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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Pracht-Boulevard Möserstraße
Zwischenüberschrift:
Die frühere Hauptverbindung Bahnhof–Innenstadt gehörte zu den ersten Adressen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Wie ein Großstadt-Boulevard kommt die Möserstraße auf diesem Foto aus den 1930er-Jahren daher. Nach der Eröffnung des neuen Centralbahnhofs″ 1895, des heutigen Hauptbahnhofs, erhielt die Möserstraße die Funktion eines repräsentativen Entrées in die alte Bischofsstadt.
Osnabrück. Der Fotograf ist etwas in die Knie gegangen, um das schöne Pflaster mit dem schwungvollen Straßenbahn-Ausweichgleis besser zur Geltung zu bringen und den Anschein noch größerer Straßenbreite zu erwecken. Das Verkehrsgeschehen mutet hingegen nicht besonders großstädtisch an. Etwas verloren parkt ein Wanderer-Pkw auf der falschen Straßenseite, was heute 15 Euro Bußgeld kosten würde. Im weiteren Straßenverlauf bis zur Wittekindstraße sind ganze zwei weitere Kraftfahrzeuge zu entdecken.
Links vor dem Hotel Reichshof schiebt ein Dienstbote mit Schirmmütze seinen Handkarren zum Bahnhof. Nicht jede Fuhre lohnte das Anspannen eines Fuhrwerks oder gar den Einsatz eines der wenigen Lastkraftwagen. Vielleicht stand der Johann″ in Diensten eines Hotels und schob das Gepäck der Hotelgäste zum Bahnhof, während die Herrschaften selbst mit der Straßenbahn fuhren.
Dass die Aufnahme in der Zeit des Nationalsozialismus entstand, deutet eine Hakenkreuzflagge an. Sie weht etwa auf Höhe der Kreuzung Schlagvorder Straße, vielleicht ist sie am Gebäude der Industrie- und Handelskammer gehisst. Am rechten Bildrand beeindruckt das Haus Möserstraße 51 mit stilvoller Sandsteinfassade und dem neubarock geschwungenen Balkon. Es beherbergt die Niederlassung des Barmer Bankvereins. Das war damals eine bedeutende Regionalbank, 1867 in Barmen bei Wuppertal gegründet, mit einem Filialnetz in ganz Nordwestdeutschland. Später fusionierte sie mit der Commerzbank.
Geldhäuser wie der Barmer Bankverein brauchten eine gute Adresse. Das war die Möserstraße auf jeden Fall was man heute gerade in Bahnhofsnähe nicht mehr so unbedingt feststellen kann. An der Möserstraße waren die Reichsbank und die Deutsche Nationalbank mit Niederlassungen vertreten. Auch Handelshäuser, Verwaltungen und andere Einrichtungen, die häufig Besucher über die Bahn erwarteten, legten Wert auf eine Adresse an der Möserstraße, so die Handelskammer, die Handwerkskammer, Hauptpost und Telegrafenamt. Und selbstverständlich lagen die größten und besten Hotels der Stadt in Bahnhofsnähe. Denn die Bahn war für Fernreisende, die eine Übernachtungsmöglichkeit brauchten, das nahezu konkurrenzlose Verkehrsmittel der Wahl.
Im Umfeld des Bahnhofs eiferten das Hotel Hohenzollern (gegründet 1894) und der Reichshof (eröffnet 1895) um den Rang des traditionsreichsten Bahnhofshotels. Hotelier Albert Böttcher stand für seinen Reichshof das städtebaulich interessantere Grundstück zur Verfügung. Der Zwickel zwischen Möser- und Goethestraße war wie geschaffen für einen Repräsentativbau, der aus vielen Richtungen schon von weit her ins Auge fällt. Der alte Reichshof vereinigte Stilelemente von Klassizismus und Gründerzeit, zeigte mit Ornamenten und Spitzen verzierte Dacherker und zur Stadt hin ein Fensterelement über zwei Stockwerke, das wie ein Gruß an die gotischen Stadtkirchen wirkte.
Den Bombenkrieg überstand der Reichshof, anders als das Hohenzollern, nahezu unbeschadet. Pächter Franz Pack konnte rasch wieder an die Vorkriegsbedeutung anknüpfen, und auch Hotelier Voges nach ihm hatte gute Jahre. Doch dann wurde das Geschäft durch die zunehmende Individualmotorisierung schwieriger. Die Bahnhofshotels lagen eben nicht mehr am Eingangstor zur Stadt″, wie es noch 1957 in einer Werbeaussage hieß. Viele Autoreisende suchten sich lieber ein Hotel am grünen Stadtrand, als sich Innenstadtlärm und Parkplatznot auszusetzen. Im September 1970 schloss der Hotelbetrieb.
Weniger rühmliche Kapitel folgten. Erst Gastarbeiterheim, dann Leerstand, dann ein gaststättenähnlicher Betrieb unter Leitung eines Gastarbeiters im Erdgeschoss″, wie es das Osnabrücker Tageblatt″ beschrieb. Genau hier brach im Februar 1978 ein Feuer aus, das den ganzen Block unbewohnbar machte. Stadt und Denkmalschutz drängten auf eine rasche Wiederherstellung eben wegen der städtebaulich exponierten Lage. Doch die Dinge liefen nicht gut. Mehrfach wechselten die Eigentümer, Investoren sprangen ab, Bauherrenmodelle scheiterten, die Stadt führte Prozesse. Als ein Jahr später immer noch leere Fensterhöhlen und brandgeschwärzte Fassaden zu sehen waren, machte das Wort von Osnabrücks größtem Schandfleck″ die Runde. Aus dem Traditionshaus war ein Penner-Hotel″ geworden. Die Stadt ließ alle Fenster und Türen im Erdgeschoss zumauern, um dem weiteren Verfall Einhalt zu gebieten.
Im September 1982 kam Bewegung in die verfahrene Angelegenheit. Wohnungen und Büros sollten entstehen, Gerüste wurden aufgebaut, Richtfest gefeiert. Doch dann wieder Baustopp, Stillstand wegen rechtlicher Auseinandersetzungen innerhalb der Bauherrschaft. Auf vier Jahre Brandruine folgten fünf Jahre Bauruine. Erst 1987 konnten Altbau und der neu errichtete Ergänzungsflügel bezogen werden. Heute ist Hauptmieter im Altbau der Erotixx Adult Store″. Darüber und daneben wohnen 24 Mietparteien.

Bildtext:

Das frühere Hotel ist in seiner Grundstruktur erhalten geblieben. Der Straßenabschnitt ist heute auf Anlieger- und Busverkehr beschränkt. Foto: Joachim Dierks

Die Möserstraße vom Hauptbahnhof in Richtung Stadtmitte gesehen. Bei der Litfaßsäule quert die Goethestraße (heute: Goethering). Links dominiert das Hotel Reichshof. Rechts ein Teil der Fassade des Barmer Bankvereins. Foto: Archiv Margret Grahn

Im Februar 1978 brach ein Feuer im Erdgeschoss des Reichshofs aus. Foto: Archiv/ Walter Fricke
Autor:
Joachim Dierks


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