User Online: 1 | Timeout: 15:23Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Warum braucht Osnabrück die Caritas?
Zwischenüberschrift:
Loth: Pflege wird stärker ambulant – Wohlfahrtsverband-Direktor fordert Änderung der Wegepauschalen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Der Caritas-Verband Osnabrück wird 100 Jahre alt. Braucht man die Caritas heute überhaupt noch? Dazu der Osnabrücker Caritas-Direktor Franz Loth.

Herr Loth, die Caritas des Bistums Osnabrück feiert ihren 100. Geburtstag. Viele Aufgaben wie Altenpflege oder Jugendhilfe werden heute auch von staatlichen und privaten Einrichtungen angeboten. Wozu braucht man da noch einen katholischen Wohlfahrtsverband?

Caritas bedeutet Nächstenliebe, dieser Auftrag aus dem Evangelium gilt auch heute noch. Gerade in einer Welt, die sich rasant wandelt, haben wir der Durchökonomisierung aller Lebensbereiche etwas entgegenzusetzen. Wir gehen gegen Unfairness an, gegen den Ausschluss von Menschen aus der Gesellschaft und gegen ein sinnentleertes Leben.

Worin besteht ihr Mehrwert ?

Nehmen Sie das Beispiel ambulante Pflege: Wir sind in der Fläche vertreten, auch weit ab vom Schuss, wo andere nicht mehr hingehen. Oder die Flüchtlingsarbeit: Wären Caritas und andere gemeinnützige Organisationen nicht gewesen, wäre der Staat im letzten Jahr in die Knie gegangen.

Die Caritas war bei der Aufnahme von Flüchtlingen sehr aktiv. Mussten Sie einspringen, weil der Staat versagt hat?

Ich bin vorsichtig mit dem Begriff des Staatsversagens, aber die Gesellschaft musste die Politik vor sich hertreiben, damit die Dringlichkeit erkannt wurde. 20 Prozent unserer Kirchengemeinden bieten Wohnungen an, es gibt Sprachkurse und Hilfe bei der Vermittlung von Arbeit.

Die Verteilung von Flüchtlingen klappt nicht wirklich: Die meisten landen in Städten, dabei könnten hier im Bistum doch mehr auf dem Land untergebracht werden?

Im ländlichen Raum gibt es genug Wohnungen, aber kaum Arbeitsplätze. Man kann das nicht staatlich erzwingen, die Leute gehen da hin, wo bereits Familienmitglieder und Jobs sind. Wenn wir glauben, dass wir das von oben herab regeln können, dann werden wir scheitern. In den Osten oder nach Lüchow-Dannenberg an der ehemaligen Grenze zur DDR werden wir kaum Flüchtlinge schicken können.

Hat die christliche Caritas mit muslimische n Flüchtlingen ein Problem?

Wir sind religionsübergreifend für alle da. Aber viele Leute sagen: Warum kümmert Ihr euch nicht stärker um christliche Flüchtlinge? Entscheidend ist für uns die Hilfebedürftigkeit. Grundsätzlich gilt übrigens: Kritische Fragen müssen erlaubt sein, ohne dass man diese Menschen gleich in die rechtspopulistische Ecke drängt, sonst bewegen sie sich in diese Ecke, weil sie da verstanden werden. Wir dürfen Skepsis und Verunsicherung nicht einfach abbügeln.

Was muss der Staat jetzt für die Integration tun?

Sprache, Ausbildung, wenn möglich Studium, und Arbeit sind ganz wichtig. Die Caritas hat dafür zum Beispiel den Bafög-Fonds eingerichtet. Der Staat hat viele Millionen Euro für Sprachkurse in die Hand genommen und braucht Sprachlehrer, die ordentlich bezahlt werden. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau, der wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Und wir dürfen keine neuen Felder mit Billigjobs schaffen. Flüchtlinge dürfen nicht in Konkurrenz stehen mit denen, die bereits in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten.

Was halten Sie von der Forderung, für Flüchtlinge, die ja noch Deutsch lernen müssen, die Schulpflicht auf das Alter von 25 Jahren anzuheben?

Bevor so etwas gefordert wird, muss man doch erst mal die Angebote sicherstellen, die jetzt schon verpflichtend sind. Ziel muss die bestmögliche Integration sein. Das bedeutet, für alle, die hier leben, egal, ob einheimisch oder zugewandert, ein optimales Bildungsangebot zu schaffen. In diesem Sinn würde ich auch sagen: Es wird gefährlich, wenn wir ganz viele Sonderregelungen für Neuankömmlinge in die Welt setzen und Einheimische sich zurückgesetzt fühlen, damit bedienen wir nur Parolen. Wir brauchen gleiche Chancen, sonst treten wir eine Sozialneiddebatte los.

Die Caritas ist stark in der Altenpflege engagiert. Dort mangelt es an Pflegekräften. Ist die Pflege in Zukunft noch garantiert?

Da Menschen immer älter werden, ist das eine Herausforderung. Familien werden Oma und Opa länger zu Hause pflegen müssen, wir müssen neue Pflegetechnik einsetzen und brauchen moderne Wohngemeinschaften. Ein Problem sind die Arbeitszeiten und die Löhne. Die Caritas zahlt in Niedersachsen Pflegekräften bis zu 30 Prozent mehr, als sie woanders verdienen, eine Pflegefachkraft im mittleren Alter verdient in der Spitze brutto 45000 Euro, was so schlecht auch nicht ist.

Wird Pflege künftig ambulant oder stationär sein?

Ganz klar noch stärker ambulant, weil es nicht genug Personal gibt. Wir werden auch Leute mit beginnender Demenz zu Hause pflegen lassen müssen. 80 Prozent der stationären Pflege sind Personalkosten, weil wir 24 Stunden rund um die Uhr da sind, und das kostet.

Können Menschen, die auf dem Land wohnen, sicher sein, dass sie künftig noch gepflegt werden?

Auf dem Land helfen Familienangehörige stärker als in der Stadt. Wir gründen gerade Verbünde, damit wir von Essen auf Rädern bis zur stationären Pflege alles anbieten. Aber zum Beispiel im nördlichen Emsland, wo Höfe weit auseinanderliegen, müssen wir umsichtig mit Personal umgehen und zu Hause die Familien bei der Pflege anleiten. Die Kosten sind enorm, andere Anbieter gehen da raus. Wir ziehen uns nicht aus der Fläche zurück, weil wir keine Rosinenpickerei akzeptieren.

Braucht die Altenpflege staatliche Hilfe?

Wir fordern, dass Wegepauschalen in ländlichen Gebieten anders bemessen werden als in städtischen Gebieten. Wenn eine Pflegekraft drei Stunden am Tag im Auto sitzt, sind das enorme Kosten, die wir nicht erstattet bekommen. Da muss der Staat auf Ankündigungen Taten folgen lassen.

Wortführer im O-Ton: Mehr Interviews lesen Sie im Internet auf noz.de/ politik
Bildtext:
Caritas-Direktor Franz Loth.

Foto:
Caritas/ Felicitas Kruke
Autor:
Marion Trimborn


Anfang der Liste Ende der Liste