kannten.″ Und so manch ein Gretescher oder Schinkeler Junge interessierte sich eingehender für das Herzklopfen seiner Dame. Unzählige Bekanntschaften wurden auf den Festen gestiftet. Auch Egon Bode lernte hier seine spätere Frau Gisela kennen. Im April 1958 wurde Hochzeit gefeiert. Wo? Natürlich in der Ludwigshalle.

Die Stadtgeschichte im Blick: Lesen Sie mehr auf www.noz.de / historisch-os

Bildtexte:
Kurz vor der Zwangsversteigerung im Januar 1983 machte die Ludwigshalle Hehmann im Schinkel mit dem Saaleingang (links) und dem Gaststätteneingang (rechts) einen verlassenen Eindruck.
Eine Reihenhaussiedlung ist nach 1985 auf dem Hehmann′schen Areal entstanden.
Schinkeler Schützen nach dem Adlerschießen vor Hehmanns Schießanlage (Foto entstanden um 1938).
Fotos:
Archiv/ Klaus Lindemann, Joachim Dierks, Archiv Egon Bode/ Koltzenburg
Autor:
Joachim Dierks


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