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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Mösers Wochenblättchen war schon ein modernes Medium
 
2 Gutegroschen für eine Kleinanzeige
 
Möser war nicht der Erste
 
Die Zeitung vor und nach der Revolution
 
Ratschläge eines konservativen Aufklärers
Zwischenüberschrift:
Vor 250 Jahren begann die Zeitungsgeschichte in Osnabrück
 
Vortrag über die Osnabrücker Presse
 
Justus Möser wird von seinen Verehrern als größter Sohn der Stadt Osnabrück gefeiert
Artikel:
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Originaltext:
Wenn eine Magd die Kühe zum Melken treibt, hat sie ja beide Hände frei. Dann könnte sie doch eigentlich Strümpfe stricken. Solche Gedanken äußerte Justus Möser in seinen Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″, die vor 250 Jahren zum ersten Mal erschienen. Damit begann die Zeitungsgeschichte unserer Region.

Osnabrück. Justus Möser war Herausgeber, Redakteur und Zensor in einer Person. Am 4. Oktober 1766 brachte er die erste Ausgabe seines Intelligenzblatts heraus. Vorrangig sollte es die amtlichen Bekanntmachungen der Obrigkeit unters Volk bringen. Das waren zum Beispiel landesherrliche Verlautbarungen, behördliche Vorladungen, Ankündigungen von Zwangsversteigerungen oder Steckbriefe der Policey″. Der findige Publizist nutzte seine Postille aber auch, um lokale Nachrichten zu veröffentlichen, Dialoge anzustoßen und vor allem Ratschläge zur Steigerung des Sozialprodukts zu geben.

Das Fürstbistum Osnabrück, das in etwa der heutigen Fläche von Stadt und Landkreis entspricht, hatte 115 000 Untertanen und war ökonomisch zurückgeblieben. Möser wollte die Wirtschaft ankurbeln und propagierte allerlei Rezepte, von denen er sich eine höhere Produktivität versprach. So regte er an, im Osnabrücker Land Seidenraupen zu züchten und Bohnen zur Ertragssteigerung mit der platten Seite nach unten in die Erde zu legen.

Beides war zum Scheitern verurteilt, aber das musste damals erst noch mit Versuch und Irrtum herausgefunden werden. Ins Leere ging auch Mösers Aufruf für eine Vergleichung aller Scheffel in diesem Hochstifte″, um mit einem einheitlichen Hohlmaß für Roggen oder Gerste ein Handelshemmnis aus der Welt zu schaffen. Für verbindliche Normen war die Zeit noch nicht reif.

Für eine Wochenzeitung vielleicht auch nicht. Möser hat ein modernes Medium genutzt für seine Zwecke″, sagt Winfried Siebers vom Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück. Aber das Blättchen fuhr Verluste ein, für die das Hochstift einsprang, und die Auflage sank schon in den ersten drei Monaten von 600 auf 500, später sogar auf 420 Exemplare.

Zur Zielgruppe gehörten Adel, Klerus, Bürgertum und Akademiker. In der Stadt soll etwa jeder sechzigste Einwohner Mösers Intelligenzblatt bezogen haben, auf dem Lande nur jeder fünfhundertste. Angesichts der Absatzschwäche hätte der Herausgeber den mehr als 100 Bauerschaften im Fürstbistum gern ein Zwangsabo″ verordnet, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Dabei wollte er mit seinen nützlichen Empfehlungen auch der rückständigen Landwirtschaft in seinem Einflussbereich auf die Beine helfen. Ausführliche Abhandlungen über das Dreschen bey der Leuchte″ wurden in den Osnabrückischen Anzeigen″ veröffentlicht. Brandschutz war damals ein wichtiges Thema, denn beim offenen Feuer genügte ein kleines Missgeschick, um das Stroh zu entzünden und ein ganzes Bauernhaus in Flammen aufgehen zu lassen.

Andere Abhandlungen waren ueber die Krankheiten der jungen Gänse″ zu lesen, über die Verbesserung der Malz-Darren″ und über die Frage, ob die Düngung der Äcker mit Plaggen eher zum Schaden oder Nutzen sei. Möser stieß 1767 auch einen Diskurs über die Vor- und Nachteile der Hollandgängerei an. Viele Landleute zogen damals Sommer für Sommer in die Niederlande, um als Erntehelfer das spärliche Einkommen aufzubessern. Doch damit fehlten tatkräftige Hände im heimatlichen Hochstift.

