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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Beschwerdebrief kostete die Karriere und vorübergehend die Freiheit
Zwischenüberschrift:
Der Osnabrücker Hugo Krones war kein bedeutender Widerstandskämpfer, steht aber beispielhaft für viele, die die Willkür der Nazis zu spüren bekamen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Hugo Krones war während der Nazizeit als Lehrer in Osnabrück tätig. Er gehört nicht in die Reihe der Widerstandskämpfer, die den Umsturz des Hitlerregimes planten und dafür mit ihrem Leben bezahlten. Er ist auf keiner Sonderbriefmarke und auf keinem Straßenschild verewigt. Aber auch er war ein mutiger Mann, der für seine Überzeugungen eintrat und die Konsequenzen dafür tragen musste: Seine Nähe zur SPD und ein übereifriger NSDAP-Funktionsträger brachten ihn ins Emslandlager und zerstörten fürs Erste seine bürgerliche Existenz.

Da Krones keine Nachkommen hat, drohte sein Schicksal endgültig in Vergessenheit zu geraten. Nur durch einen Zufall fielen dem Osnabrücker Historiker Volker Issmer persönliche Unterlagen von Hugo Krones in die Hände. Issmer, dem die Aufarbeitung der regionalen NS-Geschichte seit Langem ein großes Anliegen ist, forschte weiter und konnte so den Lebensweg des Mannes rekonstruieren wenn auch noch lückenhaft.

Die Biografie Krones fängt recht unspektakulär an: 1897 kommt er in Schneidemühl (Westpreußen) zur Welt. Von 1916 bis 1918 kämpft er als Soldat auf dem Balkan, wird verschiedentlich ausgezeichnet und zum Unteroffizier befördert. 1922 heiratet er Hedwig Borrmann aus Kamen. Westfalen wird zu seiner neuen Heimat, er durchläuft die Seminarausbildung zum Volksschullehrer und erhält Anstellung in Bockum bei Hamm. 1928 wird er zum Rektor ernannt. Als angesehenem Mann trägt man ihm verschiedene Ehrenämter an. So wird er in den Gemeinderat und in den Vorstand der Kreissparkasse gewählt, Krones fungiert als Wahlleiter seiner Kommune und als Schöffe am Landgericht Münster.

Der Karriere-Abriss geschieht kurz nach der Machtergreifung der Nazis. Auslöser ist neben Krones Mitgliedschaft in der SPD vermutlich ein Beschwerdebrief, den Krones am 9. Juni 1933 an das Wissenschaftsministerium gerichtet hat. Darin verwahrt er sich dagegen, dass die SA bei einigen seiner Schüler Haussuchungen vorgenommen und anschließend der Schule gehörende Klassenlesestoffe beschlagnahmt und verbrannt″ habe.

Krones identifiziert später den von der NSDAP als kommissarischen Bürgermeister des Amtes Bockum/ Hövel eingesetzten Erich Lorek als denjenigen, der ihn und einige weitere Lehrer zu Fall gebracht habe. Denn sein Brief hat Konsequenzen: Am 22. Juni 1933 wird Krones mit sofortiger Wirkung seines Dienstes enthoben.

Krones verlässt daraufhin sein westfälisches Umfeld und zieht nach Osnabrück. Der Grund für diese Wohnortwahl ist bislang nicht bekannt. Zwei Wochen später nimmt ihn aber die Polizei Osnabrück fest und überstellt ihn ins KZ Esterwegen (Emslandlager Börgermoor).

Ehefrau Hedwig Krones ist entsetzt und fassungslos. Sie schreibt an den Regierungspräsidenten und bittet um Haftentlassung ihres Mannes. Der Antwortbrief ist erhalten geblieben. Darin heißt es unter anderem, dass die plötzliche Abreise nach Osnabrück nach der Amtsenthebung ein Indiz gewesen sei, dass Krones sich der polizeilichen Inschutznahme″ entziehen wollte. Und weiter: Auf Grund seiner außerordentlich regen marxistischen Betätigung ist er dann im Interesse der Staatssicherheit als Führer der S.P.D. von der Polizeibehörde in Osnabrück festgenommen worden. Da nach der bisherigen staatsgefährdenden Tätigkeit Ihres Mannes eine Entlassung vorläufig nicht in Erwägung gezogen werden konnte, wurde derselbe am 17. desselben Monats in das Konzentrationslager Boerger-Moor überführt.″

Ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und zu Zwangsarbeit genötigt, kommt Krones gegen Jahresende 1933 plötzlich wieder frei: Der großen Verhaftungswelle des Sommers, die als Warnschuss″ der Nazis gegen die Anhänger von SPD und KPD gedacht war, ist eine ebenso unvermittelte Massenentlassung gefolgt.

