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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Künstler Jan Tichy macht das Licht an
 
Lichte Momente in der Osnabrücker Altstadt
Zwischenüberschrift:
Kunsthalle wird zur leuchtenden Skulptur
 
Outdoor-Projektionen der Medienkünstler Jan Tichy und Filippo Berta regen die Sinne der Betrachter an
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Lichtkünstler Jan Tichy verwandelt die Kunsthalle Osnabrück in eine leuchtende Skulptur. Mit weiteren Kunstprojekten will er Licht zum politischen Statement machen. Damit überzeugt er weniger.

Osnabrück. Als die Schildbürger ihr Haus bauten, vergaßen sie die Fenster und saßen im Dunkeln. Das Licht trugen sie mit Kannen und Töpfen in das Haus. Aus dem Schildbürgerstreich macht Jan Tichy ein künstlerisches und bestens überlegtes Konzept. Er hat die spitzen Fenster der Kunsthalle abgedichtet. Aus vier Beamern flutet nun Licht durch den gotischen Kirchenraum und zeichnet geometrische Grundformen wie Rechteck, Kreis und Dreieck wie eine Botschaft des Bauhauses in die gotischen Gewölbe. Der Besucher geht auf einem Teppich, der jedes Geräusch dämpft, wie durch eine schneeweiße Schatulle aus lauter Licht.

Ein grandioses Licht- und Raumerlebnis? Sicher. Aber der 1974 in Prag geborene und inzwischen in Chicago lebende Künstler will mehr als kristallinklare Kunst. Tichy denkt sein zentrales künstlerisches Material Licht als Träger politischer Botschaften und Machtgesten. Der Künstler fragt nach der Rolle des Lichtes in der Öffentlichkeit. Er erinnert daran, wie im Rumänien des 1989 hingerichteten Diktators Nicolae Ceaucescu seinerzeit landesweit um zehn Uhr abends das Licht gelöscht wurde. Und zitiert das Beispiel der amerikanischen Kleinstadt Gary, Geburtsort des Pop Stars Michael Jackson, die abends in der Dunkelheit versinkt, weil es keine Straßenbeleuchtung gibt. Der Entzug von Licht als Zeichen der Herrschaft : An diesem Punkt hakt Tichy ein.

Aber wie baut man eine stabile Brücke von abstrakter Kunst zu manifester Politik? Tichy möchte das Erbe des Bauhauses mit den politischen Konflikten der Gegenwart verknüpfen. Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy schickte mit seinem ab 1922 entwickelten Licht-Raum-Modulator″ das Licht auf seine schwerelose Reise durch abgedunkelte Räume und nahm damit vorweg, was später in der Installationskunst für Furore sorgen sollte. Dem folgt Tichy sichtbar nach. So weit, so solide. Weniger überzeugend, weil allzu kleinteilig, wirken seine Projekte, mit denen er versucht, politische Fragen über Lichteffekte zu konkretisieren.

Dabei wirkt der Denkansatz einer Arbeit wie German Nature″ zunächst sehr überzeugend. Tichy hat im Rahmen studentischer Projekte die bevorzugten Musikstücke von Flüchtlingen, die jetzt in Deutschland leben, zusammentragen lassen. Die komponierte Youtube-Tonspur, die auch auf Youtube einsehbar ist, überträgt er in Lichtsignale, die auf einem Dreieck aus Neonröhren einen flackernden Takt ergeben, der an Videoinstallationen des amerikanischen Kunststars Bruce Nauman erinnert. Die Hitliste der Migranten überzeugt als Kulturdokument aus der Gegenwart, Tichys Lichtplastik als konsequent gemachtes Kunstwerk. Aber der gegenseitige Verweis, der von der Migration zur Kunst laufen soll, funktioniert so zuverlässig wie ein Wackelkontakt.

Jan Tichys Kunstprojekt offenbart das unausweichliche Dilemma, in das Kunst gerät, wenn sie thematische Anliegen transportieren soll, ohne sie direkt anzusprechen. Tichy hat in Osnabrück immerhin gleich mehrere Projekte mit Stadtbewohnern im Rahmen der Lichten Momente″ angeschoben. All das funktioniert als Stadtarbeit, bleibt zugleich aber auch vage.

