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Der Neumarkt wird für den Autoverkehr gesperrt. Das ist die einzige sichere Erkenntnis nach der Kommunalwahl in Osnabrück. Im neuen Stadtrat werden acht Parteien und Wählergruppen vertreten sein. Als Wahlsiegerin darf sich die CDU fühlen. SPD und Grüne verlieren deutlich. Osnabrück. Im neuen bunten Rat der Stadt Osnabrück ergeben sich keine klaren Mehrheitsverhältnisse. SPD und Grüne, die eine Zählgemeinschaft bilden, verfügen zusammen nur noch über 22 der 51 Ratsmandate. Die SPD, die 24, 9 Prozent holt, verliert fast fünf Prozentpunkte im Vergleich zur Kommunalwahl 2011. Auch die Grünen büßen etwas mehr als drei Prozentpunkte ein und kommen auf 18, 1 Prozent. Sie erringen neun Sitze. Stärkste Fraktion bleibt mit 37, 5 Prozent und 19 Sitzen die CDU, die als einzige der großen Parteien deutliche Gewinne um fast drei Punkte verbuchen konnte. Hinter den großen Blöcken tummeln sich fünf kleine Gruppe. Die FDP gewinnt ein Mandat hinzu und ist nun zu dritt dabei. Die Linken erringen wie vor fünf Jahren zwei Mandate. Neu auf der politischen Bühne ist der Bund Osnabrücker Bürger (BOB), der zwei Sitze errang – und damit ebenfalls Fraktionsstärke hat. Der Bürgerbund ist als Protestbewegung aus einer Facebook-Gruppe entstanden, die sich für eine Öffnung des Neumarktes für den Autoverkehr einsetzte. Die Piraten und die UWG entsenden jeweils einen Vertreter. Das muslimische Bündnis für Innovation (BIG) verpasste hingegen den Einzug ins Rathaus, ebenso die Demokratische Mitte Deutschlands (DMD). Die AfD war in Osnabrück nicht angetreten. Im Landkreis Osnabrück dagegen hat die Alternative für Deutschland den Sprung in den Kreistag geschafft. Nach Auszählung der 423 Wahlbereiche erreichte die AfD 5, 5 Prozent. Stärkste Fraktion bleibt mit 40, 8 Prozent die CDU, gefolgt von der SPD mit 29, 4 und den Grünen mit 10, 5 Prozent. Alle drei Parteien verloren zwischen zwei und drei Prozentpunkte. FDP, UWG und Linke erzielten jeweils vier Prozent. Das Abschneiden der AfD wurde in ganz Niedersachsen mit Spannung beobachtet. In einigen Kommunen des Landes kam die AfD nach vorläufigen Zahlen auf zweistellige Ergebnisse – unter anderem in Delmenhorst (15, 1 Prozent). „ Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Die AfD ist jetzt in Niedersachsen ein politischer Faktor″, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Sonntagabend. Seine Partei lag zumindest bei den Direktwahlen von sechs neuen Landräten in den meisten Landkreisen vorn. Bereits im ersten Wahlgang sicherten sich Matthias Groote in Leer (56, 8 Prozent) und Holger Heymann in Wittmund (54, 5 Prozent; beide SPD) den Posten. Im Landkreis Hildesheim lag der SPD-Politiker Olaf Levonen uneinholbar vorn, ebenso verteidigte der Peiner Landrat Franz Einhaus sein Amt. Die Wahlbeteiligung war nach Hochrechnungen vom Spätnachmittag mit 44, 3 Prozent exakt so hoch wie vor fünf Jahren, so die Landeswahlleitung. Wegen des gestiegenen Interesses für die Briefwahl in großen Städten könnte sie aber auch deutlich höher liegen. Niedersachsen hat gewählt: Alle Ergebnisse, Analysen und Hintergründe, Reaktionen und Kommentare sowie Grafiken und interaktive Karten, Fotos und Videos vom Wahlabend finden Sie laufend aktualisiert auf noz.de Bildtext: Die Wahlsieger: Fritz Brickwedde