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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die Nette und das Biest
Zwischenüberschrift:
Invasive Art: Robuste Signalkrebse haben in der Nette die empfindlichen Edelkrebse verdrängt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Bis vor drei Jahren soll es im Oberlauf der Nette eines der letzten Edelkrebsvorkommen Nordwestdeutschlands gegeben haben. Dann kam die Krebspest. Ob die Wiederansiedlung der Art möglich ist, darüber streiten sich die Fachleute. Feinde der Edelkrebse sind die Signalkrebse, eine invasive Art.
Osnabrück. Und? Wie viele waren′s heute?″ – Der Herr, der seinen Hund gerade Gassi führt, scheint im Thema zu sein. Bis jetzt 30, aber ich habe noch nicht alle Reusen herausgeholt″, kommt die Antwort von Manuel Bleh. Mehrere Wochen lang stieg der Student für seine Bachelorarbeit zweimal täglich ins Wasser des Regenrückhaltebeckens in der Siedlung Hof Hanesch″ im Stadtteil Dodesheide. Abends setzte er Reusen ein, morgens holte er diese meist gut gefüllt wieder heraus. Seine Beutetiere waren Signalkrebse, jene nordamerikanischen Verwandten der heimischen Edelkrebse, die Letzteren jedoch das Leben schwer machen.
Den Zusammenhang erklärt Gewässerökologe Friedrich Hehmann, der die Bachelorarbeit betreut. Signalkrebse gelten als Überträger der Krebspest, und die hat vor drei Jahren den letzten Edelkrebsbestand im gesamten Flusssystem der Ems, nämlich den am Oberlauf der Nette, dahingerafft″, sagt der Experte. Besagtes Regenrückhaltebecken ist über den Landwehrgraben mit der Nette verbunden, weshalb die dortigen Signalkrebse durchaus von Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht sind.
Im Zusammenhang mit der Krebspest war seinerzeit das Thema Umfluten heftig diskutiert worden. Diese waren einst unter anderem an Nackter Mühle und Knollmeyers Mühle eingerichtet worden, um die Nette für Fische wieder durchgängig zu machen. Ein Projekt, das von Naturschützern ambivalent beurteilt wird auch und gerade im Hinblick auf die Signalkrebse, die nämlich als extrem aufstiegsfreudig gelten und, so Hehmann, über die Umfluten in den Oberlauf der Nette gelangen konnten. Die Neozoen, denen im Gegensatz zu den Edelkrebsen die Krebspest wenig anhaben kann, sind insofern nicht nur eine Konkurrenz zu den heimischen Arten, sondern kommen auch als Überträger von Krankheiten infrage.
Gleichwohl halten Stadt und Landkreis an der Öffnung der Umfluten fest, da die Durchgängigkeit von Stauanlagen eine wichtige Maßnahme zur Erreichung europäischer Gewässerschutzziele sei und im vorliegenden Fall keine Gründe des Artenschutzes dagegen sprächen, wie es seitens der Kreisverwaltung auf Anfrage unserer Redaktion heißt. Ähnlich lässt sich Christiane Balks-Lehmann vom Fachdienst Naturschutz und Landschaftsplanung der Stadt Osnabrück vernehmen, die im Zuge der ökologischen Gewässerentwicklung der Nette im Bereich der Nackten Mühle eine ehemalige Umflut wieder aktivieren ließ: Da nach Expertenmeinung einerseits in der Nette kein autochthones (seit Langem und ohne menschliche Eingriffe dort lebend, Anm. d. Red.) Vorkommen des Europäischen Edelkrebses mehr nachzuweisen ist und andererseits eine Wiederansiedlung des Edelkrebses aufgrund des Konkurrenzdruckes des Signalkrebses auch nicht erfolgversprechend erscheint, soll zunächst weiterhin das Ziel der ökologischen Längsdurchgängigkeit verfolgt werden und daher die Umflut an der Nackten Mühle funktionsfähig bleiben″.
