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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Innogy warnt vor Blackouts
 
„Alle wollen die Energiewende –wir auch!″
Zwischenüberschrift:
Vorstandschef: Stromausfälle durch „Dunkelflaute″ möglich
 
Innogy-Vorstandschef Terium fordertVerlagerung von Kompetenzen nach Brüssel
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der Energiekonzern Innogy hat vor großflächigen Stromausfällen in Deutschland gewarnt. Dazu könne es kommen, wenn im Winter wenig Sonnenschein und Windstille zusammenfielen. In einem Interview mit unserer Redaktion sagte Vorstandschef Peter Terium, die Dunkelflaute ist kein Horrorszenario″. Dass es in ihrer Folge zu Blackouts kommen könne, wisse jeder, der sich mit dem Energiesystem auskenne.

Terium rief dazu auf, dass eine künftige Bundesregierung in der Frage der Versorgungssicherheit keine ideologische Blindheit an den Tag legen″ dürfe. Er sprach sich außerdem dafür aus, mehr energiepolitische Kompetenz nach Brüssel zu verlagern. Das fordere ich unbedingt″, sagte der Manager. Die Energiewende braucht mehr Europa und keinen Wettbewerb der Subventionssysteme″ davon gebe es in der EU in seinem Sektor 136 Stück. Eine stärkere Steuerung sei überfällig″, sagte der frühere RWE-Chef, dessen Unternehmen mit rund 40 000 Mitarbeitern etwa 46 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet.

Er betonte die Bedeutung des norddeutschen Marktes für sein Unternehmen.

Dunkelflaute″ und die Abspaltung von RWE,
Donald Trump, die EU und die wichtige Region Norddeutschland: Innogy- Chef Peter Terium spricht mit unserer Redaktion über Energie, Ideologie und die Zukunft seines Unternehmens.

Von Burkhard Ewert und Christian Schaudwet

Herr Terium, kaum eine Branche ist so abhängig von politischer Rahmensetzung wie die Energiewirtschaft. Was erhoffen Sie sich von der Bundestagswahl im Herbst?

Natürlich sind wir abhängig von der Politik, aber die Politik zählt auch auf uns. Wenn das Netz nicht funktioniert, haben wir keinen Strom in Deutschland. Und wenn wir ins Netz nicht kontinuierlich investieren, bekommen wir die Energiewende nicht hin. Die hat die Politik aber als Ziel ausgegeben, was bedeutet: Wir brauchen uns gegenseitig.

was für Wahlkampf und Bundestagswahl bedeutet?

Sicherlich könnte eine neue Bundesregierung je nach Konstellation den Ausbau der erneuerbaren Energien vielleicht noch einmal stärker vorantreiben oder bremsen. Aber warten wir mal ab, wie das Wahlvolk entscheidet. Ich habe keine parteipolitische Präferenz. Alle wollen die Energiewende erfolgreich umsetzen wir auch!

Welche inhaltlichen Erwartungen haben Sie?

Es wäre gut, wenn die neue Regierung zwei Themen ernsthaft angeht. Das erste ist, einen Kapazitätsmarkt zu schaffen, damit wir wind- und sonnenarme Kälteperioden, wie wir sie zuletzt hatten, auch in Zukunft sicher überbrücken können. Mit diesem Kapazitätsmarkt halten wir Kraftwerke am Netz, die wir für die sichere Stromversorgung in Deutschland dringend benötigen. Dabei geht es nicht um neue Subventionen, sondern um eine marktwirtschaftliche Ergänzung des Energiemarktes. Zweitens muss die Stromwende endlich zur Energiewende gemacht werden. Was heißt das: Wir brauchen die sogenannte Sektorkopplung. Nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch andere Bereiche müssen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Stromproduktion hat zwar den größten Anteil am CO2-Ausstoß mit 40 Prozent, aber es gibt 60 Prozent, die nicht aus dem Stromsektor kommen. Insbesondere den Verkehr und den Wärmemarkt einzubeziehen ist absolut notwendig, sonst werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Wir brauchen mehr grünen Strom zum Heizen und zum Autofahren. Das passiert gegenwärtig aber nicht, unter anderem weil Strom mit 54 Prozent Steuern und Abgaben belastet ist, Gas und Öl aber nur mit rund der Hälfte davon. Folge: 2015, als gleichzeitig auch noch der Heizölpreis stark runterging, haben die Deutschen wieder in Ölheizungen investiert. Das kann nicht im Sinne der CO2-Reduzierung sein. Die ungleiche Lastenverteilung kommt aus einer Zeit, als Strom ein rares Gut war. Der kostbare Strom sollte im wahrsten Sinne des Wortes nicht verheizt werden. Heute haben wir zeitweise Strom aus erneuerbaren Quellen im Überfluss. Da muss man umdenken und die Wettbewerbsnachteile für Strom beseitigen.

