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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Einsteigen! Mal ein bisschen dalli!″
Zwischenüberschrift:
Vor 75 Jahren wurden die ersten Osnabrücker Juden deportiert
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Am 13. Dezember 1941 begann für die verbliebene jüdische Bevölkerung Osnabrücks der Holocaust.

Osnabrück. Bis dahin hatte sie nur″ unter willkürlichen Verhaftungen, Entrechtung und Enteignung zu leiden gehabt. Vor 75 Jahren setzte sich für 34 Osnabrücker Juden der erste Zug ohne Rückfahrkarte nach dem Osten in Bewegung: der sogenannte Bielefelder Transport″.

Diesen Namen trägt er, weil Juden aus den Regierungsbezirken Osnabrück und Münster zunächst nach Bielefeld geschafft wurden. Hier hängte man ihre Waggons an einen größeren Sammeltransport an, mit dem zwischen 1000 und 1500 Menschen in das Getto Riga verschleppt wurden. Nur ganz wenige überlebten die Vernichtungslager und die mörderischen Lebensbedingungen.

Isoliert in Judenhäusern

Zu Beginn der Naziherrschaft umfasste die jüdische Gemeinde Osnabrücks noch 435 Seelen. Aufgrund der einsetzenden Diskriminierungen halbierte sich bis 1936 ihre Zahl durch Auswanderungen. Die Reichskristallnacht″ 1938 brachte einen weiteren Schub in der Vertreibung sowie Verhaftungen, sodass zu Kriegsbeginn kaum mehr als 100 Juden in der Stadt lebten. Ihre Situation entwickelte sich immer dramatischer. Sie wurden von der übrigen Bevölkerung isoliert und in wenigen Judenhäusern″ zusammengesperrt, wo die Gestapo sie noch besser unter Kontrolle hatte. Ab September 1941 mussten sie den gelben Judenstern tragen.

Mitte November 1941 erhielten 40 bis 50 Osnabrücker Juden die Nachricht, sich am 13. Dezember zur Evakuierung″ nach Riga/ Lettland bereitzuhalten. Jede Person durfte 50 Kilogramm Großgepäck wie Matratzen, Wolldecken, Kanonenofen, Handwerkszeug, Kochtopf und Waschgeschirr mitnehmen. Tatsächlich sahen die Menschen ihr separat verladenes Hab und Gut nie wieder. Die relativ großzügige″ Gepäck-Freigrenze diente nur dazu, den Anschein zu erwecken, dass eine Umsiedlung mit Aufbau einer neuen Existenz bevorstehe. Martina Sellmeyer und Peter Junk schreiben in ihrem Standardwerk über das Schicksal der Osnabrücker Juden Stationen auf dem Weg nach Auschwitz″, dass nach Augenzeugenberichten die Betroffenen zumindest bei dieser ersten Deportation an eine echte Umsiedlung glaubten. Nach der amtsärztlichen Untersuchung auf Transport- und Haftfähigkeit″ blieben von den ursprünglich angeschriebenen noch 34 Personen übrig.

Am 11. Dezember wurde das Gepäck abgeholt. Einen Tag später brachte die Gestapo die für den Transport vorgesehenen Juden in die Turnhalle der Pottgrabenschule, wo bereits 477 weitere aus dem gesamten Gestapobezirk Osnabrück mit Omnibussen Herangekarrte versammelt waren. Sie hausten auf Strohlagern. Die Pottgrabenschule war aus gutem Grund als Sammelplatz ausgewählt worden. Von dort war es nur ein kurzer Marsch zum Bahnhof, sodass die Deportationen kaum öffentlich auffielen. Was die Osnabrücker Bevölkerung davon mitbekam, ist unklar. Sellmeyer/ Junk kommen zu dem Ergebnis: Wer wissen wollte, konnte wissen.″

Am Morgen des 13. Dezember brachte man die Juden zur Bahn. Ein Sonderzug, der bereits mit 400 Juden aus dem Gestapobezirk Münster belegt war, lief ein. Man pferchte die Osnabrücker hinzu. Um 15 Uhr rollte der Zug im Hauptbahnhof Bielefeld ein. Hier stiegen weitere 420 Juden aus Bielefeld und Umgebung in die bereitgestellten Personenwagen dritter Klasse ein.

Ohne Verpflegung

Der Überlebende Ewald Aul berichtete später: In der ganzen Zeit, unterwegs waren wir drei bis vier Tage, gab es weder etwas Verpflegung noch etwas zu trinken. In Skivotava (dem Vorort-Güterbahnhof von Riga) jagte uns die SS mit schweren Stöcken und Eisenstangen aus den Waggons und den langen beschwerlichen Weg nach Riga vor uns her.″

Angehörige der Osnabrücker Familien Abraham, Aul, Blach, Gottschalk, Grünberg, Grynblatt, Heimbach, Katz, Krause, Lieblich, Löwenstein, Münz, Pelz, Schoeps, Stern und Wexseler gehören zu den Opfern des ersten Transports nach Riga. Einige wurden aufgrund körperlicher Gebrechen gleich nach der Ankunft ermordet.

Andere, wie Ewald Aul, wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt und mussten Baracken für neue Häftlinge bauen oder Massengräber ausheben. Nur sechs Osnabrücker überlebten die Deportation nach Riga und die sich anschließenden KZ-Aufenthalte.

Bildtext:
Deportation ins Getto Riga: Vor 75 Jahren setzt sich der Bielefelder Transport″ nach Osten in Bewegung. Da viele Juden an eine echte Umsiedlung glaubten, ist in einigen Gesichtern eine Art Vorfreude zu sehen.

Foto:
Stadtarchiv Bielefeld
Autor:
Joachim Dierks


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