Die Kreisverwaltung bezweifelt darüber hinaus auch besagtes Edelkrebsvorkommen an sich. In den vergangenen Jahren ist viel dazu untersucht worden. Es gibt keine Nachweise mehr auf ein Vorkommen des Edelkrebses in der Nette. Darüber hinaus gibt es auch erhebliche Zweifel daran, ob es im Netteoberlauf überhaupt autochthone Edelkrebsbestände gegeben hat oder ob es sich nicht damals schon um ausgesetzte Zuchtformen von Edelkrebsen, sogenannte Kellerkrebse, gehandelt hat″, so Landkreissprecher Henning Müller-Detert in einer Stellungnahme.
Tatsächlich war im Nachgang zum Edelkrebssterben das Wasser der Nette mehrfach untersucht worden. Dabei musste 2015 also nach der Krebspest festgestellt werden, dass in der Nette und ihren Auen weder Edel- noch Signalkrebse vorhanden sind. Nur im Regenrückhaltebecken am Haster Weg gingen Signalkrebse in die Reusen. Allerdings konnten bei deren Untersuchung wiederum keine Erreger der Krebspest gefunden werden. In einem Forschungsprojekt des Frankfurter Senckenberg-Instituts war das Flusswasser auf Erregersporen getestet worden. Ergebnis: Weder im Bereich von Knollmeyers Mühle noch an der Nackten Mühle und an der Forellenzucht waren Erreger feststellbar, was einen Zusammenhang zwischen Umfluten und Krebspest zumindest in diesem Verlauf tatsächlich fragwürdig erscheinen lässt.
Daraus ergibt sich zum einen die Frage nach der Herkunft der Krebspesterreger, zum anderen aber auch nach der Zukunft der Edelkrebse überhaupt. Friedrich Hehmann schließt nicht aus, dass Krebspestsporen auch über Fische, Wasservögel, Hunde oder auch durch die Ausrüstung der Angler in Gewässer gelangen. Und auch Stadt und Landkreis sehen einen solchen Zusammenhang. Für Hehmann geht es aber unabhängig von der Krebspest grundsätzlich darum, heimische Arten und deren genetisches Inventar zu schützen. Hierzu sei 2014 eine EU-Richtlinie erlassen worden, der leider noch keine bundes- beziehungsweise landesweiten Erlasse gefolgt seien. Mit dem jetzigen Projekt am Regenrückhaltebecken könnten in diesem Sinne immerhin die Bestände der Signalkrebse ausgedünnt und ihre Verbreitung über den Landwehrgraben hin zur Nette hoffentlich verhindert werden.
Von dem Projekt, bei dem bis dato circa 300 Signalkrebse gefangen wurden, erhofft sich auch Balks-Lehmann weitere Erkenntnisse: Sollte eine noch einzuholende Expertenmeinung sich dafür aussprechen, dass eine regelmäßiges Bereusung des Signalkrebses im Rückhaltebecken zu einer wirksamen Eindämmung der Signalkrebspopulation an der Nette führt, wird die Stadt in Abstimmung mit den Stadtwerken Osnabrück, die das Becken betreiben, prüfen, ob entsprechende Maßnahmen regelmäßig durchgeführt werden.″ Sowohl Kreis- wie auch Stadtverwaltung setzen beim Schutz vor invasiven Arten auf abgestimmtes Vorgehen der Beteiligten. Hier erwarten wir Handlungsdirektiven vom Land und vom Bund, die in ein abgestimmtes Vorgehen mit den anderen zuständigen Fachdienststellen und Institutionen münden″, so Balks-Lehmann.
Aber was heißt das für die Zukunft der Edelkrebse in der Nette? Hier bleibt zu hoffen, dass eventuell doch einige überlebt haben und eine neue Population bilden″, so Hehmann. Eine Zuversicht, die der Landkreis nicht zu teilen scheint: In anderen Gewässern des Kreisgebietes mag es noch Edelkrebse geben. In einigen ausgewählten Bachoberläufen und Seen wird derzeit auch wieder versucht, Populationen aufzubauen″, sagt Landkreissprecher Müller-Detert. An der Nette werde eine Ansiedlung von Edelkrebsen jedoch nicht versucht, da die Randbedingungen hier ein Erfolg versprechendes Projekt nicht zuließen.
Egal wo, der Edelkrebs wird sich wohl weiterhin vor vielem in Acht nehmen müssen.

Bildtext:

Invasive Art: Signalkrebs am Regenrückhaltebecken Hof Hanesch.

Reicher Fang: An manchen Tagen gehen sogar noch viel mehr Signalkrebse in die Reusen.

Still ruht der See: Manuel Bleh holt Reusen ein. Fotos: Kerstin Balks
Autor:
Kerstin Balks


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