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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Prozess um Zeitungspleite gestartet
 
Pleite-Verleger schweigt vor Strafgericht
Zwischenüberschrift:
Prozess gegen Ex-Chef der Sonntagszeitung – Anleger um Millionen geprellt?
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. 42 Minuten dauerte die Anklageverlesung im Betrugsprozess vor dem Osnabrücker Landgericht gegen den Pleite-Verleger Norbert Fuhs.
Gegenstand des Verfahrens sind 171 Medienbriefe im Wert von zwei Millionen Euro. Diese soll Fuhs als He rausgeber der Osnabrücker Sonntagszeitung″ laut Anklage in den Jahren 2009 bis 2013 an gutgläubige Anleger veräußert haben.
In dem Mammutverfahren sind 48 Prozesstage angesetzt und 130 Zeugen geladen. Für den Angeklagten arbeiten fünf Verteidiger, allerdings haben nicht alle sein Vertrauen, wie er zum Prozessauftakt verkündete. Zur Sache äußerte sich Fuhs nicht.
In mehr als 50 Zivilverfahren haben Geschädigte Fuhs auf Rückzahlung ihrer Einlagen verklagt und recht bekommen.

Vor dem Landgericht Osnabrück hat am Dienstag der Strafprozess gegen Ex-Verleger Norbert Fuhs begonnen, dem ein Millionenbetrug mit Medienbriefen vorgeworfen wird. Zur Sache will er sich nicht einlassen.
Osnabrück. Der 61-Jährige lässt sich mit einem Lächeln auf der Anklagebank vor der 2. Großen Wirtschaftsstrafkammer nieder und nickt den knapp 20 Zuhörern zu, von denen er viele zu erkennen scheint. Die meisten von ihnen sind gekommen, weil sie sich von dem früheren Herausgeber der Osnabrücker Sonntagszeitung″ betrogen fühlen und nun hören wollen, wie er sich vor dem Strafgericht rechtfertigt. Sie werden wohl wenig Neues erfahren: Mein Mandant wird zur Sache keine Einlassung machen″, sagt Verteidigerin Kristina Straube.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wirft Nobert Fuhs vor, als Geschäftsführer der Enorm Verlagsgesellschaft mbH ein sittenwidriges Schnellballsystem betrieben zu haben. Weil das Geschäft mit dem kostenlosen Anzeigenblatt seit 2001 keine Gewinne mehr abwarf, hat Fuhs laut Anklage mit der Herausgabe immer neuer Medienbriefe den Betrieb aufrechterhalten und sich auch selbst bereichert. Außerdem soll Fuhs sich der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht haben.
42 Minuten benötigt Oberstaatsanwalt Gerhard Heider für die Verlesung der Anklage, in der 171 Medienbriefe und deren Käufer aus den Jahren 2009 bis 2013 aufgelistet sind. Nur diese Fälle wird das Gericht im Einzelnen prüfen, die älteren sind nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft verjährt. Der Wert der in der Anklage aufgeführten Medienbriefe summiert sich auf zwei Millionen Euro. Insgesamt hat Fuhs seit 1996 etwa 500 Medienbriefe im Gesamtwert von 8, 4 Millionen Euro an gutgläubige Anleger veräußert.
Zunächst gab Fuhs sie für 5000 D-Mark, später für 5000 Euro heraus. Die meisten Geldgeber vertrauten dem Zeitungsmacher deutlich mehr Geld an, oft 20 000 bis 40 000 Euro. In einem Fall summieren sich die Medienbriefzeichnungen auf 100 000 Euro. Die Rendite von 4, 75 bis 6, 25 Prozent hatte sie gelockt und die Annahme, mit den Medienbriefen gleichsam ein festverzinsliches und absolut sicheres Anlageprodukt erworben zu haben. Viele Rentner sind unter den Medienbrief-Zeichnern, aber auch Menschen, denen ein kritischer Blick zuzutrauen gewesen wäre wie einem promovierten Osnabrücker Arzt, der 66 000 Euro verlor.
Die Staatsanwaltschaft wird den Nachweis erbringen müssen, dass Fuhs den Anlegern falsche Angaben über die Risiken der Medienbriefe und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens machte. Tatsächlich wurden die Anleger mit dem Kauf eines Medienbriefes zu stillen Gesellschaftern, die das volle Geschäftsrisiko mittrugen. Dass die Sonntagszeitung″ seit 2001 defizitär arbeitete und sich die nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträge bis Ende 2013 auf 7, 4 Millionen Euro aufgestaut hatten, soll Fuhs in den jährlichen Bilanzgesprächen bewusst verschleiert haben.
Als Ende Mai 2013 die wahre Lage des Unternehmens öffentlich bekannt wurde, kündigten zahlreiche Anleger ihre Medienbriefe. Das mutmaßliche Schneeballsystem brach zusammen. Im Januar 2014 stellte die Enorm Verlagsgesellschaft Insolvenzantrag und die Osnabrücker Sonntagszeitung″ ihr Erscheinen ein.
Selbst bereichert?
In über 50 Zivilverfahren haben Geschädigte Fuhs inzwischen auf Rückzahlung ihrer Einlagen verklagt und recht bekommen. Von dem Geld sehen wir sowieso nichts wieder″, sagt ein 71-jähriger Zuhörer am Rande des Strafverfahrens, der von seinem Ersparten drei Medienbriefe für insgesamt 15 000 Euro erworben hatte.
Der Prozess gehört zu den größeren, die bislang vor den Wirtschaftskammern in Osnabrück verhandelt wurden: 130 Zeugen sind geladen, 48 Verhandlungstage bereits bis Ende Dezember terminiert.
Norbert Fuhs scheint entschlossen, sich mit allen juristischen Mitteln zu wehren: Der erste Verhandlungstag startet mit zwei Befangenheitsanträgen gegen das Gericht. Fünf Verteidiger arbeiten offiziell für ihn, wobei nur zwei zum Auftakt an seiner Seite sitzen: zu seiner Linken die Verteidigerin seines Vertrauens, Kristina Straube, zu seiner Rechten der vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger Harald Kolsen, dem Fuhs im Gericht offen sein Misstrauen ausspricht und mit dem er kein Wort wechselt.
Zum Auftakt hört das Gericht die Kriminalbeamtin als Zeugin an, die die Ermittlungen gegen Fuhs ab August 2013 leitete. Die Zuhörer lauschen still und konzentriert, nur einmal hebt ein leichtes Tuscheln an: Als die Kriminalbeamtin von einem Hinweis″ spricht, wonach Fuhs den Bau seines Privathauses am Westerberg über Firmenkonten abgewickelt haben soll.
Nächster Verhandlungstag: Montag, 23. Mai, 9 Uhr, Landgericht, Saal 6.