Man wünscht, daß jemand die Gründe, welche auf beyden Seiten streiten, deutlich auseinander setzen, beurteilen und in diesen Blättern mittheilen möge″, forderte Möser seine Leser auf. Nachdem die Standpunkte öffentlich ausgetauscht waren, zog der Zeitungsmann in seinen Nützlichen Beylagen″ das Fazit: Die Frage: Ist es gut, daß die hiesigen Unterthanen jährlich nach Holland gehen, wird bejahet.″

Auch für die Stadtbevölkerung hielten die Intelligenzblätter Diskussionsstoff bereit, manchmal auch Klatsch und Sensationsmeldungen. Mit missionarischem Eifer zog der Publizist über die Putzsucht der Frauenzimmer″ her. In diesem Zusammenhang stand der Putz allerdings nicht für Reinlichkeit, sondern für modische Kleidung, aufwendige Frisuren und teuren Schmuck. Eine fiktive Amalia beklagt sich in der Zeitung, ihr Stand gebiete es, dass sie ihre 13-jährige Tochter auf eine gewisse Art kleiden lasse, welche demselben gemäß ist″. Aber weil die Kosten für den Friseur die arme Tasche″ im Nu leere, müsse die Familie die ganze Woche Wasser-Suppen essen″.

Moralisch wurde Möser auch mit seinem Appell, Reicher Leute Kinder sollten ein Handwerk lernen″. Seine Begründung lautete: Wenn ein Handwerk einmal verachtet wird: So treiben es nur arme und geringe Leute, und was arme und geringe Leute treiben, das will selten Geschmack, Ansehen, Güte und Vortrefflichkeit gewinnen.″

Mit besonderer Leidenschaft nahm sich der Herausgeber des Wochenblatts die Kaffeetrinker vor. Die schwarze Bohne war teuer, ihr Import belastete die Außenhandelsbilanz des finanzschwachen Fürstbistums Osnabrück. Als Staatsmann war es Möser ein Anliegen, den Konsum des begehrten Heißgetränks zu begrenzen. Da wurde aus dem Aufklärer ein Demagoge. Wieder ließ er zweifelhafte Gewährsleute vor den Folgen warnen.

1770 zitierte er einen namentlich nicht genannten Ehemann, der den Kaffeedurst der Frauen für die Not ganzer Familien verantwortlich machte: Ich habe in meiner Nachbarschaft ein lebendiges Beispiel, daß es gar ohnmöglich sei, einer Frauen das Kaffeetrinken abzugewehnen, es wäre denn, daß man sie auf Zeit Lebens ins Zuchthaus setzen ließe.″ Und was war der genusssüchtigen Nachbarin vorzuwerfen? Drei Gebäude vom Hofe hat sie in Kaffee verkochet und ist im Begriff, das rechte Wohnhaus abzubrechen; alle Mobilien als Pferde, Kühe, Schweine, Linnen und Wollen, Kessel und Töpfe sind verrauchet.″

In Mösers Pamphleten wurde der Kaffee zur Droge wie Alkohol oder Heroin, und dann dichtete er dem Bohnentrank auch noch schädliche Nebenwirkungen an wie Blähungen, Koliken, Hypokundrie″, Nierensteine und Magenkrämpfe. In den höchsten Tönen lobte er dagegen die Segnungen von Ersatzkaffee aus gebranntem Roggen oder aus Zichorienwurzeln. Der Genuss der bitteren Alternativbrühe wurde da zur vaterländischen Pflicht. Aber alle diese Appelle konnten den Kaffee nicht stoppen.

Möser veröffentlichte seine Beiträge aus den Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″ später in seinen Patriotischen Phantasien″ und fand damit auch ein überregionales Publikum. Zu seinen Fans gehörten etwa der Schriftsteller und Physiker Georg Christoph Lichtenberg, der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim und der Geheimrat Goethe.

250 Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit von Mösers Wochenschrift. Was da als Lokalblatt für Osnabrück aus der Druckerpresse kam, hat wohl nur wenig Einfluss auf die Entwicklung des Hochstifts nehmen können, sagt aber heute noch viel aus über das Leben und Wirtschaften im 18. Jahrhundert.

Bildtext:

Vier Seiten Bekanntmachungen und lokale Nachrichten: Mit Mösers Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″ begann die Zeitungsgeschichte der Region. Wenn der Text nicht reichte, wurde die Schrift vergrößert.
So kennen wir ihn: An Justus Möser erinnert das Standbild auf der Großen Domsfreiheit.

Repro:
Historischer Verein Osnabrück
Foto:
Gert Westdörp

Osnabrück. Kleinanzeigen wurden noch nicht nach Zeilen bezahlt, als Justus Möser seine Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″ herausgab. Aber Inserate verkauften sich schon vor 250 Jahren, und eine Preisliste gab es natürlich auch: Wer etwas einrücken lassen will, muß solches Donnerstags Vormittags einschicken; und vor jeden Artikel, wenn er nicht übermäßig groß ist, 2 Gutegroschen entrichten″, teilte Möser der geneigten Kundschaft mit.

Eine sichere Basis für das Anzeigengeschäft waren die amtlichen Bekanntmachungen des Fürstbistums Osnabrück. So verkündete das Blatt 1767 eine Verordnung von König Georg III., dass jedes Kirchspiel wenigstens eine grosse Feuersprütze″ anzuschaffen habe, möglichst jedoch deren zwo″. Nach und nach wurden die Zeitungsanzeigen auch vom Publico″ entdeckt. So erschienen Stellenanzeigen unter der Rubrik Personen, so in Dienste verlanget werden″, Verpachtungen, Capitalien, so gesucht werden″ und sogar einen Gebrauchtwagenmarkt: Wenn jemand eine viersitzige noch in brauchbarem Stande stehende Kutsche mit Thür und Fenster abzustehen hat, der kann in des Dom-Herrn v. d. Bussche am Martens-Thore belegenen Wohnhause einen Käufer finden.″

Obwohl Mösers Wochenblättchen ein amtliches Mitteilungsorgan war, musste die Kasse stimmen. Ein Vierteljahresabonnement des Intelligenzblatts kostete damals 12 Markgroschen.

