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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Grüne: Ab 2030 nur noch Elektroautos
 
Die große grüne Verunsicherung
Zwischenüberschrift:
Parteitag für Vermögensteuer
 
Parteitag in Münster im Zeichen von Zetsche und Trump – „Mit Political Correctness nicht übertreiben″
Artikel:
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Originaltext:
Vermögensteuer für Superreiche, Wegfall der Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger, Kohleausstieg und das Aus für Verbrennungsmotoren: Der linke Flügel der Grünen geht aus dem Parteitag als Sieger hervor.

Münster. Nach langem Streit haben die Grünen auf dem Bundesparteitag in Münster einen Beschluss zur Vermögensteuer gefasst: Sie soll wieder eingeführt werden, aber nur Superreiche″ betreffen. Wer darunter fällt, ließ die Partei offen. Unternehmen sollen nicht in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte vergeblich versucht, die Delegierten davon abzuhalten. Er sei mit aller Macht″ dagegen, da eine solche Steuer den Mittelstand bedrohe, und der sei die stärkste Säule gegen den Raubtierkapitalismus″. Jürgen Trittin argumentierte dagegen: Deutschland sei ein Steuersumpf, Raucher trügen mehr zum Steueraufkommen bei als Reiche.

Der Parteitag votierte für einen Kompromiss, den die Fraktionsspitzen Anton Hofreiter und Karin Göring-Eckardt eingebracht hatten. Überraschend konnte sich der linke Flügel der Grünen auch bei einem sozialpolitischen Thema durchsetzen: Mehrheitlich stimmte der Parteitag für die Abschaffung von Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängern. Das geltende Recht sieht Leistungskürzungen für Arbeitslose vor, etwa wenn sie ein Bewerbungsgespräch nicht wahrnehmen.

Darüber hinaus soll auch das Ehegattensplitting abgeschafft werden. Statt Steuervorteilen für Ehepaare wollen die Grünen Kinder gezielter fördern. Eine Kindergrundsicherung soll eingeführt werden. Nicht antasten wollen die Grünen allerdings bestehende Ehen.

Daimler-Chef warnt

In der Verkehrspolitik wollen die Grünen eine Wende erzwingen, indem ab 2030 keine Autos mehr mit Benzin- oder Dieselmotoren zugelassen werden. Daimler-Chef Dieter Zetsche, der unter Protesten eine Rede auf dem Parteitag hielt, stimmte zwar grundsätzlich überein, dass ein Umstieg auf E-Autos Ziel sein müsse. Aber: Der Verbrennungsmotor muss seine Abschaffung selbst finanzieren.″ Ein Ausstiegsdatum nannte Zetsche nicht.

Jürgen Resch vom Umweltverband Deutsche Umwelthilfe kritisierte indes, dass die grünen Ziele nicht konkret genug seien. Die Grünen verneigen sich vor dem Automobil″, so Resch. Er sprach sich für ein Verbot von Diesel-Fahrzeugen aus. Bereits bis 2025 wollen die Grünen aus der Stromerzeugung durch Braunkohle aussteigen . Der Vorschlag der Parteispitze, den Ausstieg erst 2035 zu vollziehen, fand keine Mehrheit.

Kommentar
Fragen statt Antworten

Was ist das für ein Kompromiss, den die Grünen da zur Vermögensteuer gefunden haben? Er sendet das Signal aus: Wir wollen etwas machen, aber wie genau das gehen soll, wissen wir selbst noch nicht. Der Parteitag hat keine Antworten geliefert, sondern ganz neue Fragen aufgeworfen. Allen voran: Wer sind diese sogenannten Superreichen eigentlich, die künftig zur Kasse gebeten werden sollen?

Eigentlich ging es auf dem Parteitag in Münster nicht um die Vermögensteuer, sondern nur darum, den Streit gesichtswahrend zu beenden. Solche Beschlüsse kann nur eine Partei fällen, die mit sich selbst nicht im Reinen ist. Genau das gilt für die Grünen. Der Graben, der traditionell durch die Partei geht, war lange nicht mehr so sichtbar und lange nicht mehr so tief wie derzeit.

Das kann auch der die grüne Parteiseele streichelnde Beschluss zum Ausstieg aus Braunkohle und Verbrennungsmotor nicht kaschieren. Das Vorhaben wird sich in dieser Art ohnehin weder in einer Koalition mit Union noch mit SPD durchsetzen lassen. Das zeigt nicht zuletzt der Umgang der Großen Koalition mit dem Klimaschutzplan. Alle drei Regierungsparteien haben diesen torpediert, alle wären ein möglicher Koalitionspartner der Grünen nach der Bundestagswahl.