feiert mit Mitgliedern der CDU und der Jungen Union das gute Abschneiden in Osnabrück. Foto: Michael Gründel Kommentar Niedersachsen rückt nach rechts Die Partei der Stunde ist auch in Niedersachsen die AfD. Die selbst ernannte Alternative für Deutschland hat ihr Ziel erreicht und ist teilweise mit zweistelligen Ergebnissen in die lokalen Parlamente eingezogen. Die Partei hätte vermutlich noch stärker gepunktet, wäre der ehemals massive Flüchtlingsstrom nach Deutschland inzwischen nicht gemildert worden. Die Flüchtlingskrise, aber auch die islamistisch motivierten Terrorattacken in Deutschland und Frankreich haben der rechtspopulistischen Partei in Niedersachsen Auftrieb gegeben. Ob der AfD auf lange Sicht das Pulver ausgeht – wer vermag dies schon zu sagen? In Niedersachsen fehlte der Partei mancherorts noch das Personal, um überall Kandidaten aufzustellen. Städte wie Osnabrück, Emden und Salzgitter bleiben daher weiter AfD-frei. Aber wohl nur mangels personeller Ressourcen. Das könnte sich auch hier bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 ändern. Verliert die AfD allerdings ihr wichtigstes Thema, die Flüchtlings- und Asylpolitik, will niemand mehr ihre Antworten zu den Themenkomplexen innere Sicherheit, Bildung oder Wohnraummangel hören. Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September wird weitere Antworten auf die Frage nach der Stärke der AfD liefern. Bleibt nach Mecklenburg-Vorpommern der Trend bestehen, dass die Großen schrumpfen und die AfD Karriere macht, dürften politisch bewegte Zeiten ins Haus stehen. Die CDU feierte am Sonntagabend in der Lagerhalle ihren Wahlsieg, doch ein Wermutstropfen trübte die Champagnerlaune: Der Zugewinn von fast drei Prozentpunkten und einem Sitz reicht nicht, die Freigabe des Neumarktes für den Autoverkehr durchzusetzen. Osnabrück. Für Oberbürgermeister Wolfgang Griesert wird das Regieren nicht leichter. Der CDU-Mann muss mit einer Ratsmehrheit zusammenarbeiten, die noch bunter geworden ist. Wohl nie zuvor haben so viele verschiedene Parteien und Gruppen Mandate im Rat der Friedensstadt errungen. Eine Fünf-Prozent-Hürde wie bei Bundes- und Landtagswahlen gibt es auf kommunaler Ebene nicht. Der Einzug des Bundes Osnabrücker Bürger (BOB) kommt dabei nicht überraschend. Die Gruppe, die aus dem Stand knapp vier Prozent holte, besetzte mit der Verkehrspolitik das Kernthema dieses Wahlkampfes und sammelte wohl vor allem unzufriedene Autofahrer um sich. Die Reizthemen Verkehr und Neumarkt-Sperrung mobilisierten offenbar die Wähler. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 51 Prozent und damit deutlich über der von 2011, als nur 45 Prozent der Wähler ihre Stimmen abgaben. War es auch die Verkehrspolitik, die SPD und Grüne Stimmen kostete? Tatsache ist: Die Wähler straften die rot-grüne Zählgemeinschaft ab. Die SPD, die knapp fünf Prozentpunkte verlor, ist die Verliererin dieser Wahl, die Grünen büßten knapp drei Prozent ein. Sollten SPD und Grüne ihre Zählgemeinschaft fortsetzen, reicht es mit 22 Mandaten nicht zu einer Mehrheit. Das beste Einzelergebnis aller Kandidaten erzielte CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde mit etwas mehr als 2000 Stimmen. Auf Platz zwei folgt Burkhard Jasper (CDU) mit rund 1800 Stimmen. Jasper zeigte sich während der Wahlparty in der Lagerhalle gut gelaunt. Der Zugewinn der CDU entgegen dem Bundestrend sei ein deutliches Signal, dass die Osnabrücker Christdemokraten mit ihren Themen und Kandidaten richtig gelegen hätten.