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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Von 1983 an ging es bergab
Zwischenüberschrift:
Die Osnabrücker Traditionsbrauerei OAB hat den Kampf um Marktanteile nicht überlebt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die tiefen Quellen des Westerberges″ gibt es nicht mehr. Nicht als Werbeslogan und noch länger nicht mehr als Hauptlieferant für das Osnabrücker Bergquell-Pilsener. Seit 29 Jahren wird dort nicht mehr gebraut.
Osnabrück. Vor 25 Jahren fiel die Entscheidung, die Betriebsgebäude auch nicht mehr als Vertriebsstützpunkt zu nutzen, sondern alles abzureißen. In den Folgejahren entstand hier das Diakonie-Wohnstift.
Im Urteil von Branchenkennern war die Osnabrücker Aktien-Bierbrauerei (OAB) zu klein, um im Konzert der Großbrauereien mitzuspielen, und zu groß, um mit Erfolg eine Nische für Spezialitäten ausfüllen zu können. Der rasante Strukturwandel auf dem deutschen Biermarkt in den 1980ern machte der Braustätte zwischen Bergstraße und Edinghäuser Straße den Garaus. Schon bei der Gründung 1860 lief nicht alles rund. Johann Carl Immeyer war angetreten, die Ära der zahlreichen kleinen Hausbrauereien in der Bierstraße und anderswo zu beenden und endlich ein exportwürdiges Bier mit einer nicht nur von Zufällen diktierten Qualität herzustellen. Er erhielt neben der Brauerei an der Flanke des Westerbergs auch die Konzession für einen Biergarten mit Kegelbahn. Die etwas abseitige Lage vor den Toren der Stadt und der hohe Kapitalbedarf für zeitgemäße Brautechnik zwangen ihn nach wenigen Jahren zur Aufgabe.
1870 sprangen kapitalkräftige Vertreter des Osnabrücker Bürgertums mit so klangvollen Namen wie Lepenau, Brickwedde, Dütting oder Wieman in die Bresche. Sie brachten das notwendige Kapital zusammen, holten sich einen erfahrenen Braumeister und gründeten die OAB. Das Apostelbier″, wie man es wegen der zwölf Gründungsaktionäre auch nannte, wurde schon bald über die Stadtgrenzen hinaus verbreitet. Hauptstandbein war und blieb das Fassbier, mit dem man die Schankbetriebe in Stadt und Land belieferte. 1939 lag der Flaschenbieranteil bei einem Prozent, 1954 waren es auch erst 25 Prozent. Die OAB konnte sich gleichwohl dem Trend zum Flaschenbier nicht entziehen und musste in teure Flaschenreinigungs-, Abfüll- und Etikettieranlagen investieren. 1960 wurde das 100-jährige Bestehen mit einer Festwoche in der Halle Gartlage und reichlich Freibier gefeiert. Holzkästen und Bügelverschlussflaschen bestimmten noch das Bild. Die genormte Einheitsflasche mit Kronkorken war als Ziel bereits erkannt, aber längst nicht verwirklicht.
1968 erhielt die OAB die Konzession für die Abfüllung von Pepsi-Cola und konnte sich dadurch bei den nichtalkoholischen Getränken breiter aufstellen. Ende 1981 nahm der Vorstand unter dem Vorsitz von Dr. Hans-Dieter Mühl noch einmal eine Million DM in die Hand und investierte in vier neue Edelstahl-Gärtanks, 14 Meter hoch, mit je 1000 Hektoliter Fassungsvermögen. Magerer werdende Geschäftsergebnisse führten im Januar 1983 zu dem Antrag, die 9000 Quadratmeter große Brachfläche zwischen der Brauerei und dem Wasserhochbehälter am Kammweg des Westerbergs als attraktives Bauland zu verkaufen. Der Protest der Naturschützer folgte auf dem Fuß. Im Mai 1983 entschied der Regierungspräsident, dass der Landschaftsschutz für die Fläche nicht aufgehoben wird. Was als finanzieller Befreiungsschlag gedacht war, wurde ein Schlag ins Wasser.
