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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie Schwarzmakler Flüchtlinge abzocken
Zwischenüberschrift:
Wohnungsvermittlung im Hinterzimmer gegen stattliche Provisionen
Artikel:
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Originaltext:
Weil es für Flüchtlinge besonders schwer ist, an eine Mietwohnung zu kommen, bieten Schwarzmakler gegen Provisionen ihre Hilfe an. In Osnabrück hat sich ein regelrechter Schwarzmarkt entwickelt vorbei an Gesetz und Behörden.

Osnabrück. Bei Gesprächen mit Flüchtlingen fallen häufig die Namen eines syrischen Ehepaares, das in Bahnhofsnähe ein Schwarzmarkt-Büro eingerichtet haben soll. Da der Mann sich aktuell in Syrien aufhält, leitet seine Frau die Geschäfte im Hinterzimmer eines Ladens. Bei einem Besuch in diesem Büro″ stellt sich eine Frau vor, die etwa 25 Jahre alt ist. Angesprochen auf ihre Nebentätigkeiten, wird sie schweigsam. Als ich mich als Journalist zu erkennen gebe, bricht sie das Gespräch ab. Sie ruft eine Gruppe junger Männer, die mich entschieden vor die Tür weisen.

Die junge Dame ist das Aushängeschild für die Wohnungsvermittlung ihres Mannes. Viele Flüchtlinge haben ein Foto der attraktiven Frau per Whatsapp geschickt bekommen offenbar als Eisbrecher. Am Telefon versichere sie den Flüchtlingen, dass die Wohnungsvermittlung offiziell ablaufe, sie lizenzierte Maklerin sei; nur eben mit dem Vorteil, dass sie Arabisch spreche. Viele denken: Wenn einer Arabisch kann, vertraue ich ihm″, sagt Familienvater B.

Gegen Barzahlung

Das Ehepaar vermittelt Wohnungen und Flüge, dolmetscht oder kümmert sich um Amtsangelegenheiten alles gegen Bezahlung unter der Hand. Im arabischen Raum nennt man sie Simsar″, was mit Dealer″ gleichzusetzen ist. Die meisten dieser Leute sind schon lange in Deutschland″, sagt der studierte Syrer Z. Einige von ihnen beschäftigen Flüchtlinge in ihren Läden, zeigen sich nach außen als Samariter. Doch Z. macht deutlich: Diese Personen zerstören den Integrationsprozess.″

Die dubiosen Geschäftemacher sind in Flüchtlingskreisen gut bekannt. Auch die Diakonie Osnabrück weiß davon. Wir bieten eine Unterstützung für die Wohnungssuche an. Im Rahmen dieser Tätigkeit haben wir in Einzelfällen davon gehört, dass es solche Schwarzmaklergeschäfte gegeben haben soll″, sagt Hubert Reise, Leiter des Cafés Mandela, das in der Flüchtlingssozialarbeit tätig ist.

Mit dem Tode bedroht

Z. weiß von mindestens zehn dieser Makler″. Das sind Leute, die Flüchtlinge ausnutzen, weil sie sich mit der Sprache oder dem Gesetz nicht auskennen.″ Weil die Flüchtlinge nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften wohnen wollen, werden auf dem Schwarzmarkt Wohnungen an Flüchtlinge für stattliche Provisionen vermittelt. Die Preise in Osnabrück reichen von 500 bis 1500 Euro″, sagt der Z. Oft müsse das Schmiergeld bereits im Voraus gezahlt werden. Die vermittelten Wohnungen seien oft heruntergekommen oder sehr klein. Für 1000 Euro gibt es dann ein Ein-Zimmer-Apartment mit Schimmel an den Wänden und Ratten im Flur″, berichtet Z.

Kommt es nicht zur Unterzeichnung des Mietvertrags, erhalten die Flüchtlinge das Geld selten zurück. Die Krux: Um die Vermittlung bezahlen zu können, geben die Flüchtlinge oft ihr letztes Erspartes aus. Ist davon schon nichts mehr übrig, werden etwa Handys auf Raten gekauft. Die Geräte werden dann versetzt, und das Geld geht an die Schwarzmakler. Und es bleiben in jedem Fall Schulden.