Die Fuhs-Story: www.noz.de/ osz
Bildtext:
171 Fälle, 48 Verhandlungstage: Vor der 2. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Osnabrück hat gestern der Prozess gegen Ex-Verleger Norbert Fuhs begonnen.
Foto:
Swaantje Hehmann

Kommentar
Riskant

Zivilgerichte haben in zwei Instanzen die Herausgabe der Medienbriefe eindeutig als sittenwidriges Schneeballsystem eingestuft und den Ex-Verleger zur Rückzahlung verurteilt. Kann das Strafgericht vor diesem Hintergrund überhaupt zu einem anderen Ergebnis kommen?

Ja, es kann. Denn die Medienbrief-Inhaber haben Verträge unterschrieben, die den Charakter dieser Unternehmensbeteiligung durchaus erkennen ließen. Die Zeichner haben nicht gründlich gelesen, nicht nachgefragt oder sich von der Rendite″ blenden lassen. Wenn das Strafgericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass Fuhs die Gesellschafter getäuscht und in den Verkaufsgesprächen Falsches behauptet hat, ist er freizusprechen.

Fuhs hat in den Zivilverfahren stets alle Täuschungsabsichten bestritten und folgt auch vor dem Strafrichter dieser Strategie. Er geht damit aufs Ganze und riskiert viel: Mangelnde Einsicht kann sich negativ auf das Strafmaß auswirken.
Autor:
Wilfried Hinrichs


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