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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Ein Ort, der Frieden geschaffen hat
Zwischenüberschrift:
Im Rathaus wurde vor 368 Jahren Weltgeschichte geschrieben
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Gestern sind sie wieder durch die Straßen getrabt, die kleinen Steckenpferdreiter. Jedes Osnabrücker Schulkind weiß, dass damit der Verkündung des Westfälischen Friedens von der Rathaustreppe am 25. Oktober 1648 gedacht wird.

Osnabrück. Zuvor war der heute als Friedenssaal bekannte Raum der Schauplatz jahrelanger Verhandlungen um einen Interessenausgleich zur Beendigung des Dreißigjährigen Kriegs. Doch auch, wenn es dieses welthistorische Ereignis darin nicht gegeben hätte, hätte der Saal wohl einen Baedeker-Stern verdient. Denn große Teile der Inneneinrichtung stammen noch aus der Frühzeit des 1512 fertiggestellten Rathauses. In allen Baubeschreibungen werden die Wandvertäfelungen und das mit Schnitzwerk verzierte Eichenholz-Gestühl gerühmt, das gotische Muster mit Motiven der Frührenaissance verbindet.

Zwischen den Fenstern sind die sogenannten Privilegienschreine der großen städtischen Hospitäler ins Mauerwerk eingelassen. Die Wandschränke des Aussätzigenhospitals, des Heilig-Geist-Spitals und des St.-Antonius- und Elisabeth-Hospitals sind mit figürlichen und ornamentalen Schnitzereien aus der Werkstatt des Meisters von Osnabrück geschmückt. Sie dienten den Hospitälern zur Verwahrung ihrer wichtigsten Dokumente wie Stiftungsurkunden und Rezepten. Die Wandschränke mit schlichteren Türen konnten Bürger für ihre Wertsachen mieten, sie waren die mittelalterlichen Schließfächer. Das Rathaus war das einzige Haus, das von der Stadtwache rund um die Uhr bewacht wurde.

Prunkvoller Kronleuchter

Prunkstück des Friedenssaales ist der schmiedeeiserne, rot-, blau-, silber- und goldgestrichene Kronleuchter aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Am Ende des Mittelalters, im Übergang zur Neuzeit, zeigt sein Bildprogramm noch einmal das mittelalterliche Weltbild mit Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis auf dem obersten Baldachin. Unter dem Paradies entfaltet sich auf einer zweiten Ebene das Firmament mit Sonne, Mond und Sternen. Die dritte Ebene trägt vier Figuren: Maria mit dem Jesuskind und drei Vertreter der Stände, die als Nährstand, Wehrstand und Lehrstand gedeutet wurden. An dem Reif wechseln naturalistisch geformte Lilien mit volutenartig gedrehten Kerzenträgern ab, einmal unterbrochen von einem Rundschild mit dem Wappen der Stadt. Später eingefügt wurde das Rentiergeweih eines Sechsunddreißigenders, das die schwedische Königin Christina der Stadt zur Unterzeichnung des Friedensvertrages geschenkt hatte. Der Kronleuchter im Friedenssaal zu Münster ähnelt dem in Osnabrück sehr stark, sodass zu vermuten ist, dass beide von der Hand desselben, namentlich nicht bekannten Meisters stammen.

Der städtische Repräsentationsraum erlebte seine größte Zeit zwischen 1643 und 1648, als er zum Verhandlungsraum für zeitweilig über 100 Gesandte der kriegführenden Mächte wurde. 42 Gesandten-Porträts an den Wänden setzen den wichtigsten Akteuren, den Pacificatores″ (Friedensmachern), ein Denkmal. Während in Münster die katholischen Mächte unter der Leitung Frankreichs zusammentraten, verhandelten die protestantischen unter schwedischer Führung in Osnabrück.

Diplomatischer Dünkel

Darunter waren neben den Schweden vor allem die Dänen, die protestantischen reichsfreien Städte, protestantische Fürsten und kaiserliche Abgeordnete. Als erste trafen die dänischen Gesandten in Osnabrück ein. Schweden und Spanier ließen sich Zeit, weil sie nicht vor den Franzosen einziehen wollten. Jeder versuchte, den Anschein zu vermeiden, er habe den Frieden nötiger als die andere Partei.

