User Online: 4 | Timeout: 17:28Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie ein Flüchtlingsjunge eine Familie in Osnabrück fand
Zwischenüberschrift:
Sozialdienst hilft unbegleiteten Jugendlichen bei der Integration
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der junge Afghane Matin Modaser wurde mithilfe des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) an eine Pflegefamilie in Osnabrück vermittelt. Auch andere gemeinnützige Einrichtungen konnten schon einige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Osnabrücker Land vermitteln.

Der 17-jährige Matin Modaser sitzt im Garten seiner Pflegefamilie im Stadtteil Sonnenhügel. Das Haus liegt in einer ruhigen Wohnsiedlung, der Garten ist im Sommer voller Blumen. Matin, der in seiner Heimat immer Angst vor Hunden hatte, streichelt die Hündin Leila der Familie B.

Seit Ende Mai lebt der Jugendliche beim Osnabrücker Ehepaar Birgitta und Martin und ihrer Tochter. Sie wollen nicht mit ihrem vollen Namen in der Zeitung stehen und auch nicht mit aufs Bild. Auf Kommentare wie Diese Gutmenschen wieder″ hätten sie keine Lust, sagt Birgitta B. Dabei kann man das, was sie für die Integration des jungen Matin tun, nicht anders als gut bezeichnen.

Der Berufsschullehrer und die gelernte Krankenschwester unterstützen den Afghanen beim Deutschlernen, lassen ihn an ihrer Freizeit teilhaben, meldeten ihn in der Schule an, vermittelten ein Praktikum in einem Altenpflegeheim während der Sommerferien. Das Ziel ist der Hauptschulabschluss. Danach wollen sie ihm bei der Ausbildung zum Sozialpfleger unter die Arme greifen. Unsere Intention war es, eine Starthilfe zu geben″, sagt die Pflegemutter, die schon seit einem Jahr als ehrenamtliche Lernhelferin im Osnabrücker Flüchtlingshaus arbeitet. Sie ist katholisch, hat aber muslimische Freunde.

Durch Vermittlung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) lernten sie Matin im April kennen. Zuvor hatten sie sich als Pflegeeltern beworben, Unterlagen wie Schufa-Bescheinigung, ärztliche Atteste und polizeiliches Führungszeugnis eingereicht und einen interkulturellen Kurs mitgemacht.

Im ersten Anlauf wurde ihnen ein anderer minderjähriger Afghane vorgestellt, der sich aber als schwierig herausstellte. Der Junge konnte sich nur in Ein-Wort-Sätzen äußern und soll auch bei dem zweiten und dritten Treffen im Abstand von zwei Wochen keine sprachlichen Fortschritte gezeigt haben. Ein Analphabet hätte die Familie ehrlich gesagt überfordert, die Zeit hätte ich nicht gehabt″, sagt Martin B. Sie entschieden sich für Matin Modaser, der schon in Afghanistan neun Jahre zur Schule gegangen war und Englisch spricht.

Die Kommunikation laufe gut. Wir reden viel. Das erleichtert es ungemein″, sagt Birgitta B. Der Junge lerne gut, sei eifrig, lese gerne, erzählt Pflegevater Martin. Sein Deutsch werde immer besser. Manchmal blättere er in der NOZ. In ein Vokabelheft trägt er jeden Tag fünf neue Worte ein. Jeden Tag liest er etwas vor, was ihn am Anfang Überwindung gekostet hat. Deutsch ist schwer, aber ich mag es″, sagt der Junge.

Über seine Flucht redeten die Pflegeltern mit Matin nur wenig, sie wollten ihn nicht damit belasten. Papiere und Handy hatte der Junge bei seiner Flucht vor den Taliban in Afghanistan übers Mittelmeer verloren. Dass er tatsächlich noch minderjährig ist, sieht man an seinem noch kindlichen Gesicht, beweisen kann man es aber nicht. Matins Vater wurde 2005 von Taliban ermordet. Der Bruder ist durch einen Selbstmordattentäter in Kabul getötet worden. Seine Mutter und die vier Schwestern blieben in Afghanistan zurück. Ich glaube, es ist sehr schwer, ohne Eltern in einer fremden Umgebung zurechtzukommen″, sagt Birgitta B.

