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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Aufrüstung in der Krahnstraße
Zwischenüberschrift:
Oktober 1916: Rütli-Schwur, Zinndeckel und tote Zugvögel
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Vor 100 Jahren tobte die Schlacht an der Somme. Mit über einer Million getöteter, verwundeter und vermisster Soldaten war sie die verlustreichste Schlacht der Westfront während des Ersten Weltkriegs. In all die Trauer und Entbehrungen mischten sich in Osnabrück auch Zeichen der Hoffnung auf eine baldige friedliche Zukunft.

Osnabrück. Als Beleg könnte man die aufwendige Neugestaltung des Hauses Krahnstraße 53 heranziehen. Anders als im Zweiten Weltkrieg rechnete niemand damit, dass der Feind die heimatliche Infrastruktur direkt bedrohen oder gar zerstören könnte. So ist nachvollziehbar, dass der Silber-, Stahlwaren- und Waffenhändler Heinrich Fettkötter, übrigens Gründungsvater des heutigen Unternehmens Heifo Fleischereibedarf und Kältetechnik, mitten im Krieg auf die Idee kam, seinem zuvor schlichten Haus in der Krahnstraße einen Fachwerkgiebel vorzublenden, der dem gegenüberliegenden historischen Giebel des Willmann′schen Hauses in nichts nachstehen sollte.

Das Osnabrücker Tageblatt″ schwärmt: Die schönen alten Hausgiebel unserer Stadt haben noch eine bedeutsame Bereicherung erfahren in Gestalt der in reichem Bild- und Ornamentwerk geschnitzten, dezent und fein bemalten Vorderwand.″ Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde seien in glücklicher Anlehnung an die Verhältnisse der Gegenwart″ symbolisch dargestellt, und zwar das Feuer durch ein in vollem Betrieb befindliches industrielles Werk, die Luft durch einen Zeppelin, das Wasser durch ein Kampfbild der Skagerrak-Schlacht und die Erde durch einen das Land bestellenden Bauersmann, hinter dem sich in der Ferne die Osnabrücker Türme erheben.

Andere figürliche Darstellungen bringen auf der linken Seite den Krieg, auf der rechten Seite den Frieden zum Ausdruck, wobei für die Jahreszahl des Friedens der Platz noch freigelassen ist. In großer Goldschrift liest man quer über der Giebelmitte die Worte: In des großen Weltenkrieges Brand stand neu dieses Hauses Vorderwand″. Und auch die Namen der Baubeteiligten werden der Nachwelt übertragen: Tiemann und Langewand het et upbowwet, Wulfertange het et uthowwet (ausgehauen/ geschnitzt), Wiegard het t bemalt, Fettkötter het t betalt.″ Die Zeitung resümiert: Das Ganze stellt ein edles, von Schönheitssinn, Kunstverständnis und Heimatliebe zeugendes Werk dar, das allen Beteiligten zur Ehre, der Stadt zur Zierde und den Vorübergehenden zur Freude gereicht.″

Zur Eröffnung der Spielzeit hat sich das Stadttheater etwas Besonderes einfallen lassen. Es kombiniert in einer Doppelaufführung den Rütli-Akt aus Schillers Wilhelm Tell″ mit Lessings Lustspiel Minna von Barnhelm″. Das könnte im ersten Augenblick seltsam anmuten, räumt das Tageblatt″ ein, zeigt dann aber Verständnis: Beiden so ganz verschiedenartigen Schöpfungen unserer Klassiker ist eines gemeinsam: der echt deutsche Zug, der ideale Kampf für Freiheit, Recht und Volkstum im ersten Stück, der Wettstreit von Aufopferungsfähigkeit, Edelmut und Liebe im andern.″ Zur Eröffnung der Spielzeit im dritten, schwersten Kriegsjahre″ hätte sich wohl kaum ein geeigneteres Stück finden lassen als gerade der Rütli-Akt aus Schillers deutschestem und volkstümlichstem Bühnenwerke: Denn der Rütlischwur der Schweizer Eidgenossen weist uns auf das Treugelöbnis hin, welches unser deutsches Volk seit Anfang des Weltkrieges über alle Parteiungen und Gegensätze hinweg zu einer geschlossenen Phalanx gegen eine Welt von Feinden vereinigt hat.″

Zur Sicherstellung von Kriegsbedarf ordnet das den kommunalen Selbstverwaltungen übergeordnete Stellvertretende Generalkommando eine aus heutiger Sicht kurios erscheinende Maßnahme an: Ab 1. Oktober sind alle Bierglas- und Bierkrugdeckel aus Zinn einschließlich der dazugehörigen Scharniere beschlagnahmt. Vorerst sind nur Brauereien, Gastwirtschaften, Vereine, Kasinos, Kantinen und dergleichen betroffen, Privathaushalte noch nicht. Die Einrichtungen haben ihre Bestände zu melden und dürfen nicht darüber verfügen. Sobald die Enteignung angeordnet ist, sind die Deckel von den Biergefäßen zu entfernen und an Sammelstellen abzuliefern. Der Übernahmepreis beträgt acht Mark pro Kilogramm.

Wenigstens ein Gutes hat der Krieg: Da seit Beginn des Krieges fast alle Feuerschiffe eingezogen sind und das Licht der Leuchttürme gelöscht worden ist, bleiben jetzt Tausende von Vögeln aller Art erhalten, die sonst auf ihrer nächtlichen Wanderung, vom Licht angezogen und geblendet, gegen die Scheiben oder Gitterstäbe fliegen und tot herabfallen.

Auf dem Feuerschiff Borkumriff″, dem Borkumer Leuchtturm und besonders auf dem Leuchtturm auf Helgoland wurden zur Herbst- und Frühlings-Ziehzeit Tausende von Singvögeln, Lerchen, Staren, Krummetsvögeln, aber auch Enten und andere Schwimm- und Großvögel tot aufgesammelt. Wie das Tageblatt″ berichtet, waren es in diesem Jahr vergleichsweise nur wenige.

Serie

Vor 100 Jahren

Bildtext:

Das Haus Fettkötter in der Krahnstraße mit dem im Oktober 1916 fertiggestellten neuen Giebel. Foto: Rudolf Lichtenberg jr., aus: Rolf Spilker/ Birte Tost, Lichtenberg Bilder einer Stadt II, Bramsche, 2007
Autor:
Joachim Dierks


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