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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als Germania am Neumarkt wachte
Zwischenüberschrift:
Um 1910 beherrschte das Kriegerdenkmal den Platz vor dem Justizgebäude
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Denkmäler setzt man auf prominente Plätze, wo sie von vielen Menschen wahrgenommen werden können. Manchmal geraten sie dort in Konflikt mit sich wandelnden Raumbedürfnissen, werden zum Stehimweg und müssen sich einen Umzug gefallen lassen.
Osnabrück. So erging es 1935 dem Stüve-Denkmal vor dem Rathaus und schon 1928 dem Kriegerdenkmal am Neumarkt. Stüve musste weichen, weil die Nationalsozialisten den ganzen Markt für ihre Kundgebungen brauchten. Das Kriegerdenkmal musste den Platz vor dem Justizgebäude räumen, weil es zum Hindernis für den zunehmenden Straßenverkehr geworden war.
Als neuen Standort wählte man den Straßburger Platz am Westerberg aus. Der passte ganz gut zur Aussage des Denkmals, nämlich die Gefallenen aus dem Fürstentum Osnabrück im Deutsch-Französischen Krieg 1870/ 1871 zu ehren. Denn dort ist das Denkmal von Straßen- und Platznamen umgeben, die bedeutenden preußischen Militärführern wie Roon, Moltke und Voigts-Rhetz oder den Orten siegreicher Schlachten wie Straßburg, Belfort und Weißenburg gewidmet sind.
Der Osnabrücker Stadtbaumeister Emil Hackländer (1830 bis 1902) entwarf das Ehrenmal höchstpersönlich. Es besteht aus einem gestuften, reich verzierten Postament aus Obernkirchener Sandstein und darauf einer Säule im korinthischen Stil. Sie trug eine 2, 50 Meter hohe Bronze-Skulptur, die die Germania als Nationalsymbol der Deutschen, allegorisch als Siegesgöttin mit Fahne und Lorbeerkranz geschmückt, darstellt. In den Sockel sind die Namen der Gefallenen eingeschlagen. Neun Jahre nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich und der gewonnenen Reichseinheit war die patriotische Begeisterung der Bürger anhaltend stark genug, um ihre Geldschatullen zu öffnen. Der Magistrat sammelte 12 800 Mark an Spenden ein, mit denen das Denkmal für die Gefallenen und zugleich Symbol des erstarkten Deutschen Reichs finanziert werden konnte.
Nun erwies sich spätestens mit der Aufnahme des Straßenbahnverkehrs 1906 der Standort als wenig glücklich. Zwei Linien der Elektrischen″ kreuzten sich auf dem Neumarkt, der dadurch zum verkehrsmäßigen Mittelpunkt der Stadt wurde. Der Straßenverkehr nahm eine so lebhafte Entwicklung, dass der Wochenmarkt, der seit 1866 vor dem Justizgebäude seinen Platz hatte, zum Ledenhof umziehen musste. Das geschah 1913. Eigentlich sollte auch das Kriegerdenkmal weg, aber der Erste Weltkrieg verhinderte eine zügige Umsetzung. Es hätte nicht gut in die hurra-patriotische Stimmung des Sommers 1914 gepasst, wenn man ein Symbol des nationalen Kampfes um die Reichseinigung in eine Randlage abgeschoben hätte.
Im Gegenteil, so könnte man das Lichtenberg-Foto interpretieren: Arbeiter sind gerade dabei, das Denkmal noch weiter herauszuputzen. Sie verankern rings um den Sockel vier Laternenpfähle im Pflaster. Die Laternen sollten vermutlich die Grundfläche des Denkmals gegen den Verkehrsraum abgrenzen und das Objekt gerade bei Dunkelheit noch prächtiger erscheinen lassen. Hinter dem Denkmal erkennt man im Verlauf des Kollegienwalls die Spitztürme der Stadthalle, rechts davon Gefängnis und Justizgebäude. Am linken Bildrand ist das 1863 errichtete Gebäude des Verlags von J. G. Kisling zu sehen. Kisling gab die national-liberal ausgerichtete Osnabrücker Zeitung″ heraus. Sie verschmolz in den 1930er-Jahren mit dem Osnabrücker Tageblatt″, als der Verlag Meinders & Elstermann Kisling übernahm.
1944 eingeschmolzen
Im Jahr 1928 war die Zeit reif für den Umzug zum Straßburger Platz. Gut 15 Jahre überwachte Germania die hübschen Villen am Südhang des Westerbergs. 1944 wurde sie vom Sockel geholt und samt Zierat aus Buntmetallen eingeschmolzen. Die Kriegsmaschinerie brauchte den Rohstoff.
Nach dem Krieg blieb der Sockel lange Zeit leer. Eine Replik der Germania aufzusetzen stand nie zur Debatte. Wäre sie durch den Krieg gekommen, hätte man sie aus denkmalpflegerischen Gründen sicherlich konserviert, aber für eine Nachbildung war die martialische Figur dann doch zu sehr aus der Zeit gefallen. Der Denkmal-Torso führte ein Schattendasein, Graffiti verunzierte die Namenstafeln, ringsherum war Hundeklo. 2003 entwickelte Kunsterzieher Christian Besuden mit 20 Schülerinnen aus seinem Kunst-Leistungskurs am Ratsgymnasium die Idee, das Denkmal in die Gegenwart zu holen, indem man ihm eine neue Spitze aufsetzt. Die spannungsreiche Aufgabenstellung sah vor, aus dem Symbol deutsch-französischer Erzfeindschaft eines der Völkerfreundschaft werden zu lassen. Fünf verschiedene Arbeiten wurden entworfen und teils auch vor Ort nacheinander installiert. Jetzt besetzt die Skulptur Schützende Torsion″ wahrscheinlich dauerhaft die Fehlstelle auf der Säule. Sie wurde 2006 im Rahmen des Niedersächsischen Schülerfriedenspreises mit einem zweiten Platz ausgezeichnet.

Bildtext:

Das Landgericht (rechts im Bild) eignet sich beim Bildervergleich auf der Zeitreise gut als optischer Anker. Das neue Hasehaus (links) hat den Platz des Kisling′schen Verlagsgebäudes eingenommen. Foto: David Ebener

Das Kriegerdenkmal um 1910 an seinem Original-Standort vor dem Justizgebäude am Neumarkt. Der Blick geht in den Kollegienwall. Die beiden Spitztürme links neben der Säule gehören zur Stadthalle. Foto: Rudolf Lichtenberg, Archiv Museum Industriekultur

Der Straßburger Platz wurde 1928 zum neuen Standort des Kriegerdenkmals. Seit 2005 thront ein modernes Kunstobjekt anstelle der bronzenen Germania auf der Säule. Foto: David Ebener
Autor:
Joachim Dierks


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