Ein konkreter Fall: Der alleinstehende H. sollte für eine Wohnung in Osnabrück 1000 Euro zahlen. 500 Euro vor der Unterzeichnung des Mietvertrages, 500 danach. Weil er aus seiner Wohnung in Hannover ausziehen musste, und zwar innerhalb eines Monats, wollte er der Familie wegen nach Osnabrück ziehen. Es musste also schnell gehen. Die Schwarzmakler seien sein letzter Ausweg″ gewesen, sagt H. Sie versprachen ihm eine Wohnung in der Nähe des Rosenplatzes. Doch zog H. nie ein. Er geriet an einen Betrüger. H. kontaktierte ihn erneut, weil er sein Geld zurückwollte. Der Mann habe ihm gesagt: Ich habe in Syrien viele Menschen getötet, auf dich kommt es dann nicht mehr an.″ H. bekam es mit der Angst zu tun, legte auf und kam schließlich bei einem Verwandten unter. Das Geld ist für immer weg.

Es geht nicht immer um Bargeld. Die Schwarzmakler haben ein System entwickelt, wie sie staatliche Zuschüsse für Flüchtlinge für sich nutzen können. Ein Beispiel: B. wohnt seit einem Jahr in einer Osnabrücker Wohnung. Der Verein Exil″ hat ihm bei der Suche danach geholfen.

Amt betrogen?

Im Vorfeld hatte sich B. jedoch an den bekanntesten Schwarzmakler der Stadt gewandt, dessen Büro″ sich in Bahnhofsnähe befindet. Er wollte mir eine Wohnung in der Wüste besorgen″, sagt B.. Und obwohl B. diese nie gesehen hat, unterzeichnete er einen Vertrag. Ich vertraute ihm, weil er Arabisch kann″, sagt B. Schmiergeld wollte der Schwarzmakler zwar keines, dafür sollte B. aber das Geld für die Möbel, das ihm vom Sozialamt gestellt worden sei, an den Makler weitergeben. Der Makler habe einen Mittelsmann, der mit Möbeln handele. B. habe heruntergekommene Möbel erhalten, das Sozialamt eine stattliche Rechnung, der Schwarzmakler eine Provision seines Mittelsmannes. Zum Glück habe ich zwei Tage später den Exil-Verein kennengelernt″, sagt B. Er machte den Vertrag rückgängig und entging so der illegalen Wohnungsvermittlung.

Das ARD-Magazin Fakt″ deckte jüngst in Leipzig ähnliche Geschäfte auf. Zudem gibt es Berichte aus Berlin, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet. Die Osnabrücker Polizei kennt das Problem aus anderen Städten, aber noch nicht aus der Hasestadt. Ermittlungen gebe es hier bisher nicht, sagt Pressesprecher Frank Oevermann.

Wie kommen die Simsar″ eigentlich an die Wohnungen? Ein Mitarbeiter einer Osnabrücker Flüchtlingshilfe schildert mehrere Szenarien: In den meisten Fällen durchstöbern sie wie andere Wohnungssuchende auch das Internet oder die Zeitung nach Annoncen. Sie kontaktieren Eigentümer oder Vermieter, sagen, sie suchten Wohnungen für Freunde oder Familie. Offen wird angesprochen, dass es sich dabei um Flüchtlinge handelt. Sie appellieren an die Hilfsbereitschaft der Vermieter. Dass sich die Schwarzmakler mit den Wohnungsvermittlungen aber die Taschen füllen, bleibt verborgen.

Scheidung vorgetäuscht

Eine andere Masche: Eheleute lassen sich absichtlich scheiden. Die Stadt weist dann jedem Partner eine eigene Wohnung zu. Die Paare wohnen jedoch weiterhin zusammen und vermieten die leer stehenden Räume unter. In den meisten Fällen an mehrere Personen gleichzeitig. Ein Gesprächspartner berichtet zudem, dass die Schwarzmakler gezielt kontaktiert worden seien, um eine Wohnung so teuer wie möglich zu vermieten.

Integration in Osnabrück und bundesweit: noz.de/ fluechtlinge

Bildtext:
Unredliche Makler nutzen die Hilflosigkeit von Flüchtlingen aus und kassieren hohe Maklerprovisionen.

Foto:
Gert Westdörp

Hilfe bei der Wohnungssuche

Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas, Integrationslotsen oder der Verein Exil helfen Flüchtlingen bei der Wohnungssuche. Wie der Exil-Verein berichtet, warten aktuell 32 Familien auf eine Wohnung, zehn Wohnungen konnten 2016 vermittelt werden. In Osnabrück leben 3376 Flüchtlinge (Stand September 2016), 800 davon wohnen in Gemeinschaftsunterkünften. Unter dem Dach der Diakonie hat sich das Café Mandela auf Wohnungssuche für Flüchtlinge spezialisiert. Wer eine Wohnung vermieten will, erreicht das Café Mandela unter Telefon 05 41/ 76 01 74 60 oder per E-Mail (info@ cafe-mandela). Verein Exil, Telefon: 05 41/ 7 60 24 48, E-Mail: kontakt@ exilverein.de.
Autor:
Christian Ströhl


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