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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als im Schuhladen geröntgt wurde
Zwischenüberschrift:
Drei Generationen der Familie Goldbecker verkauften an der Hasestraße
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
In den goldenen Zeiten des inhabergeführten Einzelhandels war die Hasestraße geradezu eine Schuh-Meile. Wenn man vom Hasetor einbog, stand man erst vor den Schaufenstern von Runnebaum, dann von Sunderdiek und dann von Adolf Goldbecker, Hasestraße 44.

Osnabrück. Die Konkurrenz beflügelte das Geschäft, die Kundschaft profitierte″, ist sich der heute 69-jährige Adolf Goldbecker sicher, der in dritter Generation das Geschäft bis zur Aufgabe 2008 führte. Wir hatten das bequemere Sortiment, Runnebaum das modischere, insofern ergänzten wir uns gut″, so Adolf der Dritte, der den gleichen Vornamen wie Großvater und Vater trägt.

Wenn mal eine bestimmte Schuhgröße fehlte, dann telefonierte man miteinander. Und die kollegiale Hilfe ging sogar noch weiter: Wenn bei Sunderdiek mal wieder einer ins Schaufenster hineingefahren war, weil der Laden vor der Verbreiterung der Hasestraße äußerst gefährdet in der Engpass-Kurve lag, dann kamen Goldbeckers, halfen beim Bergen der Schuhkartons und lagerten sie vorübergehend bei sich ein.

Adolf I. gründete das Schuhgeschäft 1895. Erster Standort war Hasestraße 2, gegenüber dem heutigen Hasetorkino. Der Umzug zur Hasestraße 44 war mit einer wesentlichen Ausweitung verbunden. Ursprünglich vier Häuser, zwei zur Hasestraße und zwei zur Großen Domsfreiheit gelegen, wurden zu einem Komplex verbunden. Eine Ansichtskarten-Serie, die der fotobegeisterte Adolf II. (1898–1973) in den späten 1930er-Jahren aufgelegt hatte, zeigt auch eine Innenaufnahme der Werkstatt. Drei Schuhmacher-Gesellen erledigten Reparaturaufträge, beaufsichtigt von Schuhmachermeister Adolf I. im weißen Kittel. Eine Poliermaschine mit Elektromotor und breiten Transmissionsriemen stand bereit, dazu Klebepressen und was man sonst noch alles für das Ausüben des ehrbaren Handwerks brauchte. Ende der 1950er-Jahre wurde die Werkstatt aufgegeben. Die Verkäuferinnen durften aber weiter Reparaturaufträge annehmen. Die Schuhe wurden nach Ankum geschickt, wo der letzte Meister seinen Ruhestand verlebte. Adolf III. erinnert sich, dass er als Schüler häufig Pakete auf dem Fahrrad zum Hasetorbahnhof balancieren musste, von wo aus sie auf die Reise nach Ankum gingen.

Der Blick in den Verkaufsraum überrascht im Vergleich zu heute insofern, als keine ausgepackte Ware zu sehen ist, sondern nur Wände voller gestapelter Kartons für die Anschauung gab es ja die Schaufenster. Jede Angestellte wusste ganz genau, wo welches Modell in welcher Größe zu finden war, es herrschte eine penible Ordnung, sonst wäre man verloren gewesen″, beschreibt Adolf III. das System. Schuhe waren weniger der Mode unterworfen als heute. Manche zeitlose Standardmodelle konnte man über zehn Jahre unverändert nachkaufen.

In der Nische rechts stand ein Fluoroskop. In der Zeit von etwa 1930 bis 1970 kam kein gehobenes Schuhgeschäft ohne so ein Gerät aus. Mithilfe des Fuß-Röntgen-Apparates überprüften Verkäufer die Passgenauigkeit der Schuhe. Vor allem Kinderfüße kamen in den aus heutiger Sicht zweifelhaften Genuss, um den Nachwuchs nicht etwa in zu enge Fußbekleidung zu zwängen. Drei Okulare ermöglichten dem Kind selbst, der Mutter und dem Verkäufer, die Passform zu beurteilen. Es war die große Attraktion beim ansonsten langweiligen Schuhkauf, wenn man die Zehen bewegen und synchron dazu die grünlich schimmernden Knochen beobachten konnte. Je nach Dauer der Prozedur bekamen alle Schaulustigen bis zum Zwanzigfachen der Strahlenbelastung einer modernen Thorax-Aufnahme ab das Verkaufspersonal entsprechend gehäuft. Als sich Ende der 1960er-Jahre die möglichen Nebenwirkungen herumgesprochen hatten, verschwand das Gerät auch bei Goldbecker aus dem Laden.

Mangels einer Nachfolgeoption gab Adolf III. 2008 den Schuheinzelhandel auf. Er vermietete an ein Geschäft für Wasserbetten und an einen Zoo-Shop. 2012 verkaufte er die Immobilie. Ein Investoren-Trio baut derzeit um, die neue Nutzung ist noch nicht bekannt.

Bildtext:

Eine Investorengruppe hat die Immobilie 2012 erworben und richtet sie derzeit für eine neue Nutzung her. Foto: Martens.

Das Schuhhaus Goldbecker präsentierte sich Ende der 1930er-Jahre mit einer stolzen Schaufensterfront. Die beiden historischen Ansichtskarten des Verlags Rudolf Fuhrmann (Hannover) entstammen der Sammlung von Peter Berning.

Der Verkaufsraum beeindruckte in den 1930ern durch Wände voller Kartons. Ausgepackte Ware war nicht zu sehen. In der Nische rechts stand ein Fluoroskop.
Autor:
Joachim Dierks


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