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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Tief tauchen in der Schlachthofstraße
Zwischenüberschrift:
Kanalbauarbeiten einmal anders
Artikel:
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Originaltext:
Die Stadtwerke erneuern in der Schlachthofstraße den Abwasserkanal. Eigentlich ist das nichts Besonderes. Wenn aber ein Taucher sich auf offener Straße in seinen Neoprenanzug quält, darf man schon gerne einmal stutzen und etwas genauer hinsehen.

Osnabrück. Ein Loch in der Schlachthofstraße, gefüllt mit trüb-grauem Wasser, große und kleine Schläuche verschwinden in der kaum noch Wasser zu nennenden Flüssigkeit, Bauarbeiter schauen in die schlammige Brühe aus der Luftblasen zur Oberfläche blubbern. Die stammen von Marvin Didelot. Der 26-Jährige ist Berufstaucher und als solcher engagiert, in dem Schacht eine Betonsohle zu gießen unter Wasser, in sieben Meter Tiefe.

Bei Didelots Job bekommt der Begriff Im Trüben fischen″ eine ganz neue Bedeutung. O.k., Didelot fischt nicht, er gießt Beton, trüb ist das Wasser aber allemal. Die Sicht ist gleich null. Wie orientiert man sich in absoluter Dunkelheit? Wir sehen uns vorher Zeichnungen an. Die sind bei unserer Arbeit das A und O″, sagt Didelot. Der Rest ist Fingerspitzengefühl. Nur tastend, mit der Zeichnung vor dem geistigen Auge, kann der gelernte Konstruktionsmechaniker seinen Job in der Tiefe leisten. Erste Tat: Aufräumen. Schlick und Dreck müssen raus aus dem Loch, damit der Spezialbeton sich gleichmäßig und vor allem bündig bis an den Rand des runden Schachts verteilen kann. Dann kommt der Beton. Aus einem großen Schlauch wird das Gemisch in den Schacht gepumpt. Didelots Kollege überwacht oben den gleichmäßigen Auftrag mit dem Lot. Ist der Beton an einer Stelle zu dick, muss Didelot, der via Sprechfunk mit der Oberfläche verbunden ist, den Adler machen″, wie sein Kollege sagt. Soll heißen: Der Taucher nimmt an der passenden Stelle das Niveau mit der einen Hand, breitet die Arme aus und trägt mit der anderen Hand an der Stelle, an der zu viel Masse gelandet ist, den Beton nach Gefühl ab. Hört sich definitiv einfacher an, als es bei 2, 5 Meter Schachtdurchmesser tatsächlich ist. Bekommt der Taucher das Problem im wahrsten Sinne des Wortes nicht in den Griff″, muss wenn der Schacht leer gepumpt ist der Presslufthammer ran. Das soll natürlich vermieden werden. Kostet ja schließlich. Kommt bei Didelot und seinen Kollegen aber auch nicht vor, sagt ein Vertreter der Baufirma: Die sind echt gut.″

Überhaupt die Kosten. Etwa 2, 5 Millionen Euro versenken die Stadtwerke auf der etwa 800 Meter langen Kanalbaustrecke in der Schlachthofstraße. Da stockt dem Laien erst einmal der Atem, aber: Was muss, das muss. Der alte Kanal aus Steinzeugrohren ist hin. Da gibt es auch nichts mehr zu retten. Außerdem ist der Kanal mit 25 Zentimeter Durchmesser zu klein. Der neue bringt es auf stolze 60 Zentimeter. Mit gutem Grund. In ferner Zukunft soll durch diesen Kanal auch das Wasser unter anderem aus dem Gebiet an der Oststraße fließen. Das werde zwar noch dauern, sagt Daniela Fiege, Leiterin der Abteilung Kanalbau bei den Stadtwerken, sei perspektivisch aber eine notwendige und kostengünstige Lösung.