„ Es war eine Abstimmung über den Neumarkt″, betonte der SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Frank Henning. Der Innenminister und ehemalige Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD) übte Kritik an seiner Osnabrücker SPD: Sie müsse das Sozialdemokratische wieder stärker in den Mittelpunkt ihrer Ratsarbeit stellen: „ Aber das habe ich schon vor zehn Jahren gesagt.″ Bildtext: Wahlparty in der Lagerhalle. Die Ergebnisse der Kommunalwahl werden auf einer Leinwand präsentiert und auf dem Podium diskutiert. Foto: Michael Gründel Osnabrück. Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) freut sich über das gute Abschneiden der Christdemokraten in der Hasestadt. Die CDU habe hier entgegen dem bundesweiten Trend ihre Position ausbauen können. Für Griesert spielen hier auch die Stimmen für den Bund Osnabrücker Bürger (BOB) eine gewichtige Rolle, dessen Stimmen durch seine Nähe zur CDU dem Lager der Christdemokraten zugeschlagen werden könnten. Dass mit dem Wahlergebnis auch eine endgültige Entscheidung über den Neumarkt – das beherrschende Thema im Kommunalwahlkampf – gefallen ist, sieht Osnabrücks OB so eindeutig nicht. „ Wir müssen das Verfahren abwarten″, so Griesert, der aber einräumt, dass die neue Ratszusammensetzung in der politischen Entscheidung keine Veränderungen herbeiführen wird. Allerdings, so Griesert weiter, bleibe abzuwarten, welche Einwendungen es aus dem öffentlichen Raum im weiteren Verfahren der Umwandlung des Neumarktes in eine Fußgängerzone noch geben werde. Als Wahlleiter betonte Griesert, dass ihn vor allem die gegenüber der letzten Kommunalwahl angestiegene Wahlbeteiligung freue. Gleichzeitig bedankte er sich bei den freiwilligen Wahlhelfern, die einen guten Job gemacht hätten. Bildtext: OB Griesert Foto: Gründel Osnabrück. Die Wahlprognose der Schüler des Gymnasiums „ In der Wüste″ führte in einem Punkt in die Irre. Sie hatten den Grünen einen deutlichen Stimmengewinn von rund drei Prozent vorhergesagt. Das Gegenteil ist eingetreten. Bei den anderen Parteien lagen die Wüsten-Schüler näher an der Realität. Der CDU sagten sie Zugewinne voraus, der SPD schmerzhafte Verluste. Und die Prognosen für die kleinen Parteien wie FDP, Linke, UWG und Piraten waren sogar ziemlich treffsicher. Lehrer und Projektleiter Thorsten Fraas lobte am Abend das Engagement der 55 Schüler der Jahrgänge 9 bis 12, die fast 3500 Wähler befragt hatten. Bei allen Parteien – die Grünen ausgenommen – wichen die Prognosen um zwei Prozent oder weniger vom tatsächlichen Ergebnis ab. „ Ein Wert, der in der Wahlforschung als Fehlertoleranz gängig ist und im Vorfeld auch als Maßstab herausgegeben wurde″, sagte Fraas. Vor 20 Wahllokalen hatten die Schüler am Sonntag die Wähler befragt, und zwar jeden zweiten. „ Das ist wichtig, denn sonst würden die Ergebnisse verfälscht″, erklärte Judith. So verhindere man nämlich, dass bei der Stichprobe Ehepaare erwischt werden, die oftmals gleich oder ähnlich abstimmen. Der Fragebogen enthält Fragen zum Stimmverhalten bei der heutigen, aber auch bei der Wahl 2011. „ So werden wir sehen können, ob eine Wählerwanderung stattgefunden