Dabei findet die Ausstellung ihre Förderer. Zu dem mit rund 40000 Euro veranschlagten Ausstellungsbudget tragen das Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen und auch das renommierte Artis Grant Program bei. Die Lichtinstallation in der Kunsthalle rechtfertigt diesen Aufwand allein. Tichy modelliert mit seinem 45 Minuten dauernden Licht-Loop den Raum wie eine einzige Skulptur. Kunsthallen-Direktorin Julia Draganovic fügt mit dieser Arbeit der von ihr kuratierten Reihe künstlerischer Reaktionen auf den unverstellten Raum wieder eine sehenswerte Lesart hinzu.

Osnabrück, Kunsthalle: Jan Tichy. Installation Neues Rathaus. Eröffnung: Freitag, 18. November, 18 Uhr. Bis 8. Januar 2017. Di. 13–18 Uhr, Mi.– Fr. 11–18 Uhr, Sa., So. 10–18 Uhr. Soundperformance von Ayumi Paul: 20. November, 10–18 Uhr. kunsthalle.osnabrueck.de

Eine Bildergalerie auf noz.de/ kultur

Bildtexte:
Licht ins Dunkel: Mit seiner Lichtinstallation verwandelt Jan Tichy die Kunsthalle in eine leuchtende Skulptur.
Der Künstler als Lichtmagier: Jan Tichys L
Fotos:
Michael Gründel

Osnabrück. Sie sehen nach Geiselnahme oder Terroranschlag aus, die Menschen, die da mit dem Rücken zur Wand stehen und schwarze Hauben über den Kopf tragen. Doch was machen sie? Mit einem Filzstift versuchen sie, hinter sich an die Wand einen Smiley zu zeichnen. Wer vorbeigeht, freut sich, dass er in dem Video nicht mit den Problemen dieser Welt konfrontiert wird, sondern diese durch einen einfachen Trick entschärft sieht.

Zum neunten Mal ist man in der Osnabrücker Altstadt vor solchen optischen Überraschungen nicht sicher: Ungewohnte Bilder flimmern über ausgesuchte Fassaden und animieren die Besucher des Heger-Tor-Viertels, stehen zu bleiben, einzuhalten, sich mit den Videos, projiziert an außergewöhnlichen Plätzen, auseinanderzusetzen. Die Smiley-zeichnenden Geiseln stammen übrigens von dem italienischen Medienkünstler Filippo Berta, der gern den Dualismus, die Gegensätze, das Für und Wider in unseren Köpfen aktiviert.

Lichte Momente″ heißt das Projekt, das einen Gegenpol zum geschäftigen Vorweihnachtsrummel bieten soll. Zwei Medienkünstler konnte Initiatorin und Projektleiterin Valérie Schwindt- Kleveman in diesem Jahr gewinnen, ihre Arbeiten für die Outdoor-Projektion zur Verfügung zu stellen.

Ob die Wölfe, die Filippo Berta in einer kargen Landschaft die italienische Flagge symbolträchtig zerfetzen lässt, oder die minutenlangen entschleunigten Bilder, die Jan Tichy aus den USA mit einer feststehenden Kamera in Sportarenen oder an Kinderspielplätzen filmte, der Betrachter wird herausgefordert.

Erstmals schaffen die Outdoor-Projektionen eine geografische Klammer zwischen dem Felix-Nussbaum-Haus, wo Ergebnisse des Projekts Changing Osnabrück″ gezeigt werden, und der Kunsthalle Osnabrück, wo Jan Tichy mit seinen Videoarbeiten inhaltlich auf die gleichzeitig startende Ausstellung Installation Nr. 29 (Neues Rathaus) in der säkularisierten Kirche verweist.

Lichte Momente, Videokunst von Jan Tichy und Filippo Berta: Heger Tor Viertel, Felix-Nussbaum-Haus und Kunsthalle Osnabrück. 19. November bis 8. Januar, täglich von 17 bis 22 Uhr.

Bildtext:
Geiselnahme oder Terroranschlag? Die Videos im Heger-Tor-Viertel animieren zur Auseinandersetzung.
Foto:
Pentermann
Autor:
Stefan Lüddemann, Tom Bullmann


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