Krones und seine Frau scheinen in Osnabrück in den Folgejahren ein eher kümmerliches Leben gefristet zu haben. Das geht aus dem Brief eines Nachbarn in der Rosemannstraße hervor, der zwar Verständnis für die schlechte wirtschaftliche Lage des Ehepaares zeigt, dennoch Einspruch gegen eine Kaninchenhaltung im Garten zum Zwecke der Selbstversorgung einlegt. Krones arbeitet nun als Versicherungsvertreter. Seine regelmäßigen Anträge auf Rückkehr in den Schuldienst werden zurückgewiesen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Hugo Krones eingezogen. Er leistet Dienst in einer Sanitätsstaffel, aber nur bis September 1940. Da viele waffenfähige Lehrer an der Front sind, Krones andererseits möglicherweise als unsicherer Kantonist im Waffenrock angesehen wird, gibt man jetzt doch seinem Wunsch nach Rückkehr in den Schuldienst statt. Auf jederzeitigen Widerruf″ darf er vertretungsweise an verschiedenen Osnabrücker Volksschulen unterrichten. Belegt sind Einsätze an Ledenhofschule, Johannisschule, Neustädter und Haster Schule. Krones bemüht sich um eine Wiedereinstellung auf Lebenszeit und den ihm zustehenden Posten eines Rektors, aber vergeblich.

Gegen Kriegsende wird Krones noch einmal eingezogen, gerät in amerikanische Kriegsgefangenschaft und kommt nach drei Monaten wieder frei. Er geht offensichtlich zurück in den Schuldienst, denn sein späteres Testament unterschreibt er mit Schulrat a. D.″. Sonst ist über Krones′ Lebensweg im Nachkriegsdeutschland fast nichts bekannt. Er stirbt am 16. Juni 1967 in Bonn.

Historiker Volker Issmer erhielt die lückenhaften Hinterlassenschaften des Ehepaares Krones über den hochbetagten Osnabrücker Günther Weghorst, der Kontakt zu der Witwe hatte. Weghorst ist mittlerweile verstorben fast wäre hier vieles an Wissen und Zeugnissen verloren gegangen.

Hugo Krones hat sicherlich nicht den Lauf der Geschichte verändert, aber er steht beispielhaft für viele ähnliche Lebensläufe, die Wichtiges über die unheilvollen Zeitumstände aussagen. Sie dürfen doch nicht einfach vergessen werden!″, meint Volker Issmer.

Deshalb wünscht er sich eine Anlauf- und Sammelstelle für persönliche Unterlagen, Dokumente und Fotos, wie sie noch in vielen Familien vorhanden sind. Viele wertvolle Geschichtsquellen dürften zum Beispiel noch auf Dachböden oder in Kellern schlummern, und es besteht die Gefahr, dass sie eines Tages bei einer Haushaltsauflösung oder einer Aufräumaktion achtlos im Müll landen.

Viele Nachkommen wissen nichts damit anzufangen. Sie halten das Material für nicht so bedeutend, als dass das Niedersächsische Landesarchiv sich dafür interessieren würde. Mag sein. Aber trotzdem sollte es für die Forschung und das kollektive Gedächtnis der Menschen in unserer Region erhalten bleiben″, appelliert Issmer.

Wie das Ganze zu organisieren wäre, ob vielleicht doch das Landesarchiv oder das Medienzentrum, das Historische Seminar der Universität, das Kulturgeschichtliche Museum, das Diözesanmuseum oder das Remarque-Friedenszentrum für solche privaten Dokumente zu interessieren wären, bliebe weiteren Gesprächen vorbehalten.

So war es früher:

Berichte aus der Osnabrücker Geschichte auf noz.de/ historisch-os

Bildtext:
Hugo Krones (1897–1967) war ein von den Nazis verfolgter Schulrektor, der an verschiedenen Osnabrücker Volksschulen Dienst tat. Das Foto aus dem Familienarchiv Weghorst zeigt ihn vermutlich in der Zeit vor 1933.
Autor:
Joachim Dierks


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