hat″, sagt Lehrer Thorsten Fraas, der das Projekt vor zehn Jahren zum ersten Mal anbot. Auch eine Frage zu der Verkehrsführung am Neumarkt ist enthalten. So geben die Wähler ihre Meinung dazu ab, ob der Neumarkt ganz, nur für Pkw oder gar nicht gesperrt werden sollte. Das Ergebnis wollen die Schüler Anfang der Woche mitteilen. Bildtext: Punkt 18 Uhr: die Prognose der Wüsten-Schüler auf der Leinwand in der Lagerhalle. Foto: Michael Gründel Kommentar Erfahrung mit wechselnden Mehrheiten Die CDU hat ihr erstes Wahlziel, stärkste Fraktion zu bleiben, sicher erreicht. Das ganz große Ziel allerdings haben Brickwedde & Co. verfehlt: Das Ergebnis reicht nicht, um die Entwicklung am Neumarkt selbst in die Hand zu nehmen. Dabei haben die Christdemokraten genau auf dieses Pferd gesetzt. Mit fast beispielloser PR-Macht versuchte sich die CDU als die Partei zu profilieren, die den Neumarkt öffnet. Mit dieser klaren Ansage und der Konzentration auf lokale Themen koppelte sich die Stadt-CDU vom negativen Bundestrend der Partei ab. Flüchtlingspolitik und Merkel-Dämmerung spielten im Osnabrücker Wahlkampf keine Rolle – auch weil es hier keine vernehmbare Stimme der AfD gibt. Mit dem Bund Osnabrücker Bürger (BOB) hat die CDU – zumindest in der Verkehrspolitik – einen kleinen Partner an ihrer Seite. Eine Zusammenarbeit darüber hinaus scheint unwahrscheinlich, weil der Bürgerbund im Wahlkampf großen Wert drauf gelegt hat, sich vom politischen Establishment zu distanzieren. BOB nährte sich wohl vor allem aus dem Lager der Nichtwähler, die sich durch die Verkehrs- und Neumarktdebatte mobilisieren ließen. Ein Indiz ist die relativ hohe Wahlbeteiligung. Aber auch zusammen können CDU und BOB die Regenbogenfraktionen nicht aufhalten. Der Wähler hat entschieden: Der Neumarkt wird autofrei. Gut, dass diese Frage endlich entschieden ist. Rechnerisch wäre eine Große Koalition von Christ- und Sozialdemokraten möglich, politisch aber wohl kaum, auch weil sich die SPD nicht darauf einlassen wird, den CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Griesert zu stützen. Auf der anderen Seite haben es SPD und Grüne nicht geschafft, die in der vergangenen Periode verlorene Mehrheit zurückzuerobern. Droht nun fünf Jahre Stillstand, weil der Rat zersplittert und keines der großen politischen Lager stark genug ist, um Entscheidungen mit eigener Kraft durchzusetzen? Mitnichten. Der Osnabrücker Rat ist darin geübt, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. Und dieses Wechselspiel, das haben wir in den zurückliegenden Wahlperioden gelernt, ist in der Kommunalpolitik gewiss kein Nachteil. Der Wahlkampf war hart, aber fair, und frei von persönlichen Attacken. Es bleiben keine Verletzungen zurück, die den Start des neuen Rates hätten belasten können. Die Fraktionen haben oft bewiesen, dass sie – trotz aller inhaltlichen Gegensätze – zu Kompromissen fähig sind. Das macht das Regieren nicht einfacher, aber spannender. Enttäuschte Gesichter bei der SPD, die immerhin etwas anderes feiern konnte: Der Osnabrücker Tiemo Wölken rückt ins Europaparlament nach. Osnabrück. Rauschender Applaus im Spitzboden der Lagerhalle. In einem der früh ausgezählten Wahllokale hatten 49 Prozent die SPD gewählt. Das war ein kurzes Zwischenhoch, denn nach der Wahlprognose der Schüler des Gymnasiums „ In der Wüste″ gab es wenig Grund zum Jubeln. Um den Monitor mit den sehr schleppend einlaufenden Auszählungen ballte sich immer eine Traube. Einzelne Ratskandidaten interessierten sich für ihr ganz persönliches Abschneiden in ihrem Wahlkreis und Wahllokal. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius schaute ebenfalls im Spitzboden vorbei, der sich innerhalb kürzester Zeit in einen Schwitzboden verwandelt hatte. Der ehemalige Oberbürgermeister übte Kritik an seiner Osnabrücker SPD: Sie müsse das Sozialdemokratische wieder stärker in den Mittelpunkt ihrer Ratsarbeit stellen: „ Aber das habe ich schon vor zehn Jahren gesagt.″ Auch die größten Optimisten sahen während der fortschreitenden Informationen aus immer mehr Wahllokalen und - kreisen ein, dass die Wahlprognose der Gymnasiasten zumindest für das Abschneiden der SPD sehr richtig gewesen war. Verantwortlich für die Verluste machten viele wie die frühere Oberbürgermeisterkandidatin Birgit Bornemann die zu diesem Zeitpunkt noch schlechte Wahlbeteiligung. „ Uns ist es nicht gelungen, mehr Wähler an die Urne zu bringen″, hieß es. „ Das ist schade, weil wir alle uns so eingesetzt haben″, fasste Kerstin Lampert-Hodgson die Meinung vieler zusammen. Unterdessen verfolgte Tiemo Wölken vor dem Spitzboden eine ganz andere Wahl. Der Europaabgeordnete Matthias Groote kandidierte in Leer als Landrat – und gewann. Damit rückt der 30-jährige Osnabrücker Jurist in das Europaparlament nach. Unter lautem Jubel der Genossen verkündete die Kreisvorsitzende Antje Schulte-Schoh die Neuigkeit. Der zweite große Applaus dieses Abends nach dem einzelnen Wahlergebnis zu Beginn.„ Immer und überall ging es nur um den Neumarkt″, klagte Schulte-Schoh. Für die wirklich wichtigen Schwerpunkte ihrer Partei, Wohnungs-, Bildungs- und Sozialpolitik, hätten sich die Wähler bei den vielen Begegnungen kaum interessiert.„ Es war eine Abstimmung über den Neumarkt″, betonte auch der SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Frank Henning. Genau deshalb betrachte er das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Damit meinte er einerseits die recht klaren Stimmverluste seiner Partei. Zugleich aber zeige die Abstimmung, dass es bei den Bürgern der Stadt eine deutliche Mehrheit für die Neumarkt-Sperrung gibt, wenn auch verteilt auf verschiedene Parteien. Die CDU habe mit der Fokussierung auf dieses Thema zwar Erfolg gehabt, aber nicht gewonnen. Für Henning bedeutet der Wahlausgang: „ Der Neumarkt bleibt dicht.″ Osnabrück. Die Osnabrücker Grünen haben im Vergleich zur Kommunalwahl 2011 2, 87 Prozent der Stimmen abgeben müssen. Bei der diesjährigen Wahl reichte es nur für 18, 15 Prozent. Das ist zwar bitter, scheint aber nicht unerwartet gewesen zu sein. „ Wir haben 2011 von dem bundesweiten Hoch der Partei profitiert″, so der Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Hagedorn. Damals hatten nach dem Tsunami in Japan und – in dessen Folge – der Reaktorkatastrophe in Fukushima die Grünen auch bundesweit ein Allzeithoch erlebt. Dass es dieses Mal nicht für ein ähnliches Ergebnis reichen würde, mag Hagedorn wohl schon geahnt haben, als die Prognose der Schüler aus dem Gymnasium „ In der Wüste″ bekannt gegeben wurde. Die sahen die Grünen bei etwa 23 Prozent. „ Es wäre schön, wenn das so bliebe″, bemühte er den Konjunktiv – und behielt am Ende recht mit seiner Vermutung, dass die Zahlen doch schlechter ausfallen würden. Seine Partei habe versucht, auch andere Themen wie Bildung und Wohnungsbau in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu rücken, so Hagedorn. Die Grünen hätten im Wahlkampf versucht, deutlich zu machen, dass es um mehr gehe als nur den Neumarkt. Seine Partei sei derzeit bundesweit nicht erfolgsverwöhnt, insofern sei das Abschneiden der Osnabrücker Grünen positiv zu bewerten. „ 18 Prozent sind ein achtbarer Erfolg.″ Dieser Erfolg sei auch ein Lohn der Arbeit, die die Grünen in der vergangenen Wahlperiode im Rat abgeliefert hätten. Die Grünen hätten mit allen Kräften im Rat in der vergangenen Wahlperiode bei vielen Sachthemen gut zusammengearbeitet. Dies sei eine gute Voraussetzung für eine sachgerechte Politik in den kommenden fünf Jahren. Osnabrück. Um ein gutes Prozent zugelegt und einen Sitz dazugewonnen: Für die FDP gab es an diesem Wahlabend nichts zu meckern, höchstens, dass sie von der CDU in die Ecke der Lagerhallen-Empore gedrängt worden war. Für den Ratsfraktionsvorsitzenden Thomas Thiele gab es besonderen Grund zur Freude: In seinem Wahllokal hatte er sogar mehr Stimmen als die SPD bekommen. Und obwohl er ebenso wie alle Anderen in allen Parteien beklagte, dass im Wahlkampf durch die Zuspitzung auf den Neumarkt wichtige lokalpolitische Themen in den Hintergrund gerückt seien, freute er sich in erster Linie darüber, dass sich eine Mehrheit der Osnabrücker für die dauerhafte Sperrung des Neumarktes ausgesprochen habe.„ Wenn jetzt noch die Pläne der FDP umgesetzt werden und die Busse verschwinden, dann kann der Neumarkt wirklich zu einer Wohlfühloase werden″, meinte Thiele und fügte an: „ In der Kommunalpolitik muss man wirklich einen langen Atem haben. Wir haben schon 1999 einen Antrag zur Sperrung des Neumarktes gestellt.″ Während Thiele schon seinen Wiedereinzug in den Rat feiern konnte, ging beim Einlaufen der Ergebnisse hin und her. Mal hatte Moritz Gallenkamp einen Sitz, dann wieder Robert Seidler, der schon einmal dem Rat angehört hatte, oder Oliver Hasskamp, der in der vorvergangenen Periode bereits Ratsmitglied war. Hasskamp wurde zur Wahlparty begleitet von seinem Nachbarn Tobias Büter, der als Parteiloser auf Platz 10 der FDP-Liste für den Rat kandidiert hatte. Er wollte sich das Treiben am Wahlabend ganz genau anschauen, ehe er sich dafür entscheidet, ob er mit der Politik ernst macht. Von der Empore konnte Büter den Trubel in der Lagerhalle perfekt beobachten. Osnabrück. Sein Bruch mit Giesela Brandes-Steggewentz ließ in der abgelaufenen Wahlperiode die Fraktion der Linkspartei platzen. Unter Flagge der Osnabrücker Piraten trat Christopher Cheeseman (parteilos) nun erneut zur Kommunalwahl an – mit großem Erfolg: Er holte für die Piraten die meisten Stimmen in der Stadt. Ob er am Ende tatsächlich auf dem einen gewonnenen Sitz im Rat Platz nehmen darf, ist allerdings offen. Den offiziellen Ergebnislisten zufolge zieht Nils Ellmers ins Parlament der Stadt ein. Das letzte Wort habe jetzt die Partei, erklärte auf Nachfrage unserer Redaktion Ralf ter Veer, der bislang die Piraten im Rat vertrat. Sie wolle bis Ende der Woche entscheiden, wer das Mandat letztlich tragen soll. Dies hänge nicht nur von persönlichen Einzelergebnissen, auch von möglichen Koalitionen und Kooperationen ab. Nicht ausgeschlossen also, dass ter Veer selbst weitermacht – schließlich bildete er zuletzt mit Wulf-Siegmar Mierke (UWG) eine erprobte Gruppe. Cheeseman dazu: „ Wenn ich den Auftrag bekomme, nehme ich das ernst.