Matin hätte jedoch gern mehr Kontakt zu anderen Jugendlichen. Er spielt zwar Fußball in einem kleinen Verein, doch die Freundschaft zu Jungen in seinem Alter gestalte sich schwierig, nicht nur wegen Sprachbarrieren. Alkohol, Zigaretten und Technomusik, was deutsche Jugendliche in seinem Alter so interessiert, sind ihm fremd. Mit der 17-jährigen Tochter Hanna, die im Haus wohnt, gebe es wenig Anknüpfungspunkte. Beim Abi-Ball der Tochter sah er zum ersten Mal Frauen und Männer zusammen feiern. Es war ein komisches Gefühl für ihn.

Der SkF hat seit diesem Frühjahr fünf afghanische Jungen in Pflegefamilien vermittelt, zwei in der Stadt Osnabrück und drei im Landkreis. Eine Anfrage laufe gerade noch. Zehn bis zwölf Familien befänden sich in Auswahlgesprächen und vorbereitenden Schulungen. Es gab auch mindestens drei Fälle, bei denen die Vermittlung scheiterte, weil die Jugendlichen ihre Meinung änderten. Sei es, weil in der Familie auch junge Mädchen lebten, sei es, weil sie eine andere Vorstellung von Familie hatten. Im Moment gebe es keine Mädchen unter den Anwärtern auf eine Gastfamilie.

Insgesamt kamen in Stadt und Landkreis Osnabrück seit Anfang des Jahres zwölf unbegleitete minderjährige Ausländer (UmA) bei Pflegeeltern unter, der jüngste von ihnen war 15 Jahre alt. Der Internationale Bund (IB) Osnabrück fand für zwei 16-jährige afghanische Jungen ein neues Zuhause. Eine dritte Aufnahme bahnt sich gerade an. Weitere vier bis fünf Familien zeigen Interesse″, sagt IB-Geschäftsführer Ludger Wortmann, der bisher deutsche Waisen an Pflegefamilien vermittelt hat und sein Aufgabenfeld im Zuge der Flüchtlingskrise erweiterte.

In den Sommerferien nahmen die unbegleiteten Flüchtlingsjungen zweimal in der Woche an Sprachkursen teil. Die Betreuer machten mit ihnen praktische Übungen wie Einkaufen und alleine Kochen. Aber sie sprachen mit ihnen auch über den Amoklauf des afghanischen Jungen in Würzburg. Sie wollten wissen, wie die Jugendlichen den Vorfall sehen, ob sie sich erklären können, was in dem Jungen vorgegangen sein könnte. SkF und IB gingen aber davon aus, dass es sich bei den Anschlägen um Einzelfälle handelt. Man darf das nicht generalisieren″, sagte Wortmann.

Aber letztlich müsse auch jeder Deutsche schauen, was die eigenen Kindern im Internet machen. Die beste Entradikalisierung ist das Zusammenleben in einer Familie und Sicherheit und eine Perspektive zu haben″, sagen A. und P., die durch Vermittlung des IB einem jungen Afghanen ein neues Zuhause in Hasbergen gegeben haben.

Bildtext:

Matin Modaser im Garten seiner Osnabrücker Pflegeeltern. Foto: Michael Gründel

Familie B. nahm den minderjährigen Matin im Frühjahr 2016 bei sich auf. Foto: Michael Gründel

Der junge Flüchtling kocht gern und unternimmt mit Familie B. längere Fahrradtouren. Foto: Michael Gründel
Autor:
Claudia Scholz


Anfang der Liste Ende der Liste