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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die elfte Stunde gehört Spaten und Gießkanne
Zwischenüberschrift:
Unterricht im Grünen: Caro-Schüler genießen die Arbeit im „Kaisergarten″
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Was macht die Generation Facebook eigentlich, wenn sie mal offline ist? Am Carolinum pflegen 30 Schüler jeden Mittwochnachmittag ihr Gemüse. Im Kaisergarten″ in der Turnerstraße gärtnern sie für gute Noten und genießen es, dass Schule nicht immer nur im Klassenzimmer stattfinden muss.

Wie Öko-Tussis sehen Hanna Kremer und Isabel Enokian nun wirklich nicht aus. Im Gegenteil. Für manchen mag schon das eine beruhigende Nachricht sein: Wer sich im Jahr 2013 als junger Mensch intensiv Pflanzen und Setzlingen widmet, muss sich modisch noch nicht aufgegeben haben.

Hanna Kremer und Isabel Enokian gehen in die elfte Klasse am Carolinum. Gemeinsam mit ihrer Mitschülerin Ruth Pope, die inzwischen das Gärtnern für die Arbeit an ihrem Graecum aufgeben musste, hatten sie 2011 eine Idee: Wir haben von den Prinzessinnengärten in Berlin gelesen und wollten in Osnabrück etwas Ähnliches machen″, sagt Hanna Kremer.

Die mobilen Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg sind so etwas wie das Zentrum des deutschen Urban Gardening (auf Deutsch könnte man städtisches Gärtnern sagen). Anwohner haben dort eine ehemalige Brachfläche in einen Nutzgarten umgewandelt. Das Besondere: Sämtliche Pflanzen befinden sich in Kisten. Jedes Jahr mieten die Nutzer die Flächen wieder neu von der Stadt. Sollte das Mietverhältnis aus irgendwelchen Gründen enden, könnte der ganze Garten einfach umziehen.

Bildungskonzept

Auf der Suche nach einem Platz wurden die drei Osnabrücker Schülerinnen in Hellern fündig. Dort bewirtschaften sie für zwei Jahre eine knapp 75 Quadratmeter große Fläche, die dem Großvater einer ihrer Lehrer gehört. In Anlehnung an das Berliner Vorbild und an ihren Schulgründer Karl den Großen gaben sie dem Projekt den Namen Kaisergarten″.

In ihrem Stadtgarten zogen die drei aus Bio-Saatgut Jungpflanzen heran, die Osnabrücker Kunden im Internet bestellen konnten. Wenn alles geerntet war, konnten die Kunden weitere Setzlinge ordern, um die Kiste die ganze Saison über nutzen zu können. Am Ende des Sommers sammelten die Schülerinnen die Kunststoffkästen dann wieder ein.

Inzwischen wenden sich die Schülerinnen mit ihrem Angebot vorwiegend an Grundschulen und Kindergärten. Es gehört zu unserem Bildungskonzept, vor allem Kinder anzusprechen, die sonst nichts mit Grün und Garten zu tun haben.″ Die Teilzeitgärtnerinnen begreifen ihre Pflanzenkisten als Bildungsträger. Mit ihrem Kaisergarten wollen sie zeigen, wie man klimaneutral Nahrungsmittel anbauen kann. Deshalb haben sie die Pflanzenkisten lange Zeit ausschließlich mit Fahrrad und Anhänger ausgeliefert. Bequem war das nicht. Wie lange es alleine gedauert hat, an jedem Fahrrad eine Anhänger-Kupplung zu befestigen…″, sagt Hanna Kremer. Unter den Schülerinnen ist sie diejenige, die den Kaisergarten lieber vom Schreibtisch aus bewirtschaftet. Das sagt sie auch ganz offen: Den ganzen Tag Unkraut jäten finde ich jetzt nicht so spannend.″ Sie hält lieber Kontakt zu den Kunden und kümmert sich um die Finanzen. Für alle gelte aber, dass bei dem Projekt schon etwas rumkommen müsse. Keiner wäre hier, würden wir nur Blümchen pflanzen″, sagt Lehrer Kai Crystalla.

Er betreut das Projekt, das am Carolinum inzwischen zum Seminarfach Urbanes Gärtnern″ geworden ist. Aus drei Schülern wurden 30, die mittwochnachmittags in der zehnten, elften und zwölften Stunde den Stift gegen einen Spaten tauschen. Der Garten in Hellern war für die Elftklässler allerdings zu klein und lag zu weit vom Carolinum entfernt. Die Schüler und ihr Lehrer Kai Crystalla mussten sich nach einem neuen Platz umsehen und fanden ihn am Ende der Turnerstraße, wenige Meter von den Bahngleisen entfernt.

