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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Westumgehung entzweit die Stadt
Zwischenüberschrift:
Streitthemen der zu Ende gehenden Wahlperiode – Nie wieder eine Bürgerbefragung in Osnabrück?
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück wagt aus einer Not heraus ein kommunalpolitisches Experiment: Die Bürger werden im Mai 2014 zur Westumgehung befragt. Experiment gelungen?
Osnabrück. Wenn zwei sich streiten, entscheidet der Dritte: SPD und Grüne riefen 2014 die Bürger an die Wahlurne, weil sie sich über den Bau der Westumgehung nicht einig waren. So wurde der 25. Mai 2014 zu einem stadtpolitisch historischen Datum: Zum ersten Mal entschieden die Osnabrücker in einer Bürgerbefragung über ein konkretes Projekt.
Jedes Wort abgewogen
Zwei Jahre danach darf die umstrittene Straße wieder Westumgehung genannt werden, ohne dass mit dieser Wortwahl gleich eine politische Botschaft verknüpft wird. Das war in der heißen Phase ganz anders: Die Befürworter des 1835 Meter langen Asphaltbandes sprachen von Entlastungsstraße West, die Gegner weckten mit der Bezeichnung Westumgehung Erinnerungen an die uralten Pläne einer vierspurigen Schnellstraße durch die Grünzone des Westerberges. Jedes Wort lag vor zweieinhalb Jahren auf der poltischen Goldwaage.
Hart und unversöhnlich
Im Wahlkampf für die Kommunalwahl 2011 hatten sich die Parteien klar positioniert: SPD und CDU waren dafür, alle anderen Parteien dagegen. Bürgerinitiativen für und gegen den Straßenbau standen sich unversöhnlich gegenüber. Nie zuvor war in der Stadt eine kommunalpolitische Frage so leidenschaftlich und emotional diskutiert worden. Es ging ja auch um viel: um Wohn- und Lebensqualität, um Immobilienwerte, um eine bessere Verkehrspolitik, um nicht weniger als den Schutz der Schöpfung. Der eskalierende Streit im Frühjahr 2014 entzweite Nachbarn und Freunde. Hitlervergleiche, zerkratzte Autos, Plakat-Vandalismus. Keine Ratssitzung ohne Grundatzdebatte über die Westumgehung, auch wenn sie gar nicht auf der Tagesordnung stand. Keine Woche ohne Demonstrationen, Kundgebungen, Menschenketten oder politische Radwanderungen.
51, 68 Prozent dagegen
Am Ende stimmten 51, 68 Prozent der Wähler (31 087) gegen den Bau der Straße, 48, 32 Prozent (29 070) dafür. Von den 127 362 Wahlberechtigten hatten 61 589 (48, 36 Prozent) ihre Stimme abgegeben.
Eine Bürgerbefragung ist rechtlich unverbindlich. Der Rat fasste aber einstimmig den Beschluss, die Entscheidung der Wähler zu respektieren, auch wenn das sogenannte Quorum nicht erreicht war. Das bedeutete: Weniger als ein Viertel der Wahlberechtigten, nämlich 24, 4 Prozent, hatten das Nein erwirkt.
Die Straße wird vorerst nicht gebaut. Die Erinnerung an das Bürgervotum ist noch so frisch, dass sich auch der neue Rat so schnell nicht über das Abstimmungsergebnis hinwegsetzen wird. Als einzige Partei lässt die SPD nicht locker. Die Weststraße ist ein wichtiger Teil ihres gesamtstädtischen Verkehrskonzeptes, zu dem auch der Lückenschluss der A 33-Nord gehört. Die SPD sagt: Mit Weststraße und Autobahnring bekäme Osnabrück die Möglichkeit, den Lkw-Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu verbannen und über die Tangenten umzuleiten. Und mit dieser Aussage zieht sie in den aktuellen Wahlkampf.
Ungelöst ist weiterhin das Verkehrsproblem auf dem Westerberg. Immer noch werden die Wohnstraßen von der Gluck- bis zur Mozart straße als schnellste Nord-Süd-Verbindung im Westen der Stadt von Tausenden Autofahrern missbraucht. Die Politik und Straßengegner hatten nach der Bürgerbefragung einen Plan B″ versprochen. Den gibt es bis heute nicht, allenfalls einen Versuch, die schlimmsten Folgen des unvermindert starken Durchgangsverkehrs zu mindern.
Runder Tisch Verkehr
Nach der Bürgerbefragung war es der Stadtverwaltung gelungen, die zerstrittenen Interessengruppen an einem Runden Tisch zu versammeln und gemeinsam ein Verkehrskonzept zu erarbeiten. Die Teilnehmer redeten sich in dem professionell moderierten Prozess die Köpfe heiß über Straßensperrungen, Einbahnstraßen, Buslinien, Fahrradstraßen und intelligente Mobilitätskonzepte. Am Ende stand ein Konzept, das nicht mehr ist als der kleinste gemeinsame Nenner, der keinem wehtut. Sogenannte Berliner Kissen (das sind Buckel auf der Straße) und schärfere Geschwindigkeitskontrollen sollen den Westerberg für den Durchgangsverkehr unattraktiv machen, ein engeres Busnetz und Fahrradstraßen die Menschen zum Umsteigen motivieren. Eine Erlösung für die am schlimmsten betroffenen Straßen auf dem Westerberg ist das nicht.
Mehr Demokratie?
Unbeantwortet ist auch die Frage, ob diese Bürgerbefragung ein Modell für mehr Demokratie in der Stadt sein kann. Der Urnengang hat zu einer starken Politisierung vor allem in den betroffenen Stadtteilen geführt, die aber nur kurz und heftig aufflammte. Das Engagement vieler konzentrierte sich auf dieses eine Projekt. Als es entschieden war, erlosch ihr Interesse an der Kommunalpolitik wieder.
SPD und Grüne hatten die Bürger nicht deshalb zur Abstimmung gerufen, weil sie die direkte Demokratie so gut finden. Sie hatten sich der Bürgerbefragung bedient, um einen internen Konflikt elegant zu lösen. Keine Ratsfraktion hat nach dem 25. Mai 2014 den Versuch unternommen, Bürgerbefragungen (neben Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden) als kommunales Element der Mitbestimmung zu etablieren und allgemeingültige Regeln dafür zu entwickeln.
Experiment Bürgerbefragung gelungen? Ja und nein je nach Perspektive. Aber es deutet alles drauf hin, dass es vorerst keine zweite geben wird. Auch nicht zum Neumarkt.

Bildtext:

Gegner und Befürworter des Straßenbaus versuchten vor zweieinhalb Jahren auch mit Plakaten Wähler für ihre Position zu gewinnen. Foto: Gert Westdörp
Autor:
W. Hinrichs


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