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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Der Trend zur Urne
Zwischenüberschrift:
Bestattungskultur befindet sich im Wandel – Immer mehr Einäscherungen in Osnabrück
Artikel:
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Originaltext:
Allerheiligen und Allerseelen stehen kurz bevor. Viele Gläubige nutzen diese Tage, um an ihre verstorbenen Lieben zu denken, um auf dem Friedhof innezuhalten oder um Gräber zu pflegen. Doch wie lange noch? Die Bestattungskultur hat sich radikal gewandelt.

Osnabrück. Immer mehr Menschen lassen sich nach ihrem Tod einäschern. Einen Grund für diese Entwicklung nennt Harald Niermann, Diakon der Gemeinde Heilige Kirche″: Der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr.″ Familien wohnten heutzutage oft weit entfernt voneinander. Zudem fehlten die Zeit und oft auch das Geld, um sich um klassische Erdgräber zu kümmern.

Die Heilige Kirche″ aus Osnabrück baute darum im Jahr 2010 das Kolumbarium. Dort finden aktuell 800 Urnen Platz. Die Nachfrage ist groß. Aber wir sind kein Mausoleum″, sagt Niermann. Wir feiern Leben und Tod.″ Das Besondere am Kolumbarium: Die Urnenwände befinden sich in der Kirche und umgeben die Sitzbänke im Gemeinderaum, in dem weiterhin Gottesdienste abgehalten werden.

Erst seit den 60er-Jahren dürfen sich Katholiken überhaupt einäschern lassen. Damals hob die Kirche das ausdrückliche Verbot von Feuerbestattungen auf. Im Osnabrücker Krematorium finden 4000 Einäscherungen pro Jahr statt Tendenz steigend.

In der Hasestadt werden jährlich etwa 1500 Verstorbene auf den städtischen Friedhöfen beigesetzt, sagt Eva Güse vom Friedhofsamt. Obwohl sie das Kolumbarium und den katholischen Friedhof in Voxtrup nicht mitrechnet, sieht auch sie die deutliche Tendenz hin zur Einäscherung und Urnenbestattung. Hochgerechnet auf das Jahr 2016, rechnet Güse mit 1025 Urnen- und 405 Erdbestattungen. Das Verhältnis habe sich dabei im Laufe der vergangenen 20 Jahre gedreht.

Auch das Aussehen der Friedhöfe verändert sich. Auf den insgesamt 74 Hektar der aktiven städtischen Friedhöfe sehen Besucher immer öfter Schachbrettmuster. Wir haben neue Reihengrabfelder zwischen die Wahlgrabfelder gelegt″, sagt Güse. Weil Urnengräber weniger Platz benötigen, hat die Stadt viel Fläche zur Verfügung. Ende 2015 wurden in Eversburg Friedhofsflächen zu Bauland umfunktioniert, weil sie schlicht nicht mehr gebraucht wurden.

Eine Studie aus dem Jahr 2013, bei der 1376 Bestatter nach der veränderten Bestattungskultur befragt wurden, belegt, dass die Bestattungsart vor allem vom Einkommen bestimmt wird. Wo wenig Geld ist, wird öfter eingeäschert. Am häufigsten wird auf dem Land mit niedrigem Einkommen feuerbestattet″ (69, 3 Prozent). Die Annahme, auf dem Land würden mehr Menschen in Särgen beigesetzt, stimme zwar weiterhin, die Unterschiede zur Stadt seien aber gering.

Viele Menschen bringen als Argument für eine Einäscherung den geringeren Pflegeaufwand für die Angehörigen ins Spiel. Die Leute wollen ein Rundum-sorglos-Paket″, sagt Güse. Viele Zeitgenossen glaubten, die Grabpflege nicht bewältigen zu können. Dabei ist es nur ein Anruf pro Jahr″, entgegnet Güse. Mitarbeiter der Stadt würden die Gräber dann pflegen. Güse rät, sich vor allem eine anonyme Bestattung genau zu überlegen. Das ist dann wirklich anonym.″ Es gebe kein Namensschild, keinen Schmuck und keine genaue Angabe über den Bestattungsort. Die Leiterin der Friedhofsabteilung glaubt, es gibt oft viel Unklares zu den Wünschen der Bestattung. Ihr Plädoyer: Die Leute sollten in ihren Familien über die Bestattungsmöglichkeiten sprechen.″

