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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Agrarkritiker zum Ruf der Bauern
 
„Weser-Ems braucht keine neuen Ställe″
Zwischenüberschrift:
Dieser Mann will die Landwirtschaft umkrempeln: „Wir haben es satt″-Organisator Jochen Fritz
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Berlin. Der Ruf der Landwirtschaft in der Bevölkerung sei nicht so schlecht, wie die Branche annehme. Das sagt Jochen Fritz, Organisator der Demo Wir haben es satt″, bei der Tausende gegen die Intensivlandwirtschaft protestierten.

Es hat Tradition: Immer wenn in Berlin auf der Grünen Woche″ die neuesten Ernährungstrends präsentiert werden, ziehen Zehntausende durch die Hauptstadt, um unter dem Motto Wir haben es satt″ gegen die Intensivlandwirtschaft zu demonstrieren. Am 21. Januar ist es wieder so weit.

Berlin. Die Teilnehmer sind bunt gemischt: Natur- und Tierschützer, TTIP-Gegner, alternative Bauernverbände und generelle Gegner von Tierhaltung. Jochen Fritz bringt diese Gruppen zusammen. Im Nebenerwerb bewirtschaftet er einen ökologischen Bauernhof in Brandenburg mit Wasserbüffeln und Legehennen. Hauptberuflich leitete er die Kampagne Meine Landwirtschaft″.

Herr Fritz, was genau haben Sie satt an der aktuellen Landwirtschaft?

Wir richten uns nicht gegen die Landwirtschaft an sich oder gegen die Landwirte. Wir richten uns gegen die Fokussierung auf Wachstum und Export. Und wir richten uns gegen Haltungsbedingungen für Schweine, Rinder und Geflügel, die nur noch als Tierfabrik zu beschreiben sind. Das alles ist gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert.

Das Gegenargument der Agrarbranche: Die Wachstumsorientierung sorgt dafür, dass Lebensmittel in Deutschland historisch günstig und damit für alle bezahlbar sind. Gefährdet Ihre Idee einer Landwirtschaft diesen Gleichheitsgrundsatz nicht?

Nein, ich bin sicher, dass regional hergestellte und vertriebene Agrarprodukte bezahlbar bleiben. Ungeachtet dessen schadet es sicher nicht, wenn wir unseren Fleischkonsum reduzieren. Im Sinne der Tiere, aber auch der eigenen Gesundheit. Richtig ist aber auch: Gerade in tierhaltungsintensiven Regionen wie dem Raum Weser-Ems bräuchte es dann nicht mehr so viele Betriebe, wie wir sie derzeit haben.

Also ein Katalysator fürs Hofsterben?

Nein, die jetzige Richtlinie vom Wachsen oder Weichen″ führt doch zum Höfesterben. In den vergangenen sechs Jahren haben 60 Prozent der Schweinehalter in Deutschland aufgegeben. Wir gehen für genau solche Betriebe auf die Straße, die von der falschen Ausrichtung der Agrarbranche in ihrer Existenz bedroht werden.

Also den deutschen Agrarmarkt abschotten . Ein einmaliges Experiment…

Es geht um keine generelle Abschottung. Wir müssen weg davon, mit Massenprodukten den Weltmarkt zu fluten. Es spricht nichts gegen Importe hochwertig produzierter Waren. Und ebenso wenig spricht etwas dagegen, beispielsweise einen hochwertigen Käse aus Deutschland zu exportieren. Regulierung statt Abschottung. Und durch Regionalisierung wollen wir in den ländlichen Regionen wieder eine Wertschöpfung schaffen. Fahren Sie mal durch Brandenburg. Hier sind die Strukturen komplett weggebrochen.

Das gefährdet aber auch Tausende Jobs im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft.

Was für Jobs sind das, wenn wir beispielsweise an die Schlachthöfe denken? Leiharbeiter aus Osteuropa arbeiten hier zu fragwürdigen Bedingungen. Und auf der anderen Seite geben immer mehr Metzger auf. Wir sollten den Fokus auf solche hoch qualifizierten Jobs legen und das Handwerk wieder aufbauen.

Das klappt alles nur, wenn sich die Gesellschaft darauf einlässt. Wird das der Fall sein?

Das Bewusstsein für Lebensmittel und Ernährung hat sich bereits gewandelt. Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bewegungen wie Slow Food machen mir Hoffnung. Ich bin überzeugt: Unsere Bewegung kann Mainstream werden. Schauen Sie sich die Teilnehmer an: ein Bündnis, an dem sich Bauern, Umwelt- und Tierschützer sowie Verbraucher beteiligen. Wir decken die breite Gesellschaft ab. Natürlich bedeutet das: Billigangebote für Fleisch würden verschwinden.

Trotz Ihrer Bewegung haben solche Schnäppchen nicht abgenommen…

Der Fleischkonsum ist rückläufig…

Minimal…

Ja, richtig. Das ist sicherlich eine Generationenfrage. Junge Menschen essen deutlich weniger Fleisch als ältere. Die Politik muss den Wandel begleiten. Ernährung muss wieder Thema in den Schulen werden. Und wir fordern beispielsweise, bis 2020 sollen 50 Prozent der in öffentlichen Einrichtungen verkauften Lebensmittel aus regionaler Produktion stammen.

Welche Dimensionen
von Landwirtschaft schweben Ihnen vor? 15 000 Legehennen, 30 000 Legehennen
pro Halter? Was ist
okay, was nicht?

Wer so viel Eier isst wie wir, der muss auch mit solchen Dimensionen leben. Auch in großen Stallanlagen lassen sich Tiere artgerecht halten. Dass das in den jetzigen Stallformen der Fall ist, bezweifle ich. Ausmaße wie Mastställe für mehrere Hunderttausend Masthähnchen wie in Brandenburg sind aber nicht zukunftsfähig. Solche Megaanlagen lassen sich auch nicht artgerecht umbauen. 30 000 Hühner, 2000 Schweine und 40 000 Masthähnchen: Das sind für mich realistische Grenzwerte. Aber das muss auch immer regional betrachtet werden. In der Region Weser-Ems brauchen wir sicherlich keine neuen Ställe mehr.

An der Demo nehmen auch Gruppen teil, die Tierhaltung grundsätzlich ablehnen…

Ja, auch vegane Organisationen nehmen teil. Wir bieten eine Plattform, um auch diese Ideen und Ziele zu präsentieren. Auch diesen Gruppen geht es zunächst einmal darum, die Tierhaltung zu verbessern. Das ist der Minimalkonsens. Nicht alle Ziele sind in Einklang zu bringen, das ist uns klar.

Die Gegenseite wirft Ihnen vor, dass Sie Landwirte an den Pranger stellen. Nehmen Sie das in Kauf?

Wir nehmen die Kritik ernst und haben auch an unserer Kommunikation gearbeitet. Aber ich sage auch: Die Landwirtschaft hat nicht so ein schlechtes Image in der Bevölkerung, wie sie selbst immer wieder behauptet. Da muss die Branche auch aufpassen, dass sie sich nicht selbst in eine Opferrolle drängt, aus der sie nicht mehr herauskommt.

Die Diskussion um Tierhaltung und Ernährung im Blick behalten auf der Themenseite noz.de/ landwirtschaft

Bildtext:
Bunt gemischt ist der Demonstrationszug, der jedes Jahr unter dem Motto Wir haben es satt″ durch Berlin zieht. Organisiert wird die Demo von Jochen Fritz (im Vordergrund).

Foto:
Kampagne Meine Landwirtschaft″
Autor:
df


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