Was würde ein Erstarken populistischer Kräfte in Deutschland und andernorts für Innogy und den Energiemarkt bedeuten?

Solange populistische Kräfte nicht in eine Regierung kommen, sehe ich keine direkte Auswirkung. Allerdings ist die Politik in der Pflicht, ihre Energiepolitik besser zu erklären, auch wenn das komplexer ist als ein kurzer Spruch bei Twitter.

Furore mit Twitter macht der neue US-Präsident Donald Trump. Er fällt nicht durch energiewirtschaftliche Innovationsbereitschaft auf. Sie hingegen wollen in den USA zunehmend ins Geschäft kommen. Passt das zusammen?

Wir sehen Amerika für uns nach wie vor als Wachstumsfeld. Vor allem geht es um Windkraft an Land, also Onshore-Wind. Das ist eine erwachsene Technologie in einem funktionierenden Markt und den Markt kann auch Trump nicht aushebeln: Wenn Windkraft günstig ist, wird sie nachgefragt, erstens. Zweitens: Es gibt Steuervergünstigungen für Windkraft, die er nicht rückwirkend ändern kann. Drittens: Der meiste Onshore-Wind weht in republikanischen Staaten. Trumps Parteifreunde haben Vorteile davon.

Trump wird sich nicht einsetzen für die amerikanische Innovationskraft in diesem Sektor. Ist das am Ende sogar ein Vorteil für Sie im Unterschied zur US-Wirtschaft?

Es ist durchaus möglich, dass uns das konventionelle Denken Trumps hilft, indem die Amerikaner Innovationen stärker uns überlassen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben eine Partnerschaft mit Planet OS, einem Start-up aus Estland, das Mikrowettervorhersagen macht, indem es Informationen verschiedener globaler Datenbanken kombiniert. Das nutzen wir im Offshore-Bereich, um stundengenau zu wissen, wie die Wetterverhältnisse werden. Das hilft uns weltweit und auch in Amerika. Dort sind wir außerdem Gründer des ersten internationalen sogenannten Accelerators für Energieversorger mit Sitz im Silicon Valley. Er bündelt unter unserer Führung die Nachfrage nach Innovationen auch aus Deutschland, ist aber darüber hinaus global vernetzt. Der Vorteil ist: So müssen wir die Start-ups nicht suchen, sondern sie kommen zu uns, weil sie Marktzugang oder Kapital wollen. Als Innogy haben wir bereits in ein gutes Dutzend Start-ups investiert, teilweise Firmen komplett übernommen, zum Beispiel zur Wartung von Solaranlagen mit Drohnen. Für all diese Innovationen haben wir insgesamt inzwischen einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag ausgegeben.

Ist das ein neuer Konzernbereich?