So ganz scheint das diplomatische Protokoll von derartigen Empfindlichkeiten noch immer nicht geheilt zu sein. Davon weiß Alt-Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip ein Lied zu singen. Er wurde kürzlich befragt, welcher Moment in seiner 15-jährigen Amtszeit als Stadtoberhaupt ihm das stärkste Herzrasen verschafft habe. Da nannte Fip die 350-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens 1998. Damals seien bekanntlich 21 Staatsoberhäupter nach Osnabrück gekommen. Wer zum Empfang im Friedenssaal noch fehlte, war Spaniens König Juan Carlos. Bundespräsident Roman Herzog habe um seine Fassung gerungen, das Protokoll kopfgestanden. Ein Diplomat kannte den Grund: Der spanische Monarch kommt grundsätzlich als Letzter. Das dortige Hofzeremoniell gebiete, dass alle anderen auf ihn zu warten haben, und nicht etwa umgekehrt. Und richtig: im allerletzten Moment sei dann Juan Carlos in seiner Staatskarosse vor dem Rathaus vorgefahren, vom Hotel Walhalla kommend. Was er schneller zu Fuß geschafft hätte, wie Fip noch anmerkte.

Für den Rat zu klein

Bis 1932 diente der erst weit nach 1648 so benannte Friedenssaal dem Rat der Stadt als Sitzungssaal, obwohl er mit dem Wachstum der Stadt, etwa durch die Eingemeindung von Schinkel und der entsprechenden Mehrung der Ratssitze, längst zu klein geworden war. Durch die Machtergreifung der NSDAP erledigte sich das Problem. Oberbürgermeister Erich Gaertner verwies am 20. März 1933 auf die Unterordnung der kommunalen Selbstverwaltung unter die Staatspolitik. Bald darauf war das Stadtparlament aufgelöst, der Friedenssaal wurde musealen Zwecken zugeführt.

Schätze ausgelagert

Beim Bombenangriff vom 13. September 1944 erhielt das Rathaus Volltreffer. Nur die ausgeglühten Außenmauern blieben stehen, das Holz des Dachstuhls und der Zwischendecken hatten dem Feuersturm reiche Nahrung geboten. Glücklicherweise waren wertvolle Teile der Ausstattung insbesondere auf Betreiben des Schriftstellers und Kulturhistorikers Ludwig Bäte ausgelagert worden. Wandvertäfelung und das spätgotische Gestühl des Friedenssaals sowie der große Deckenleuchter überdauerten im Salzbergwerk Grasleben bei Helmstedt ebenso wie die Gesandten-Porträts und das Ratssilber samt Kaiserpokal. So konnte zur Wiedereröffnung am 24. Oktober 1948 das Rathaus in seiner alten Pracht glänzen. Gleichzeitig wurde des 300. Jahrestages des Westfälischen Friedens gedacht.

Anstelle der alten Balkendecke war zunächst eine Kassettendecke als Provisorium eingezogen worden. 1987 erfolgte ein Umbau mit dem Ziel, Friedenssaal und Kleine Ratskammer wieder näher an das historische Original heranzuführen. Die Böden wurden mit Oberkirchner Sandstein ausgelegt, und die Decke erhielt Sichtbalken aus 200 Jahre alten Floßhölzern. Seither dient der Friedenssaal der Friedensstadt Osnabrück noch authentischer″ als symbolhafter Lernort der Friedensbildung.

Bildtext:

Der Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses vor der Kriegszerstörung. 1928, als das Foto entstand, diente er noch als Ratssitzungssaal. Foto: Archiv Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück

Für Empfänge und sonstige feierliche Anlässe wird der Friedenssaal heute genutzt. Das Entzünden der echten Wachskerzen im Kronleuchter erfordert einen langen Stab und eine ruhige Hand. Foto: Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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