Kaisergarten besichtigen

Jeder Schüler hat hier eine eigene Gemüse- oder Kräutersorte, die er versorgt. Und weil zu einem Seminarfach auch eine Facharbeit gehört, beackern die Schüler das Gärtnern auch theoretisch. Meine Arbeit hat den Titel Die Kupferproblematik in Landwirtschaft und Gartenbau mit besonderer Berücksichtigung des ökologischen Landbaus′″, sagt Hannah Feldmann. Klinge extrem trocken sei aber interessant. Weil im Kaisergarten alles in mobilen Kästen wächst, gibt es hier zum Glück keine Kupferproblematik.

Dafür steht das Projekt vor einer grundsätzlichen He rausforderung: Wir haben die Fläche an der Turnerstraße von der Stadt gepachtet. Allerdings nur für ein Jahr, dann soll hier gebaut werden″, sagt Kai Crystalla. Stand heute fehlt dem Kaisergarten 2014 also das Wesentliche: der Garten. Wenn es für uns in zentraler Stadtlage eine sonnige Fläche so ab 150 Quadratmeter gäbe, wäre das super″, sagt Crystalla. Idealerweise wäre der Platz gepflastert, denn wie erwähnt wächst das Kaisergarten-Gemüse in Kisten. Weil diese so schwer sind, müssen sie mit dem Hubwagen transportiert werden. Für ihre mobilen Beete haben die Schüler Plastik-Bottiche aufgesägt und mit Muttererde gefüllt. Die kommen von Schöller, da waren vorher Bindemittel für Tapetenkleber drin″, sagt Crystalla.

Wie die Plastikfässer sind auch die meisten anderen Materialien Spenden. Für Kaisergarten-Mitgründerin Isabel Enokian ist das die größte Überraschung: Sie hätte nie gedacht, dass ihnen gerade Firmen so viel schenken würden.

Die 17-Jährige ist beeindruckt, mit welcher Begeisterung ihre Mitschüler bei der Sache sind. In den vergangenen zwei Wochen war das Seminarfach ausgefallen, heute sind die Junggärtner nach längerer Pause endlich wieder im Garten. Da ruft dann schon mal jemand: Guck mal, wie hoch mein Kohlrabi ist!′″

Die Bandbreite der Gemüsesorten ist groß. Sie reicht von regionalen Standards wie Zwiebeln und Tomaten über Chili bis zu Exoten wie Physalis. Einer der Schüler versucht sich sogar an Wassermelonen; seine Gärtner-Kolleginnen beziffern die Erfolgsaussichten aber als eher gering. Wegen des langen Winters ist die Ernte in diesem Jahr noch recht mager ausgefallen. Bislang konnten die Schüler nur Radieschen ziehen. Was sonst noch in den großen Kisten reift, wird an die Cafeteria des Carolinums verkauft. Dafür müssen die Junggärtner noch eine Schülerfirma gründen, sonst dürfte die Schulküche das Gemüse nur als Schenkung annehmen.

Gelegenheit, den Garten zu besichtigen, bietet sich beim Tag des offenen Gartentores″ am 23. Juni. Von 14 Uhr bis 17 Uhr zeigen die Caro-Schüler ihren Kaisergarten. Neben einem Einblick in urbane Gartenkultur bieten die Junggärtner Kaffee, Kuchen, Bratwurst und Stockbrot. Der Kaisergarten liegt am unteren Ende der Turnerstraße in Osnabrück.

Weitere Infos unter kaisergartencarolinum.wordpress.com.

Bildtexte:
Die Schülerinnen Isabel Enokian, Hannah Feldmann, Natalie Strehlke und Hanna Kremer leiten das Projekt.

Gewachsen sind in diesem Jahr bislang nur Radieschen, stellten Katharina Frey (links) und Verena Westermann fest.

Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen betreuten Kai Crystalla und Anja Meyer den Kaisergarten.

Willkommen im Grünen: Die Schüler des Gymnasiums Carolinum, hier Clara Lange, verbringen ihre Mittwochnachmittage gerne im Kaisergarten an der Turnerstraße.

Zur Bewirtschaftung des Kaisergartens gehören auch handfeste Holzarbeiten. Der Einsatz bei den Schülern ist dabei deutlich größer als ihr Werkzeug.

Ohne Sachspenden wie hier der Mutterboden würde das Projekt Kaisergarten nicht funktionieren.

Schwer angepackt haben Patrick Gmys (links) und Lennard Gedrat (rechts) vom Carolinum, um den Garten zu gestalten.

Fotos:
Jörn Martens
Autor:
Hendrik Steinkuhl


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