Von nun an begann der Tod auf Raten. Im Juli 1983 stimmte auf der OAB-Hauptversammlung die Aktien-Mehrheit, die sich bereits in Händen der DAB-Mutter Oetker befand, der Anlehnung″ an die Dortmunder Actien-Brauerei AG (DAB) zu. Die OAB werde unter dem Dach der DAB als selbstständige Einheit″ mit den eingeführten Biermarken und allen Mitarbeitern weitergeführt. Der langfristige Erhalt der Braustätte hänge davon ab, in welchem Umfang die Osnabrücker künftig das heimische Bier weiter annehmen werden″, wie Mühl es ausdrückte. Das war der Versuch, die Verbraucher in Mithaftung zu nehmen für die weitere Entwicklung, die den Verantwortlichen wahrscheinlich von Anfang an klar war und die wie so viele Bier-Ehen″ davor und danach in einer Marktbereinigung″ mit Schließung der Braustätte enden würde. Im Mai 1987 war es dann so weit: Wegen im Vergleich zu Dortmund etwa doppelt so hoher Produktionskosten verkündete der Oetker-Mann und OAB-Aufsichtsratschef Dr. Guido Sandler das Aus für Osnabrück.127 Jahre Brautradition am Westerberg gingen zu Ende.
Die Besitzgesellschaft OAB wurde plötzlich höchst liquide, als der Verkauf des drei Hektar großen Geländes für 14, 5 Millionen DM an die Evangelischen Stiftungen gelang. Das weitere Schicksal der Immobiliengesellschaft verlief nicht besonders ruhmreich. Nachdem Oetker seinen Anteil von 81 Prozent an eine Steucon AG aus Bremen verkauft hatte, fuhren die neuen Hauptaktionäre mit den verbliebenen Osnabrücker Kleinaktionären Schlitten. Nach glücklosen Immobilien-Deals fiel die OAB 2004 in Insolvenz. Von ihr ist nur noch eine Mantel-AG″ übrig geblieben.
Die Evangelischen Stiftungen vereinbarten mit dem Diakonischen Werk im Sprengel Osnabrück ein Erbbaurecht. Die Diakonie errichtete 1996/ 97 eine großzügige Senioren-Wohnanlage mit 188 Wohneinheiten in drei Gebäuderiegeln. Leider lief auch hierbei nicht alles so glatt wie geplant. Das Finanzierungsmodell sah vor, dass Privatinvestoren die einzelnen Wohnungen erwarben und eine recht hohe Miete über 20 Jahre garantiert bekamen eine abenteuerliche Konstruktion″, wie Fachleute später urteilten. Es fanden sich nicht genügend zahlungskräftige Mieter. 2001 waren erst 70 der 188 Appartements belegt. Die Mietausfälle gingen zulasten des Diakoniewerks, das auf diese Weise Verluste von mehr als 20 Millionen Mark anhäufte und zahlungsunfähig wurde. 13 Einrichtungen der Diakonie im Osnabrücker Land mit 1200 Beschäftigten standen auf der Kippe. Mithilfe der Landeskirche, Forderungsverzichten der Eigentümer und einer gründlichen Umstrukturierung der Diakonie gelang 2002 eine Rettung in letzter Minute.

Bildtext:

Das Diakonie-Wohnstift am Westerberg entstand 1996/ 97 auf dem alten Brauereigelände. Foto: Joachim Dierks

Die Zufahrt zum Brauereigelände im Jahr 1989, als der Braubetrieb bereits eingestellt war. 1991 fiel die Entscheidung zum Abrisss aller Gebäude, der im Oktober 1992 begann.

Foto: Michael Münch, Archiv
Autor:
Joachim Dierks


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