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Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Mensch-zu-Mensch-Übertragung im Fokus
Zwischenüberschrift:
Prionenforscher sieht Risiko für zweite Welle von Creutzfeld-Jakob-Erkrankung durch BSE-Erreger
Artikel:
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Originaltext:
Die Panik war groß, als vor gut zwei Jahrzehnten klar wurde, dass die Rinderseuche BSE auf den Menschen übertragbar ist und eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann. Nun warnen Experten vor einer möglichen weiteren Erkrankungswelle. Ist ihre Sorge berechtigt?

Osnabrück. Der Fall eines 36-jährigen Briten, der an einer neuen Form der Creutzfeldt-Jakob-Variante vCJK. verstorben ist, sorgt für Diskussionen über eine mögliche zweite Erkrankungswelle durch den BSE-Erreger. Armin Giese, Prionenforscher an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, teilt die Bedenken. Das Risiko einer zweiten Welle sieht er dabei vor allem in einer Übertragung des Erregers von Mensch zu Mensch.

Wie unterscheidet sich die neue Creutzfeldt-Jakob-Variante von der alten?

Die Übertragung von BSE (Rinderwahnsinn) auf den Menschen hängt offensichtlich davon ab, welche Variante für die Übertragung des Prion-Protein-Gens in unserem Erbgut verankert ist. Bisher traf es ausschließlich Menschen mit der sogenannten MM-Variante. In ihrem Erbgut haben sie für das krank machende Eiweiß zweimal die Aminosäure Methionin (M) kodiert. Diese Variante ist bei 40 Prozent der Europäer verbreitet.

Und welche Variante trug der Brite?

Der Brite, bei dem jetzt erstmals eine neue Form der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung festgestellt worden ist, hatte den sogenannten MV-Typ im Erbgut. Das heißt, neben einem Code für die Aminosäure Methionin hatte er auch einen Code für die Aminosäure Valin (V). Damit unterscheidet er sich genetisch von allen anderen bisher bekannten Fällen, bei denen Menschen von Rinderwahnsinn betroffen waren. 45 Prozent der Europäer haben diese Variante. Weitere 15 Prozent haben die sogenannte VV-Ausprägung.

Wie hoch schätzen Sie die Gefahr einer neuen Erkrankungswelle nach dieser Entdeckung ein?

Meine Sorge ist weniger, dass es jetzt noch zu sehr, sehr vielen Fällen durch die damalige BSE-Welle kommen könnte. Ich sehe eher ein Risiko, dass es eine zweite Welle durch Mensch-zu-Mensch-Übertragung geben könnte. Denn im Gegensatz zu der herkömmlichen Form der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung hinterlässt die neue Form auch Mengen an Prionen im lymphatischen Gewebe des Betroffenen. Zum Beispiel in der Darmwand, im Blinddarm, in der Mandel und auch in der Milz.

Gibt es dazu Zahlen?

In England haben Forscher im Rahmen einer Studie chirurgischen Operationspräparate von Mandel- und Blinddarmoperationen aus den Archiven geholt und auf das Prionprotein untersucht. Sie konnten bei jedem 2000. Briten der Geburtsjahrgänge 1941 bis 1985 pathologisches Prionprotein im lymphatischen Gewebe nachweisen, ohne dass diese Patienten klinisch auffällig waren. Diese Zahl finde ich beunruhigend.

Und diese Proteine sind infektiös?

Die BSE-bedingte Creutzfeldt-Jakob-Variante kann definitiv durch Bluttransfusionen von Mensch auf Mensch übertragen werden. Denkbar wäre auch eine Übertragung durch chirurgische Instrumente. Die Frage ist nur, wie viele von den Betroffenen werden krank, und wie viele Mensch-zu- Mensch-Übertragungen wird es geben? Wird sich der Erreger in einer an den Menschen weiter optimierten Form vielleicht noch aggressiver ausbreiten? Das kann man derzeit nur sehr schwer abschätzen.

Gibt es schon irgendwelche Hinweise, in welche Richtung es gehen könnte?

Die bisher bekannten Zahlen lassen Vorhersagen weder in die eine noch in die andere Richtung zu. Weil diese Krankheit sehr langsam und lange Zeit unterschwellig verlaufen kann, kann man aber auch keine Entwarnung geben. Letztendlich ist eine Beurteilung wahrscheinlich erst in zehn oder 20 Jahren möglich.

Gibt es irgendwelche Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden sollten?