Die veränderte Bestattungskultur hat zudem Auswirkungen auf die Trauerbewältigung. Pastor Thomas Herzberg, der für die Martinsgemeinde als Seelsorger arbeitet, sagt: Keiner kann vorher beurteilen, wie seine eigene Trauerkultur sein wird.″ Die Stätte auf dem Friedhof biete einen guten Anlaufpunkt. Bestatter Andreas Pietsch findet es schade, dass dieser Teil dieser unserer Kultur verschwindet″. Er glaubt, die Trauerbewältigung ist schwer ohne Grab″.

Bildtext:

Zu teuer und zu hoher Pflegeaufwand: Immer weniger Menschen wollen sich in Särgen beerdigen lassen. Drei Viertel der Toten in Osnabrück werden eingeäschert und in Urnen beigesetzt. Foto: David Ebener

Eine weitere Form der Beisetzung bietet das Kolumbarium Osnabrück. Urnen werden in der Kirche Heilige Familie″ in Urnenwänden″ beigesetzt. Foto: Michael Gründel

Sehr beliebt sind Einäscherungen und Urnenbeisetzungen. Dabei gibt es die Möglichkeit eines Urnenerdgrabs oder etwa eines Wiesengrabes. Ein schlichtes Schild erinnert an die Verstorbenen. Schmuck auf den Gräbern ist allerdings verboten. Foto: David Ebener

Eigentlich ist es nicht vorgesehen, im Bestattungswald Schmuck zu hinterlassen. Bei einzelnen Blumen machen die Gärtner aber eine Ausnahme. Foto: David Ebener

Glaubt man der deutlichen Tendenz hin zur Einäscherung, könnten Grabsteine bald der Vergangenheit angehören. Foto: David Ebener

Familienreihengräber werden heute nur noch selten gekauft. Mehr nachgefragt sind Urnengräber für Familien. Foto: David Ebener

Ein Grund für die Tendenz zur Urne: Angehörige schaffen es aus zeitlichen, finanziellen oder anderen Gründen nicht immer, die Gräber ihrer Verstorbenen zu pflegen. Foto: David Ebener

Eine weitere Form der Beisetzung bietet das Kolumbarium Osnabrück. Urnen werden in der Kirche Heilige Familie″ in Urnenwänden″ beigesetzt. Foto: Michael Gründel

Das Besondere am Kolumbarium: Leben und Tod treffen direkt aufeinander. Die Urnenwände umgeben den Kirchenraum, der von der Gemeinde weiterhin für Messen genutzt wird. Foto: Michael Gründel

Auch im Kolumbarium gibt es nur sehr reduzierten Grabschmuck. Foto: Michael Gründel

Plaketten an den Urnenwänden weisen auf die Verstobenen hin. Foto: Michael Gründel

Kommentar:

Ein Ort zum Trauern

Der Trend zur anonymen Bestattung zeichnet sich seit Jahren ab. Oft werden Geld oder Pflegeaufwand als Gründe vorgeschoben. Am Ende wird es den Hinterbliebenen schwer gemacht, mit ihrer Trauer umzugehen.

Für viele Menschen spielt der Glaube eine immer geringere Rolle. Kirchengang, Beten, christliche Werte: alles unwichtig. Hinter das Sterben soll schnell ein Haken gesetzt werden. Dieser Umgang mit dem Tod ist falsch. Ein Verstorbener bleibt den Angehörigen erhalten, und zwar in der Erinnerung. Und die Hinterbliebenen brauchen einen konkreten Ort zum Trauern.

Das Grab bietet Vorteile: Ein Friedhof dient dem Innehalten, dem Verweilen und dem Austausch mit anderen. Grabarbeit ist Trauerarbeit.

Anonyme Stätten aber lassen keinen Raum für Schmuck. Sie bieten den Menschen keinen Platz des Gedenkens. Daher sollte die Wahl der letzten Ruhestätte in der Familie besprochen werden und zwar lange vor dem Tod. Es geht nicht um Geld und Zeit, sondern um einen Ort, der die Gefühle berührt. Und viele schöne Erinnerungen wachrufen kann.
Autor:
Christian Ströhl


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