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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Niedersachsen testet Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen
 
Interesse und Zweifel an Tempo 30
Zwischenüberschrift:
Viele Kommunen offen für dreijähriges Pilotprojekt – Effekt von Tempolimit umstritten
Artikel:
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Originaltext:
Hannover. Das Land Niedersachsen testet die Ausweitung von Tempo-30-Zonen auf innerörtlichen Hauptstraßen: Das Wirtschaftsministerium hat für den auf drei Jahre ausgelegten Modellversuch eine Summe von 700 000 Euro bereitgestellt, bestätigte ein Ministeriumssprecher unserer Redaktion.

Mit dem Geld soll geprüft werden, ob eine Reduzierung der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit auf Hauptstraßen Lärm, Luftverschmutzung und Verkehrsprobleme in den betroffenen Gebieten mindert. Bis zum Herbst will das Land mehrere Kommunen für den Testlauf aussuchen. Das Projekt selbst könnte noch in diesem Jahr oder Anfang 2018 anlaufen.

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wäre es der bislang erste großflächige Tempo-30-Test in einem Bundesland. Man wolle Anhaltspunkte dafür bekommen, wo und wie die Errichtung von Tempo 30 besonders effektiv und sinnvoll ist″, sagte Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD).

Der Effekt von großflächigen Temporeduktionen ist umstritten: Befürworter versprechen sich davon eine verbesserte Lebensqualität für die Anlieger. Sie hoffen, dass besonders die in vielen Städten zu hohe Lärm- und Schadstoffbelastung abnimmt.

Kritiker bezweifeln diesen Effekt. Sie sprechen von Geldverschwendung und einer weiteren Gängelung der Autofahrer.

Bislang ist die Möglichkeit zur Einrichtung innerstädtischer Tempo-30-Zonen nur begrenzt möglich. Erst im Dezember hatte der Bund eine Einrichtung auf Straßen vor Kindergärten und Schulen erleichtert.

Langsam zu weniger Lärm und besserer Luft? Das Land will die Auswirkungen von Tempo 30 auf innerörtliche Hauptstraßen testen und sucht nun Kommunen. Es gibt viel Interesse und Kritik.

Hannover. Für Volker Bajus ist Tempo 30 den Test auf jeden Fall wert: Es kann helfen″, sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete über den Modellversuch des Wirtschaftsministeriums. Als Osnabrücker Stadtrat ist der Umweltexperte dafür, dass sich seine lärm- und schadstoffgeplagte Stadt beim Ministerium um Teilnahme bewirbt. Getestet werden könnte Tempo 30 auf dem Wall genannten Teil des Stadtrings oder auf Einfallstraßen. Die Grünen wollen nun die anderen Fraktionen überzeugen, sich zu bewerben.

Bajus ist nicht allein. Viele Lokalpolitiker interessieren sich für den 700 000 Euro teuren Modellversuch, mit dem das Land Projekte in mehreren Kommunen fördern will. Der Druck ist groß: Fünf Städte im Land reißen die Stickoxid-Grenzwerte, in vielen ist es zu laut. Wie viele Kommunen welcher Größe am Ende bei dem Test dabei sein können, ist noch unklar. Noch suche man die entsprechenden Städte, sagt ein Ministeriumssprecher.

Mehr Gift bei Tempo 30

Ergebnisoffen″ sei der Test, betonen alle Seiten. Auch der Automobilclub ADAC, der sich allerdings skeptisch zeigt. Tatsächlich gibt es auch wissenschaftliche Zweifel an den uneingeschränkten Segnungen des Tempolimits.

2011 fuhr der Tüv Nord mit drei Diesel-Autos durchs schadstoffbelastete Stuttgart. Ergebnis der Studie im Auftrag des Landesumweltamts: Mit Tempo 30 stießen die Autos dabei teils mehr giftige Stickoxide aus als mit Tempo 50.

Wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit war laut Test flüssiger Verkehr. Rollen die Autos störungsarm durch grüne Ampelwellen, sinken Lärm und Giftausstoß. Beim Bremsen und Anfahren wird es hingegen laut und schmutzig. Weitere Tests in anderen Städten bestätigen das. Auf einigen Stuttgarter Straßen gilt nun Tempo 40. Ob das wirkt, ist zwar umstritten. Doch man ist sicher, dass es zumindest nicht schadet.

Gerade erst ist beispielsweise ein nächtlicher Tempo-30-Pilotversuch im hessischen Frankfurt ohne Ergebnis geendet. Der Rat ist uneins, ob die anderthalbjährige Tempodrosselung den Anwohnern Lärm erspart hat. Die Grünen meinen ja, SPD und CDU sind skeptisch. Nun gilt auf den Frankfurter Einfallstraßen wieder 50.

Für die FDP ist das niedersächsische Projekt deswegen reine Steuerverschwendung. Mir erschließt sich nicht der Sinn, warum man teure Gutachten und Modellversuche zum xten Male wiederholen muss″, sagt FDP-Verkehrsexperte Jörg Bode.

Themen und Hintergründe aus dem Land: noz.de/ niedersachsen

Bildtext;
Das Land Niedersachsen will Tempo 30 auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen testen.

Foto:
dpa

Kommentar:

Gefährlicher Lockruf der Langsamkeit

Es klingt so schön: Ein paar Schilder aufstellen, und schon relativieren sich die großen innerörtlichen Verkehrsprobleme. Doch so einfach ist es nicht.

Tempo 30 kann mancherorts das richtige Rezept gegen Schadstoffe und Lärm sein. Oft lassen sich die vielfältigen Ursachen aber nicht mit Langsamkeit bekämpfen. Bei Abgaswerten mogelnde Autobauer gehören ebenso dazu wie schlechte Ampelschaltungen, falsche und kaputte Beläge, unsinnige Verkehrsführungen oder einfach zu viel Verkehr für zu wenig Straße. Manchmal sind es sogar zu langsam fahrende Autos, die den flüssigen Verkehr im Wortsinn blockieren.

Will die lokale Politik die unterschiedlichen Probleme vor Ort wirklich auf Dauer lösen, muss sie sich in jedem Einzelfall mit diesen komplexen Fragen beschäftigen. Das kostet aber meist viel Zeit und Geld.

Und so ist die Verlockung für die jeweiligen Gemeinden groß, die örtlichen Symptome einer falschen Verkehrspolitik mit ein paar 30er-Schildern auf auswärtige Autofahrer abzuschieben.

Dabei wird auch das Pilotprojekt in Niedersachsen in einigen Jahren konstatieren: Tempo 30 kann im Einzelfall die Lösung sein: Ein Patentrezept für ein besseres Leben mit dem Individualverkehr ist es nicht. Bleibt nur die Frage, ob die verkehrsgeplagten Anlieger von Problemstrecken dies hören wollen oder dem Lockruf der Langsamkeit erliegen.
Autor:
Klaus Wieschemeyer


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