Wenn Sie einen Bereich gründen, fragen sofort alle, was drinnen und was draußen ist, und Sie haben einen Verteilungskampf im Unternehmen. Deshalb haben wir eine Plattform gegründet, auf der wir Mitarbeiter aus verschiedenen Teilen von Innogy zusammenbringen und mit externer Expertise ergänzen. Etliche Ideen kommen aus dem operativen Geschäft aus dem Innogy-Kerngebiet vom nördlichen Rheinland-Pfalz bis zum südlichen Niedersachsen. Aber wir haben auch Außenposten in Berlin, London, Tel Aviv, Johannesburg und im Silicon Valley. Vor einem halben Jahr haben wir einen App-Auftrag sowohl nach Kalifornien als auch nach Südafrika vergeben. Beide kamen zu gleich guten Lösungen, nur dass es in Südafrika ein Zehntel gekostet hat. Und mit dem Geld machen Sie im Silicon Valley einen Reichen noch reicher, während das Geld in Johannesburg buchstäblich über Schicksale entscheiden kann. Das finde ich persönlich ebenfalls einen wichtigen Aspekt.

In aller Munde ist gerade die Dunkelflaute″, dass also bei wenig Sonne und gleichzeitiger Windstille die Versorgungssicherheit nicht gegeben ist. Beschwören Lobbyisten hier ein Horrorszenario?

Die Fakten liegen auf der Hand. Wenn es kalt, dunkel und windstill ist, haben Sie wenig Strom. Das können Sie auch bei uns in den Innogy-Daten sehen. Schauen Sie, ich habe eine App, da können Sie ablesen, welche Erneuerbare-Energien-Anlagen aktiv sind und was sie liefern. Und gerade jetzt sehen Sie da: Von 1, 7 Gigawatt installierter Kapazität produzieren nur 0, 35 Gigawatt. Das ist in Relation sehr wenig.

Was schließen Sie daraus?

Die Dunkelflaute ist kein Horrorszenario. Dass es zu Blackouts kommen kann, weiß jeder, der sich mit dem Energiesystem auskennt. Deshalb habe ich schon als RWE-Chef die Politik dringend gebeten, etwas zu unternehmen. Wenn der Strombedarf bei 80 bis 85 Gigawatt liegt, aber wir mit Erneuerbaren nur drei oder fünf Gigawatt produzieren, brauchen wir konventionelle Kraftwerke, die 80 Gigawatt liefern können. Die haben wir noch, aber sie rechnen sich nicht. Deshalb wird kein Betreiber sie dauerhaft vorhalten. Das muss die nächste Bundesregierung angehen, wie es auch bereits Frankreich, Großbritannien und Italien getan haben Stichwort Kapazitätsmarkt. Eine neue Bundesregierung sollte hier keine ideologische Blindheit an den Tag legen.

Sie sind als Niederländer in deutschen Vorstandsetagen ein Exot

wenn es nach dem Pass geht, vielleicht. Aber ein Bayer am Rhein ist das auch.

Sie haben beide Brillen auf wie schätzen Sie das deutsch-niederländische Verhältnis ein?

Ich habe nur eine Brille auf, nämlich die europäische. Europa hat viele Facetten, und es kann gut zusammenarbeiten, wenn es das will. Diese Vielfalt und Offenheit ist eine Stärke gerade auch Deutschlands, auch wenn es zu Alleingängen neigt, zum Beispiel beim Abschalten der Kernkraftwerke nach Fukushima ohne Vorwarnung.

Wäre das ein Grund, Energiepolitik nach Brüssel zu verlagern?

Ja, das fordere ich unbedingt. Die Energiewende braucht mehr Europa und keinen Wettbewerb der Subventionssysteme. Die Zusammenarbeit wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut, das genügt aber nicht. Irgendwo weht fast immer der Wind in Europa. Wenn ich den Markt mit Netzen stärker verbinde, brauche ich weniger Back-up-Kapazitäten. Außerdem haben wir in 28, demnächst 27 EU-Staaten, 136 Subventionssysteme, wie wir einmal gezählt haben. Das hilft nicht. Ich will nicht dort investieren, wo es politisch gewollt ist, sondern dort, wo es auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Daher wäre es überfällig, mehr energiepolitische Zuständigkeit auf die europäische Ebene zu verlagern.