Der Bundesparteitag der Grünen sollte in der lange umstrittenen Frage der Vermögensteuer für Klarheit sorgen und die Parteiflügel befrieden. Das ist nur bedingt gelungen. Über allem lag zudem der Schatten von Donald Trump.

Münster. Es war gegen Ende seiner Rede, da sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche beiläufig einen Satz, der das Problem der Grünen auf den Punkt brachte: Mittlerweile seien ja viele Forderungen der Partei im Mainstream angekommen, befand der schnauzbärtige Topmanager, der zuvor mit Buhrufen und Protestschildern in der münsterschen Halle empfangen worden war. Ein Satz, so wahr und so schmerzhaft für die Partei, die in Münster nach Orientierung suchte, aber nicht recht fand.

Zetsche sagte das nicht einfach so , er belegte es auch noch , indem er den Grünen in einer ihrer Kernforderungen für diesen Parteitag beipflichtete: Diesel- und Benzinmotoren seien Auslaufmodelle, die Zukunft liege in der Elektromobilität ganz ohne Verbrennungsmotoren. Nur wann diese Zukunft beginne, da könne man unterschiedlicher Meinung sein.

Nach Beschluss der Grünen spätestens 2030, dann wollen sie Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr zulassen. Nach Zetsches Meinung , wenn es technisch möglich ist und der Kunde sich dafür entscheidet. Der Manager in Turnschuhen und Jeans bot so wenig Reibungsfläche, dass die mit Papier-Schnäuzern geschmückten Lärmmacher der Grünen-Jugend aus der Halle trotteten. Am Ende gab es für Zetsche respektvollen Applaus.

Der umstrittene Auftritt war sinnbildlich für den ganzen Parteitag, der voller Widersprüchlichkeiten war: Die Vermögensteuer soll kommen, aber nur für nicht näher definierte Superreiche. Das Ehegattensplitting soll abgeschafft werden, aber nicht für bereits geschlossene Ehen. Oder anders gesagt: Die Grünen wollen mit einer Politik der angezogenen Handbremse in den Wahlkampf ziehen. Bloß nicht wieder als Verbotspartei abgestempelt werden das scheint oberstes Ziel zu sein nach dem verkorksten Wahlkampf 2013, der den Grünen die Rolle als kleinste Oppositionspartei einbrachte.

Schreckgespenst Trump

Es lag eine spürbare Verunsicherung über dem Parteitag. Verursacht zum einen durch die eigene Identitätskrise. Zum anderen durch den Wahlerfolg von Donald Trump in den USA. In unzähligen Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, etwa in der Auftaktrede von Parteichefin Simone Peter, die den kommenden US-Präsidenten als Nationalisten und Chauvinisten″ bezeichnete. Und doch konnte er die Wahl gewinnen. Droht Vergleichbares in Deutschland?

Besonders Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann redete den Delegierten ins Gewissen: Haben wir Grüne alle mitgenommen auf unserem Weg?″, fragte er in die Halle hinein, in der es sehr still wurde. Die Partei müsste darüber nachdenken, wie sie Politik mache, ohne dabei ihre eigenen Ziele aufzugeben. Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben.″

Bastian Hermisson, USA-Chef der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung, warnte in seiner Analyse: Die Grünen müssten den Duktus der moralischen Überlegenheit ablegen″. In den USA habe sich die Überheblichkeit der progressiven Eliten gegen sie gekehrt, indem sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen genau diese Überheblichkeit an der Wahlurne aufgelehnt habe. Eine entsprechende Entwicklung sei auch in Deutschland zu beobachten.

Da klang der Aufruf von Parteichef Cem Özdemir fast trotzig : Man dürfe sich nicht ausruhen auf dem Erreichten, sondern müsse in jeder Generation neu dafür kämpfen. Weiterkämpfen für eine bessere Welt. Für Gerechtigkeit überall in der Welt″, so die pathetische Formel. Es sprach wohl auch die Sorge aus dem Vorsitzenden, dass die einst hippe Partei von einem reaktionären Zeitgeist überrollt wird.

Die Beschlüsse des Parteitags finden Sie auf noz.de/ politik

Bildtext:
Gast und Gastgeber: Daimler-Chef Dieter Zetsche (rechts) und Parteichef Cem Özdemir.
Foto:
dpa
Autor:
Dirk Fisser


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