″ Eine weitere Alternative bei den Piraten wäre nach Angaben von ter Veer Henry Ruhnke. Osnabrück. Die Osnabrücker Linken, zuletzt nur noch durch Giesela Brandes-Steggewentz im Rat der Stadt vertreten, treten in der neuen Wahlperiode wieder in alter Fraktionsstärke an. Zwei Mandate errang die Partei bei der Kommunalwahl 2016. Und die werden allem Anschein nach von neuen Gesichtern bekleidet: Die Ergebnislisten geben Peter Marchal und Heidi Reichinnek als neue Ratsmitglieder aus. Dabei hatte es bis zuletzt so ausgesehen, als würde Brandes-Steggewentz ihre jahrelange Ratsarbeit fortsetzen können. Mit Christa Westerwiede Barros an ihrer Seite, die für die Linken stadtweit die meisten Stimmen holte. „ Ich habe aber immer gesagt, dass ich nicht an meinem Mandat klebe″, sagte Brandes-Steggewentz am späten Sonntagabend auf Nachfrage. Am Freitag werde die Partei die Wahl und die neue Situation analysieren.„ Insgesamt haben wir ein gutes Ergebnis für die Linke, keine Frage″, erklärte die Gewerkschafterin. Die Partei habe bei einem vorläufigen Endergebnis von 4, 75 Prozent um 1, 3 Prozentpunkte gegenüber 2011 zugelegt. „ Damit sind wir voll zufrieden.″ Bündnis für den OB Es dauerte lange, bis sich der Bund Osnabrücker Bürger (BOB) in der Lagerhalle blicken ließ. Als sie sich in den Saal stellten, ging Oberbürgermeister Wolfgang Griesert auf die Neumarkt-Aktivisten zu, deutete auf ihr Logo mit den drei Buchstaben und meinte hoffnungsfroh: „ Bündnis für den OB!″ Wen wählen? Der CDU-Politiker Burkhard Jasper erzählte am Wahlabend, ein Freund von ihm sei von dessen Sohn gefragt worden, wen er denn wählen solle. „ Wähle jemanden, den du kennst!″, soll der Vater gesagt haben. Dann wähle er seinen Lehrer, antwortete der Sohnemann. Das war dem Vater aber auch nicht recht, denn der Lehrer trat für die SPD an. Zwei Mandate Ein Mandat oder zwei, das ist ein großer Unterschied. Denn zwei Ratsmitglieder können eine Fraktion bilden. Die Linke Giesela Brandes-Steggewentz hatte nach dem Austritt von Christopher Cheeseman auf die Vorteile einer Fraktion – und eine Mitarbeiterin – verzichten müssen. Als sich das Wahlergebnis jetzt präzisierte, rief sie sofort ihre frühere Mitarbeiterin an und fragte, ob sie noch zur Verfügung stehe. BIG ganz klein Das muslimische „ Bündnis für Integration und Gerechtigkeit″ (BIG) mit dem selbst erklärten Antizionisten Erhat Toka an der Spitze hat den Einzug in den Osnabrücker Rat klar verpasst. Für eine Stellungnahme stand und steht Toka unserer Redaktion nicht zur Verfügung. „ Ich rede nicht mit der NOZ!″ Völlig entspannt Völlig entspannt beobachtete der Osnabrücker CDU-Bundestagsabgeordnete Mathias Middelberg das Treiben: „ Wenn man selber zur Wahl steht, sieht das ganz anders aus″, meinte er. Selbst wenn ein Wahlsieg sicher sei, „ ist man richtig angespannt″.
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Autor:
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Wilfried Hinrichs, dpa, Berthold Hamelmann, dk, bfr, Ulrike Schmidt, sst
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