Um von Europa auf die kommunale Ebene zu kommen: Da gab es ein Heulen und Schlottern, weil Gemeinden viel Geld verloren haben mit RWE. Bei Innogy haben viele dankend auf Anteile verzichtet…

Gerne kann jede Kommune bei Innogy investieren. Jeder Aktionär ist mir willkommen. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kommunen ist für mich unabhängig von den Eigentumsverhältnissen eminent wichtig.

Ist es vielleicht auch ganz angenehm, die Kommunen nicht mehr als Aktionär zu haben?

Was man bei RWE ab und zu sah, ist, dass die unterschiedlichen Rollen Aktionär, Partner, Kunde durcheinanderliefen, das ist für das Geschäft nicht hilfreich. Aber bei allen schwierigen Entscheidungen, die wir bei RWE hatten, haben uns die Kommunen am Ende immer unterstützt.

Wie ist Ihre Prognose für die regionale Entwicklung der Innogy in Norddeutschland? Wie entwickelt sich das Geschäft?

Norddeutschland ist für uns eine ganz wichtige Region mit Wachstumspotenzial in allen unseren drei Sparten: Netze, Vertrieb und erneuerbare Energien. So haben wir mit Timmendorfer Strand und Scharbeutz vor einigen Jahren unsere ersten beiden Stromkonzessionen im hohen Norden abgeschlossen, zwischenzeitlich verbinden uns Partnerschaftsmodelle mit den örtlichen Gemeinden. Im südwestlichen Niedersachsen, wo wir seit Langem Verteilnetze betreiben, haben wir viele Tausend Anlagen zur Erzeugung von grünem Strom angeschlossen Sonne, Wind, Biomasse. Gerade erst haben wir im Landkreis Osnabrück den Zuschlag erhalten, die Glasfaserleitungen für schnelles Internet zu verlegen. Nicht vergessen möchte ich unsere eigenen erneuerbaren Projekte: Aktuell läuft die Erweiterung unseres schleswig-holsteinischen Onshore-Windparks im Landkreis Steinburg allein hier beträgt das Investitionsvolumen 10 Millionen Euro. Oder unser Windprojekt Kaskasi einem Offshore-Windpark bei Helgoland. Da sprechen wir dann gleich über Milliardenbeträge. Hier läuft die Bewerbungsphase. Arbeitsplätze schaffen unsere Aktivitäten zudem nicht nur bei uns, sondern auch bei den vielen Zulieferern von Turbinen von Senvion bis zu Steckern von Elektroladesäulen von Harting in Espelkamp und Ladesäulen-Gehäusen von Kesseböhmer aus Bad Essen haben wir viele Geschäftsbeziehungen im Norden.

Entscheider im O-Ton: auf noz.de/ interview

Bildtext:
Erstens, zweitens, drittens: Peter Terium hat die USA als Wachstumsmarkt für Innogy definiert. Dort investiert das Unternehmen unter anderem im Silicon Valley.

Foto:
Oliver Lang

Innogy

Innogy ist eine Tochter des traditionsreichen Essener Energiekonzerns RWE. Mit rund 40 000 Mitarbeitern setzt das Unternehmen im Jahr rund 46 Milliarden Euro um. Innogy betreibt Stromnetze und ist für das Geschäft der RWE mit erneuerbaren Energien und neuen Technologien zuständig, darunter mehrere Windparks an Land und in der Nordsee. Der Niederländer Peter Terium war Vorstandsvorsitzender bei RWE und übernahm den Chefposten bei Innogy bei der Aufspaltung im vergangenen Herbst. Bei der RWE AG verblieb die herkömmliche Stromerzeugung mit Kohle und Gas.

Foto:
dpa
Autor:
Burkhard Ewert, Christian Schaudwet


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