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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die schnöde Steckrübe wird zur „ostpreußischen Ananas″
Zwischenüberschrift:
Dezember 1916: Reichskartoffelstelle, Landerholung, früher Kehraus
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
m Kriegswinter 1916/ 17 spitzt sich die Nahrungsmittelknappheit dramatisch zu. Die britische Seeblockade und eine schlechte Ernte lassen die Kartoffelvorräte schrumpfen. Die Ernährungslage bleibt auch in der Lokalberichterstattung der Osnabrücker Zeitungen das Thema Nummer eins.

Osnabrück. Schon länger greift der Staat mit der Festlegung von Höchstpreisen, mit Zwangsbewirtschaftung und der Rationierung mittels Lebensmittelkarten in die Grundversorgung ein. Damit sollen Preistreiberei und Schleichhandel unterbunden und eine Mindestversorgung auch der ärmeren Schichten gewährleistet werden. Nun ist die Kartoffelration noch weiter heruntergesetzt worden auf ein halbes Pfund pro Person und Tag. Ausnahmen gelten für Selbsterzeuger (ein Pfund) und Schwerarbeiter (eineinhalb Pfund). Dabei ist die Kartoffel zusammen mit Brot der Grundpfeiler der Ernährung, zumal Gemüse und Fleisch praktisch überhaupt nicht mehr zu haben sind.

Der Magistrat empfiehlt den Osnabrückern, die Kartoffelvorräte durch den Einsatz von Steckrüben zu strecken. Er verkauft die Steck- oder Kohlrüben, die in normalen Zeiten als Schweinefutter dienen, zu gestützten Preisen mittwochs und samstags auf dem Wochenmarkt und an den übrigen Tagen aus dem Hauptlager bei der Flachsspinnerei Bramscher Straße. Es wird erwartet, dass die Osnabrücker Hausfrauen in Erkennung der Sachlage den Tisch reichlicher mit Steckrüben besetzen werden als bisher″, zitiert das Osnabrücker Tageblatt″ Oberbürgermeister Julius Rißmüller. Das Stadtoberhaupt verkenne dabei nicht, dass nur bei Abwechslung in der Zubereitung es möglich sei, Steckrüben in der gebotenen Menge″ zu verzehren. Der Hausfrauenbund organisiert also Kochvorführungen. Rezepte für Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts, Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade, Steckrübenbrot und sogar Steckrüben-Kaffee werden verbreitet. Mit Bezeichnungen wie ostpreußische Ananas″ soll die Knolle der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden.

Die Steckrübenversorgung steht nun auch unter der Regie der Reichskartoffelstelle. Osnabrück hat einen Bedarf von 40 000 Zentnern angemeldet und sich bereit erklärt, diese Gesamtmenge auch in einer Partie abzunehmen, nachdem Ackerbauschuldirektor Dr. Rudorf aus Quakenbrück dem Magistrat versichert hat, dass die Überwinterung problemlos sei. Darüber hinaus will der Magistrat noch freihändig zukaufen. Rißmüller berichtet, man habe Kommissionäre nach dem Kreise Melle entsandt, um dort aufzukaufen. Sie kamen aber mit leeren Händen zurück. Ob man im Kreise Melle woandershin verkauft hat und ob dabei die festgesetzten Höchstpreise eingehalten wurden, weiß ich nicht, jedenfalls haben wir nichts bekommen″, stellt Rißmüller betreten fest und bittet, der Stadt Schleswig-Holstein als Lieferungsquelle zuzuweisen.

Der Franzmann″

Bei der Kandidatenaufstellung zur Bürgervorsteherwahl im Restaurant Hackmann, Alte Münze, liefern sich Hoflieferant Schorn und Bürgervorsteher Vesper eine interessante Aussprache″, wie das Tageblatt″ mit feiner Ironie anmerkt. Hintergrund ist, dass Schorn in den Tageszeitungen Anzeigen geschaltet hat: Kaufe jeden Posten frz. Champagner und feine ausländ. Liköre.″ Diese Anzeige hatte auch die Abendpost″ abgedruckt und anschließend Vesper spitz kommentieren lassen: Ein echter Deutscher mag keinen Franzmann leiden, doch seine Weine trinkt er gern.″ Kandidat Schorn findet es merkwürdig, dass die Redaktion der Abendpost″ ausgerechnet jetzt zur Bürgervorsteherwahl Anstoß an der Anzeige nimmt. Er betont, dass er mit dem Ankauf fraglicher Sachen geradezu eine patriotische Tat begehe. Diese Weine und Liköre verkaufe er nämlich nach Holland, Dänemark und der Schweiz, wofür er im Wege des erlaubten Austausches aus diesen Ländern Lebensmittel wie Reis, Tee und Kakao nach Deutschland einführe und so dazu beitrage, der Nahrungsknappheit hierzulande zu begegnen. Und zwar versorge er nicht nur sich und seine Familie, sondern auch mancher andere wüsste ihm Dank dafür.