Osnabrück. Justus Möser war nicht der Erste, der in Osnabrück gedruckte Nachrichten herausbrachte. Der Historiker Heiko Schulze, der ein Buch über 250 Jahre Zeitungsgeschichte geschrieben hat, geht auch auf dieses Kapitel ein. Nach seinen Recherchen hat der Buchdrucker Martin Mann während der Regentschaft des katholischen Fürstbischofs Franz Wilhelm von Wartenberg (1625–1661) neben Kalendern und Missionsschriften ein frühes Nachrichtenblatt herausgebracht, das auf wunderbare Naturerscheinungen, Krieg, Teuerung, Osnabrücker, auswärtige und auch ausländische Begebenheiten merkwürdiger Art eingeht. 1656, als von Wartenberg noch einmal Landesherr wurde, betätigte sich ein gewisser Tilman Buchholz als Ihro hochfürstlichen Gnaden bestellter Buchtrücker″ und brachte Blätter im Auftrag des Fürstbischofs und der Kirche heraus.

Osnabrück. Der Historiker Heiko Schulze referiert am Dienstag, 8. November, 19.30 Uhr, in der Volkshochschule über 250 Jahre Osnabrücker Zeitungsgeschichte″. Dabei zeigt er auf, wie sich das Pressewesen in der Stadt von Mösers Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″ bis in die Gegenwart entwickelt hat.

Schulze zeichnet die Entwicklungen nach vom Osnabrücker Tageblatt″ während der 1848er-Revolution als Keimzelle demokratischer Presse über Kaiserreich, Weimarer Republik, Zensur und Gleichschaltungen während der NS-Diktatur bis zur Neuen Osnabrücker Zeitung″. Erwähnung finden auch links-alternative Konkurrenzversuche der 70er-Jahre.

Der Vortrag bildet den Auftakt zu einer Ausstellung, die Titelseiten historischer Blätter bis hin zu Kurzbiografien prominenter Macher″ präsentiert. Die Ausstellung wird vom 8. November bis zum 22. Dezember in der Volkshochschule an der Bergstraße zu sehen sein.

Osnabrück. Als Staatsmann wäre er vielleicht schon in Vergessenheit geraten, aber seine Schriften haben ihn unsterblich gemacht: Justus Möser (1720 bis 1794) war Jurist, Historiker, Schriftsteller und im Hauptberuf Verwalter des Hochstifts Osnabrück in einer Zeit, als lutherische und katholische Fürstbischöfe abwechselnd regierten. Von seinen Verehrern wird er noch heute als der größte Sohn seiner Stadt gefeiert.

Seine Patriotischen Phantasien″ gelten auch 222 Jahre nach seinem Tod als Glanzstücke deutscher Prosa. Viele Beiträge, die er in den 14 Bänden zusammenfasste, hatte er vorher in seinen Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen″ veröffentlicht, die 1766 erstmalig erschienen.

Es waren zeitgeschichtliche Betrachtungen, Briefe, Kommentare und allerlei nützliche Ratschläge für Haushalt und Landwirtschaft. So stellte sich ein von der Aufklärung beeinflusster Konservativer im 18. Jahrhundert einen modernen Staat und eine moderne Ökonomie vor.

Mösers Wirken als Staatsmann ging als Epoche der glücklichen Minderjährigkeit″ in die Geschichte ein. 1764, als König Georg III. seinen erst sechs Monate alten Sohn Friedrich von York zum Fürstbischof von Osnabrück wählen ließ, um den Welfen die Macht möglichst lange zu erhalten, übernahm der Jurist als Vertrauensmann des hannoversch-britischen Königshauses die Geschäfte. Möser wirkte im Sinne der Aufklärung, seine Politik zielte auf einen Ausgleich zwischen den Machtblöcken und Religionen.

Als Historiker machte sich der vielseitig begabte Zeitgenosse von Voltaire und Goethe einen Namen, weil er erstmalig die Geschichte einer Region schrieb, ohne die Adelshäuser in den Mittelpunkt zu stellen. Das war im 18. Jahrhundert revolutionär. Heute gelten viele seiner historischen Betrachtungen als überholt, aber dieser Umstand ist der damaligen Quellenlage geschuldet. Immerhin lieferte Möser den entscheidenden Hinweis, der in unseren Tagen zur Entdeckung des Varus-Schlachtfeldes in Kalkriese geführt hat.

Bildtext:
Staatsmann und Jurist, Historiker und Publizist: Justus Möser, ein vielseitiger Mann. auf einem Porträt von Ernst August Howind.
Repro:
Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert, pm


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