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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Osnabrücks Krahnstraße in der Krise
 
Die Krahnstraße verödet
Zwischenüberschrift:
Nur noch 2-b-Lage – „Nie da gewesener Leerstand″
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. In der Osnabrücker Krahnstraße geben reihenweise Geschäfte auf. Viele Ladenlokale bleiben danach auf Dauer ungenutzt. Die Juwelierin Hilde Middelberg schlägt Alarm: Sie beklagt in diesem Teil der Fußgängerzone einen nie da gewesenen Leerstand″. Um diesen existenzgefährdenden Trend umzukehren, fordert die 68-Jährige eine Allianz aus Hauseigentümern und Einzelhändlern″.

Geschäftsinhaber müssten sich mehr als bisher auf die Bedürfnisse und veränderten Einkaufsgewohnheiten ihrer Kundschaft einstellen, sagt Middelberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Zudem bedürfe es eines gemeinsamen Eventmanagements aller Kaufleute. Von den Vermietern verlangt sie, Mietverträge flexibel zu gestalten und Preise etwa vom jährlichen Gewinn des Mieters abhängig zu machen.

Hilde Middelberg schlägt Alarm: Die Krahnstraße verödet! Ein Geschäft nach dem anderen in diesem Teil der Osnabrücker Fußgängerzone schließe. Die Juwelierin fordert eine Allianz der Hauseigentümer und Einzelhändler″.

Osnabrück. Wir waren sehr stolz auf die heimliche Hauptstraße″, sagt Hilde Middelberg, die seit 2002 an der Ecke zur Dielingerstraße einen kleinen, aber feinen Schmuckladen betreibt und nur eine Tür weiter schon fünf verschiedene Nachbarn erlebte. Nun aber scheint es entlang der Krahnstraße nicht einmal mehr Wandel im Handel zu geben: Viele Lokale bleiben nach Aufgabe eines Geschäfts einfach zu. Das größte Elend″ herrsche in der Theater-Passage, wo es kaum mehr Einkaufsgelegenheiten gebe, stellt Middelberg fest. Und die 68-Jährige nennt weitere Beispiele für eine aus ihrer Sicht sehr dramatische Entwicklung″.

Das frühere Haupthaus von Prager & Wild etwa, das 2015 nach 35 Jahren schloss, ist seit einem Jahr ungenutzt. Vor ein paar Wochen machte nach zwei Jahren das Schuhgeschäft Mephisto dicht. Die Schaufenster sind seitdem verklebt. Und Ende 2016 werde die Krahnstraße eine weitere bekannte Adresse verlieren, wenn beim Modegeschäft Andante endgültig die Lichter ausgehen. Was danach mit der Immobilie passiert, ist unklar.

Wir haben einen nie da gewesenen Leerstand″, klagt Juwelierin Middelberg und gesteht: Ich mache mir große Sorgen! Aus einer 1-b-Lage im Jahr 2012 sei heute eine 2-b-Lage geworden, berichtet sie unter Berufung auf vertraute Makler. Und auch ihr Gefühl sage, dass immer weniger Menschen in die Krahnstraße kommen.

Um den gefährlichen Trend zu stoppen, sieht die Unternehmerin nur eine Möglichkeit: Händler müssen sich bewegen und Vermieter auch. Es braucht Mut zu Veränderungen!

Ein Symposium über die Zukunft des Einzelhandels, an dem Middelberg Anfang Juli auf Einladung des Clubs europäischer Unternehmerinnen in Hamburg teilnahm, habe ihr das noch einmal klar vor Augen geführt. Anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen und zu sagen, das Internet mache den stationären Handel kaputt″, müssten Geschäftsinhaber auf die Bedürfnisse einer Kundschaft eingehen, die beim Shopping zunehmend ihr Smartphone einsetzt, so Middelberg. Die Digitalisierung des Einkaufs sei sogar erst am Anfang.

Sie selbst habe ihr Juweliergeschäft in der Krahnstraße 15 bereits um ein Online-Angebot erweitert: Über das Klunkerforum″ verkauft sie Schmuckstücke im Kundenauftrag. Das wird sehr aktiv genutzt.″ Die Osnabrückerin glaubt, dass viele Berufskollegen im Krahnstraßen-Viertel, aber auch an anderen Stellen der Innenstadt, großen Nachholbedarf hätten, was die Selbstvermarktung im Internet angeht.