Da ist nach der BSE-Welle vor zwanzig Jahren ja schon einiges passiert, was sicher nützlich war. Vieles ist aber wegen der Risikoabwägung schwierig. So hat man in Deutschland intensiv diskutiert, ob man Empfänger von Blutprodukten vom Blutspenden ausschließen sollte. Das wäre eigentlich eine gute Sache, weil man damit Infektionsketten unterbinden könnte. Die moderne Medizin ist aber auf Blutprodukte angewiesen. Das ist also immer eine Frage der Abwägung: In welchem Maß kann das Risiko reduziert werden, und welche anderen Probleme generiert man möglicherweise mit einer Maßnahme?

Menschen, die sich im Zeitraum zwischen 1980 und 1996 in England aufgehalten haben, sind wegen der BSE-Gefahr in Deutschland von der Blutspende aber zum Beispiel bereits ausgeschlossen…

Eigentlich alle die in dem relevanten Zeitraum länger als sechs Monate in England waren. Das betrifft mich zum Beispiel auch, weil ich zu der Zeit als Student in England war.

Würden Sie denn aufgrund der neuen Erkenntnisse zusätzliche Hygienemaßnahmen empfehlen?

Die Aufarbeitung von chirurgischen Instrumenten in Hinblick auf die Übertragung von pathologischen Prionen ist in den vergangenen Jahren verbessert worden. Das Risiko ist deshalb heute schon geringer, als es früher war. Trotzdem sollte die eingangs genannte Zahl über die Verbreitung von pathologisches Prionprotein im lymphatischen Gewebe ein Warnsignal sein. Die für Hygienevorschriften zuständigen Stellen sollten sie zum Anlass nehmen, über Verbesserungen nachzudenken. Zumal sich Prionen dadurch auszeichnen, dass die gegen die meisten Sterilisations- und Desinfektionsverfahren besonders robust sind.

Was ist ein guter Schutz?

Wirksam ist Autoklavieren. Ein Autoklav ist im Prinzip ein Schnellkochtopf, in dem chirurgische Instrumente behandelt werden. Bei Prionen müssen der Druck und die Temperatur besonders hoch sein, damit es wirkt. Auch alkalische Reinigungsmittel, also Laugen, sind wirksam.

Nach dem Schock durch die Rinderseuche BSE hat man in Deutschland flächendeckende Tests für Rinder eingeführt. Weil sie sehr viel kosten, wird aber immer mal wieder darüber diskutiert, ob man sie nicht einstellen beziehungsweise reduzieren sollte…

Klar ist, dass die Anzahl der BSE-Fälle massiv runtergegangen ist, sie ist aber nicht komplett bei null. Das liegt vielleicht auch daran, dass BSE ähnlich wie Creutzfeldt-Jakob in Einzelfällen auch immer wieder spontan entstehen kann und deswegen nicht wirklich auszurotten ist. Deshalb ist es gut, dass man die Tests weiterhin aufrechterhält.

Im Interview

Armin Giese

Bildtexte:
Struktur eines Prions″: Das fehlerhafte Protein ist für die als Rinderseuche bekannte Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) verantwortlich. Beim Menschen kann es die Creuzfeldt-Jakob-Krankheit verursachen.

Die Rinderseuche BSE löste Panik aus.

Foto:
imago/ Science Photo Library

Kettenreaktion

Vor drei Jahrzehnten erkrankten in Großbritannien etliche Rinder an der Krankheit Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE), die auch als Rinderseuche bezeichnet wird. Als Ursache für die Krankheit gilt die Verfütterung von Tiermehl. Der Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch wiederum kann beim Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Variante vCJK auslösen. Die ersten Fälle tauchten Mitte der 90er-Jahre in Großbritannien auf.

Die Krankheit wird von einem falsch gefalteten Eiweißmolekül verursacht, das Prion genannt wird. Durch den Verzehr von kontaminierten Rinderprodukten gelangen die fehlerhaften Prionen in den menschlichen Körper. Dort können sie eine Art Kettenreaktion auslösen, in deren Verlauf sich auch die körpereigenen Prionen falsch legen. Das wiederum führt zu einer Degeneration des Hirngewebes und schließlich dem völligen Versagen aller Hirnfunktionen.

Bisher wurden weltweit rund 230 vCJK-Fälle erfasst. Nach einem Höhepunkt im Jahr 2000 waren die Zahlen aber stetig gesunken. Vor einigen Tagen wurde nun der Fall eines 36-jährigen Briten bekannt, bei dem eine von den bisherigen Befunden abweichende Variante der Krankheit entdeckt wurde.

Symptome einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung sind zunächst Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen, gefolgt von Halluzinationen, Persönlichkeitsveränderungen, Lähmungen und Demenz. Die Krankheit endet tödlich, eine Schutzimpfung oder Therapie gibt es bisher nicht. wam
Autor:
Waltraud Messmann


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