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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die Zellulose kommt über das Wasser
Zwischenüberschrift:
Vor 73 Jahren erhielt Papierfabrik Kämmerer eine Schiffsanlegestelle
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Es war nicht der Kanal, der den Standort der Papierfabrik im Norden Osnabrücks bestimmte, sondern die Hase. Gleichwohl war der Stichkanal, als er gut 100 Jahre nach Entstehen der Papierfabrik in ihre Nachbarschaft gelegt wurde, ein willkommener Transporthelfer. 1943 baute Kämmerer einen neuen Schiffsanleger.
Osnabrück. Die Bilder dieser Baumaßnahme verdanken wir dem Fotografenfleiß des Diplom-Ingenieurs Walter Kämmerer. Er war Sohn des vormaligen Miteigentümers Gustav Kämmerer. Gustav und sein Bruder Rudolf Kämmerer hatten 1908 die schon länger bestehende Papierfabrik erworben. Walter war nun in der nächsten Generation der designierte Erbe und Nachfolger seines Vaters.
Doch dann kam alles anders. Angesichts der erstarkenden Elektroindustrie stellten die Brüder Kämmerer auf die Herstellung von Isolierpapieren für Hochspannungs- und Fernmeldekabel um. Neue Papiermaschinen und bedeutende Kapazitätserweiterungen erwiesen sich als notwendig, die nur durch die Hereinnahme der Großkunden Felten & Guilleaume und AEG gestemmt werden konnten. 1918 übernahmen sie die Firma ganz, die nun Papierfabrik G.m.b.H. vorm. Gebrüder Kämmerer″ hieß.
Walter Kämmerer hatte den passenden Ausbildungsweg eingeschlagen und bewarb sich 1930 bei den neuen Herren als angestellter technischer Direktor. Die stellten ihn ein und sollten ihre Wahl nicht bereuen. 38 Jahre lang, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1968, diente Kämmerer der Firma in dieser Funktion. Er war nicht nur für den Produktionsprozess verantwortlich, sondern auch für sämtliche Baumaßnahmen. Und das waren, gerade in der Kriegs- und Nachkriegszeit, nicht wenige″, sagt Walter Kämmerers Sohn Christof, der alle Archivalien des Vaters verwahrt.
Christof Kämmerer ist übrigens nicht in die Fußstapfen von Großvater und Vater getreten, sondern Lehrer geworden. Der heute in Bersenbrück lebende Pädagoge ist nach seiner Pensionierung weiterhin als Autor von Schülertheaterstücken aktiv.
Zu den größeren Projekten, die Walter Kämmerer leitete, gehörte der Bau einer Schiffsanlegestelle am Stichkanal. Ausgangsstoff der Papierproduktion ist Zellulose, die überwiegend aus dem waldreichen Skandinavien bezogen wird.
Zellulose entsteht, wenn man Industrieholzabfälle zu Hackschnitzeln zerkleinert und dann chemisch aufbereitet. Die Warenzufuhr wurde wesentlich erleichtert, als das Werk 1916 Anschluss an die Hafenbahn bekam. Ein weiterer Rationalisierungsschritt lag in der Möglichkeit, auf dem Wasserwege ganze Schiffsladungen zu beziehen nicht nur von Zellulose, sondern auch von Kohle, die man als Brennstoff für den Herstellungsprozess brauchte.
Das historische Foto aus dem Jahr 1943 zeigt den Einsatz eines Eimerbaggers und die längsseits liegende Schute, die das Baggergut abtransportiert. Denn zunächst musste der Kanal zum Werksgelände hin verbreitert werden, damit die Schifffahrt in den Osnabrücker Stadthafen nicht durch die bei Kämmerer löschenden Schiffe behindert würde. Die Schalung für die neue Kaimauer ist gesetzt, als Nächstes muss der Beton kommen. Das Traggerüst für die Kohlentransport-Schwebebahn befindet sich offenbar gerade in der Endmontage. Später kamen die beiden Kranbrücken hinzu, die das gleichzeitige Entladen von zwei Schiffen erlaubten.
Aussendung per Lkw
Inzwischen ist nur noch eine längst erneuerte Entladebrücke übrig geblieben. Kohle wird nicht mehr benötigt, seitdem man auf Ölfeuerung umgestellt hat. Die Aussendung der Fertigware geschieht per Lkw, aber für den Zugang des Hauptrohstoffs Zellulose leistet der 1943 erstellte Schiffsanleger weiterhin gute Dienste.
Radfahrer, die den neu ausgebauten Weg am Kanal unterwegs zum Piesberg nutzen, müssen übrigens eine Zwangspause einlegen, wenn gerade eines der etwa drei wöchentlich erwarteten Schiffe gelöscht wird. Seit 2014 schaltet eine Ampelanlage auf Rot, und das Tor geht zu, weil die Passage unter schwebenden Lasten für zu gefährlich erachtet wird. Die Papierfabrik Kämmerer beschäftigt derzeit etwa 280 Mitarbeiter. Hauptprodukte sind Schleifrohpapiere, vorimprägnierte Dekorpapiere für die Möbelindustrie und nach wie vor Isolationspapiere für Kabelhersteller.

Bildtext:

Bau des Schiffsanlegers für die Papierfabrik Kämmerer am Stichkanal im Jahr 1943. Der Blick geht von der Römeresch brücke zur Haster Schleuse, im Hintergrund der Piesberg. Foto: Walter Kämmerer, Archiv Christof Kämmerer

Zellulose für die Herstellung technischer Spezialpapiere bezieht das Kämmerer-Werk nach wie vor auf dem Wasserweg. Foto: Joachim Dierks

Kanalverbreiterung für den Schiffsanleger: Ein Arbeiter führt die Baggerschaufeln für den nächsten Arbeitsgang vor der Kulisse von Römereschbrücke und Stadthafen.
Autor:
Joachim Dierks


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