Flexible Mietverträge

Zugleich müssten die Läden mehr Service und Erlebnis bieten, findet Hilde Middelberg. Öffnungszeiten sollten sich nach der Kundschaft richten, wir sehen doch, dass die Stadt samstags vor 12 Uhr leer ist″. Es brauche auch mehr Freundlichkeit bei Begrüßung und Bedienung. Viele Verkäufer machen einen gelangweilten Eindruck, und häufig muss der Kunde sie suchen.″

Nicht zuletzt fehle es aus Sicht der Unternehmerin an einem flächendeckenden Eventmanagement nach Vorbild von L+ T. Hier müssten die inhabergeführten Geschäfte („ der Stolz jeder Innenstadt″) gemeinsam mehr wagen. Middelberg: Viele Kleine ergeben auch einen Großen.″ Osnabrück sei in dieser Beziehung mickrig″. Werde aber nichts Unterhaltsames rund um den Einkauf geboten, würden die Leute eben zum Shoppen nach Hamburg fahren und dort gleich ihr ganzes Wochenende verbringen.

Zur Wiederbelebung der Krahnstraße und anderer zunehmend unbewirtschafteter Einkaufszonen der Innenstadt sei es überdies nötig, dass Vermieter von Ladenlokalen ihre Mietpreise deutlich senken. In die Höhe getrieben zu einer Zeit, wo die Nachfrage das Angebot überstiegen habe, würden sie heute vielen Geschäftsinhabern finanziell die Luft abschnüren. Die fetten Jahre sind vorbei. Hausbesitzer müssen erkennen: Die Hütte nützt nichts, wenn sie leer steht! Wir sitzen in einem Boot.″

Die Juwelierin wirbt für variable Mietverträge, die erfolgsabhängig gestaltet werden: je höher der jährliche Gewinn, desto höher die Miete. Dem Unternehmer sichere das in mauen Zeiten die Existenz, dem Vermieter den Wert seiner Immobilie.

Unter diesen Bedingungen sei es vielleicht möglich, meint Hilde Middelberg, in der Krahnstraße ein Magnetgeschäft wie dm″ anzusiedeln, wo alle gerne hingehen″ möglicherweise auch ein Modegeschäft für reifere Damen″, das ebenfalls fehle. Ändert sich nichts, ist für die Juwelierin das Schicksal des Viertels besiegelt. Erst recht, wenn das Einkaufszentrum am Neumarkt kommt. Wir wollen nicht so enden wie die Johannisstraße!

Wie finden Kunden die Krahnstraße? Sehen Sie ein Video zum Thema und klicken sich durch eine Bildergalerie bei uns im Internet auf www.noz.de/ os

Bildtext:
In Osnabrücks heimlicher Hauptstraße″, der Krahnstraße, schließen reihenweise Geschäfte. Juwelierin Hilde Middelberg schlägt Alarm und Lösungen vor.
Foto:
David Ebener

Kommentar
Konstruktive Kritik

Juwelierin Hilde Middelberg könnte für die Krahnstraße noch einmal Gold wert sein. Ohne Scheu und falsche Zurückhaltung benennt die meinungsfreudige Geschäftsfrau die wirtschaftlichen Probleme, denen sie sich in diesem siechenden Bereich der Innenstadt ausgesetzt sieht. Gleichzeitig macht sie Vorschläge, wie der existenzgefährdenden Entwicklung Einhalt geboten werden könnte. So etwas nennt man konstruktive Kritik.

Heimliche Hauptstraße von Osnabrück, wie sich die Krahnstraße gerne selbst nennt, ist der westliche Ausläufer der Fußgängerzone jedenfalls schon lange nicht mehr. Eher unheimlich ist die nicht enden wollende Serie von Geschäftsaufgaben, die in dauerhaften Leerständen mündet.

Wer etwas ändern will an der Gesamtsituation, muss andere mobilisieren, zuallererst aber bei sich selbst anfangen. Middelberg tut das und geht etwa in Sachen Online-Vermarktung mit gutem Beispiel voran. Auch mit ihrem Vermieter scheint sie eine Vereinbarung getroffen zu haben, die beiden Seiten zum Vorteil gereicht und Nachhaltigkeit über Profit stellt. Nachahmenswert.
Autor:
Sebastian Stricker


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