Erholung auf dem Land

Der Landwirtschaftliche Verein und der Vaterländische Frauenverein haben gemeinsam einen Verwundetenausflug organisiert, diesmal nach dem freundlichen Dorfe Schledehausen″. 226 Feldgraue aus den Osnabrücker Lazaretten besteigen den Mittagszug in Richtung Wissingen. Am Bahnhof Wissingen warten 50 bis 60 Kutschen der gastgebenden Landwirte auf sie. Unter Musikbegleitung besteigen die Soldaten, teilweise gestützt auf Krankenschwestern, die Gefährte. Die Fahrt nach Schledehausen führt durch den zur Schelenburg gehörenden prächtigen Wald, in dem bei kurzer Rast einige stimmungsvolle Musikstücke der ins Gehölz getretenen Kapelle″ angehört werden. In Schledehausen steht im Saal des Gastwirts Bullerdieck alles zum Empfang bereitet. An langen Tafeln lassen es sich die Gäste wohl sein. Für Kaffee und Kuchen ist reichlich gesorgt, außerdem fehlt es auch nicht an dem nötigen Rauchmaterial″. Und zur Versüßung des Ganzen sind für jeden mehrere schöne rot- und goldbackige Äpfel hingelegt.

Zwecks Einsparung von Lichtstrom und Heizmaterial tritt am 15. Dezember ein abendlicher Kehraus um 22 Uhr für Gastwirtschaften, Cafés, Theater und Lichtspielhäuser in Kraft. Auch wenn einige am Murren sind und meinen, für eine Stadt von der Größe Osnabrücks wäre 23 Uhr angebrachter, wird der frühe Abendschluss eingehalten. Der Tageblatt″-Reporter schreibt: Die Straßen unserer Stadt boten ein seltsames, für diese Abendstunde bis dahin ganz ungewohntes Bild: Hunderte von Menschen, Erwachsene und Kinder, strömten den heimatlichen Penaten zu, wobei es ohne gegenseitige, aus der Situation geborene Anulkungen nicht abging. In den Gasthäusern erloschen die Lichter, nur die meisten Wohnungen waren noch erhellt. Als die Straßenbahn ihre letzte Fahrt gemacht hatte, herrschte eine unheimliche Totenstille in der Stadt. Das können Weihnachten und Neujahr stehen vor der Tür Feiertage zum Ausschlafen werden.″

Knappes Bier

Vom Kriegsernährungsamt sind zur Sicherstellung der Volksernährung weitere Teile der deutschen Gerstenernte beschlagnahmt worden. Den Brauereien soll nunmehr weniger als ein Viertel ihres Friedensbedarfs zugewiesen werden. Die Biereinkaufszentrale der Heeresverwaltung verlangt billigerweise″ den Bedarf der fechtenden Truppen vorweg. Es bleibt deshalb für die Heimatbevölkerung einschließlich Garnisons- und Grenzschutztruppen nur eine außerordentlich knappe Biermenge übrig. Der Verband der Brauereien richtet deshalb an das Publikum den Aufruf, seinen Biergenuss aufs Alleräußerste einzuschränken, um dem völligen Erschöpfen der deutschen Biervorräte vorzubeugen.

Serie Vor 100 Jahren So war es früher:

Berichte aus der Osnabrücker Geschichte auf noz.de/ historisch-os

Bildtexte:
Fronturlaub zum Fest: Mitunter durften die Familienväter unter den Feldgrauen″ an Weihnachten ihre Lieben in der Heimat besuchen. Das Foto entstammt der Sammlung Joachim Behrens und wurde veröffentlicht in: Rolf Spilker (Hrsg.), Eine deutsche Stadt im Ersten Weltkrieg, Osnabrück 1914–1918, Bramsche 2014

Weihnachtsgruß im Kaiserreich Postkarte des Verlags WB+ Co, Nr. 3065, aus der Privatsammlung Dierks.


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