Und so unscheinbar die Schlachthofstraße an der Oberfläche auch ist, ihr Innenleben hat es in sich. Bedingt auch durch die direkte Nachbarschaft zu Kabelmetal, zieht sich ein abwechslungsreiches Bündel von Versorgungsleitungen durch den Untergrund plus der Sandbach, dessen Verlauf an dieser Stelle ebenfalls in die Unterwelt verbannt wurde und dessen gemauerte Röhre mit 3, 20 Meter Breite reichlich Platz einnimmt.

Es bleibt also nur wenig Platz in der Straße für ausgedehnte Bauarbeiten. Deswegen haben sich die Stadtwerke für den unterirdischen Vortrieb der neuen Kanalrohre entschieden und gegen eine offene Bauweise, bei der die gesamte Straße hätte aufgebuddelt werden müssen. Wir hätten ohnehin mehrfach unter dem Sandbachprofil hermüssen. Da bot es sich an, die gesamte Strecke in diesem Verfahren zu machen″, so Fiege. Weniger Probleme, weniger Kosten, heißt hier die Devise. Außerdem wären bei einer offenen Bauweise die schönen alten Bäume an der Schlachthofstraße in Gefahr gewesen.

Und so dürfen Didelot und seine Kollegen insgesamt zehnmal in zehn Schächte abtauchen, um ihren Betonbauerjob zu erledigen. Die Schächte werden gebraucht, um von ihnen aus abschnittweise den Vortrieb für die Kanalrohre voranzutreiben. Die schweren Bohrmaschinen werden jeweils für den nächsten Abschnitt in den Schächten auf den von Didelot gegossenen Betonplatten (die, wenn das Wasser abgepumpt ist, noch eine glatte und absolut ebene Oberfläche bekommen) montiert, um sich dann durch den Schlachthofstraßenuntergrund zu fressen.

Und jetzt die Gretchenfrage: Warum werden die Schächte nicht einfach leer gepumpt und dann der Beton ganz herkömmlich gegossen? Leider nicht machbar, weil Wasser und Erdreich in sieben Meter Tiefe mit gewaltiger Kraft kontinuierlich nachdrücken. Der bis zu zwei Meter dicke Betonpfropfen muss erst sozusagen das Wasser ersetzen, bevor der Schacht ausgepumpt werden kann.

Folglich haben die staatlich geprüften Berufstaucher noch den einen oder anderen Tauchgang in der Schlachthofstraße vor sich. Gut, das ist immer noch besser als in einem Faulturm im Klärwerk abzutauchen, hat mit dem Hobby Tauchen aber rein gar nichts gemein. Das kann man auch in keiner Weise vergleichen″, sagt Diderot. Selber hat er mit der Freizeittaucherei nichts am Hut. Auch wenn er zugibt, dass ein Berufstauchgang mit Sicht, wie zum Beispiel in einem Stausee oder in einem Trinkwasserbrunnen, auch seinen Reiz hat.

Ein Video zu den Taucharbeiten finden Sie auf noz.de

Bildtexte:
Ein letzter Blick ins Tageslicht und zu den Kollegen, dann verschwindet Berufstaucher Marvin Didelot im Schacht in der Schlachthofstraße.
Bevor es für Marvin Didelot in die dunklen Tiefen unter der Schlachthofstraße geht, wird er von seinem Kollegen für den Tauchgang vorbereitet.
Während der Taucher in der Tiefe seinen Job macht, beobachten die Arbeiter an der Oberfläche das Blubbern der Luftblasen auf der trüben Wasseroberfläche im Schacht.
Daniele Fiege von den Stadtwerken leitet die Kanalbauarbeiten.
Da geht′s lang. Ohne Plan geht nichts beim Kanalbau.
Die gelbe Farbe im unteren Bereich des Schachtquerschnitts zeigt die bis zu zwei Meter dicke Betonschicht, die die Berufstaucher einbringen.
Fotos:
Jörn Martens
Autor:
Dietmar Kröger


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