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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wie geht es jetzt am Neumarkt weiter?
Zwischenüberschrift:
Einspruch gegen Sperrung: So will der Oberbürgermeister die Ratsmehrheit stoppen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Entwidmung, Einspruch, Parteiengezänk: Was wird denn nun am Neumarkt? Ein Überblick.
Die Regenbogen-Mehrheit strebt den autofreien Neumarkt über eine Entwidmung an. Der Hintergrund: Straßen müssen in einem formellen Akt der öffentlichen Nutzung gewidmet werden. Umgekehrt kann der Rat durch eine Teilentwidmung die Nutzung beschränken. Die Ratsmehrheit will wie in der Johannisstraße nur Fußgänger, Radler, Busse und Lieferverkehr zulassen.
Warum holte Rot-Grün ein eigenes Gutachten ein?
Die bunte Ratsmehrheit hatte die Kanzlei Lenz und Johlen aus Köln das Entwidmungsverfahren prüfen lassen. Die Juristen kamen zu dem Ergebnis, dass die Entwidmung ein geeignetes Verfahren und eine Änderung des Bebauungsplanes Nr. 525 nicht nötig sei, um den Autoverkehr auszusperren. Das Kölner Gutachten haben die Fraktionen aus ihren eigenen Mitteln bezahlt. Sie hätten natürlich auch das Rechtsamt der Stadt befragen können, doch scheint das Vertrauen der bunten Koalition in die Rathaus-Juristen nicht sehr groß. Öffentlich wird das niemand bestätigen. Tatsache ist, dass das Rechtsamt zum gegenteiligen Urteil gekommen ist. Das hatten Rot-Grün & Co. wohl schon geahnt.
Warum legte OB Griesert Einspruch ein?
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) legte Einspruch gegen den Ratsbeschuss ein, weil er ihn im Einklang mit seinem Rechtsamt für rechtswidrig hält. Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung, der Beschluss darf also nicht umgesetzt werden. Trotzdem hat Griesert, wie aus den Ratsunterlagen hervorgeht, die Bauverwaltung beauftragt, das Entwidmungsverfahren vorsorglich vorzubereiten.
Der CDU-Oberbürgermeister bewegt sich exakt auf der Linie der CDU-Fraktion (und von Michael Florysiak, DMD), was ihm den Vorwurf der Parteinahme einbrachte. Griesert bemängelt, dass der Beschluss zu vage formuliert und mangels Eindeutigkeit für die Verwaltung nicht umsetzbar″ sei. So sei unklar, ob mit Bussen (die auf dem Neumarkt erlaubt sein sollen) auch Fernbusse gemeint seien.
Worin liegt der Kern des juristischen Streits?
Schwerwiegender und in der rechtlichen Deutung komplexer ist die Frage, ob die Entwidmung dem Geist von Bebauungsplan und Flächennutzungsplan widerspricht. Die Frage ist: Lässt sich der Autoverkehr rechtssicher nur ausschließen, wenn der Bebauungsplan geändert wird?
Der Flächennutzungsplan stuft den Neumarkt als Hauptverkehrsstraße für den überörtlichen oder örtlichen Verkehr″ ein und damit in dieselbe Kategorie wie den Wall und die Einfallstraßen. Nun besitzt ein Flächennutzungsplan allerdings keine Rechtsbindung. Aber: Aus diesem Übersichtsplan ist laut Gesetz der rechtsverbindliche Bebauungsplan zu entwickeln″. Der Bebauungsplan 525 bezeichnet den Neumarkt als öffentliche Straßenverkehrsfläche″.
Griesert zieht daraus den Schluss, dass es sich um eine Fläche handelt, auf der alle Benutzungsarten stattfinden und alle Benutzerkreise ohne Beschränkungen zugelassen sind″. Also auch Autos. Das legt er in einem sechsseitigen Schreiben an die Ratsmitglieder dar. Wer also explizit den Autoverkehr aussperren wolle, müsse dazu den Bebauungsplan ändern. Mit Auslegung, Öffentlichkeitsbeteiligung und allem, was das Gesetz verlangt. Und das würde dauern.
Die Juristen, die die Regenbogen-Fraktionen beraten, lesen aus den Formulierungen exakt das Gegenteil. Aus den Aussagen sei nicht zwingend abzuleiten, dass alle Verkehrsträger zugelassen sein müssten. Eine Bebauungsplanänderung sei deshalb nicht nötig. Aussage gegen Aussage: An dieser Stelle wird aus der politischen Frage eine juristische.
Oberbürgermeister Griesert weist darüber hinaus darauf hin, dass eine Teilentwidmung in die Grundzüge der Planung eingreift″. Wesentliche Festsetzungen des Bebauungsplanes beruhen auf der Zulassung von Autos auf dem Neumarkt. Würden Autos ausgesperrt, verlören die Festsetzungen im B-Plan ihren Sinn. Deshalb wäre eine Änderung zwingend nötig.
Was werfen sich die politischen Lager vor?
Rot-Grün & Co. zweifeln an der Neutralität des Oberbürgermeisters und halten ihm vor, die Begründung für den Einspruch konstruiert″ zu haben, um den Mehrheitsbeschluss des Rates zu torpedieren. Das sei undemokratisch″. Die CDU kontert, Rot-Grün agiere mit ideologischen Scheuklappen″ und habe Angst vor den Wählern″. Die Neumarkt-Sperrung solle unbedingt vor der Kommunalwahl durchgeboxt werden.
Wie geht es weiter?
Es ist zu erwarten, dass die Regenbogen-Fraktionen den Entwidmungsbeschluss vom 5. April bestätigen. OB Griesert hat für diesen Fall bereits angekündigt, dass er, wie es das Kommunalverfassungsgesetz vorschreibt, den Fall mit den gegensätzlichen Standpunkten dem Innenministerium als Kommunalaufsicht vortragen wird. Das Gesetz sagt: Die Kommunalaufsichtsbehörde entscheidet unverzüglich, ob der Beschluss zu beanstanden ist.″
Und wird nun der Neumarkt gesperrt?
In diesem Sommer nicht mehr. Es bleibt dem neuen Stadtrat vorbehalten, über die automobile Zukunft des Neumarktes zu befinden. Ursprünglich wollte die Ratsmehrheit am 30. August die Sperrung beschließen knapp zwei Wochen vor der Kommunalwahl. Das ist nicht mehr zu schaffen. Denn:
Szenario 1: Das Ministerium beanstandet den Beschluss zur Entwidmung. Dann bleibt der Regenbogen-Mehrheit nur der Weg über eine Änderung des Bebauungsplanes. Das Verfahren kann sich über Jahre hinziehen.
Szenario 2: Das Ministerium winkt den Entwidmungsbeschluss unbeanstandet durch. Dann muss die Stadtverwaltung unverzüglich das Verfahren in Gang setzen, in dem sie die Absicht zur Teileinziehung öffentlich bekundet. Drei Monate hat dann jedermann Zeit, Bedenken und Anregungen zu äußern. Am Ende prüft der Rat die Bedenken, trifft eine Abwägung und entscheidet. Die Zeit bis zur Wahl am 11. September reicht dafür nicht.
Für den 20. September ist die letzte Ratssitzung in der alten Zusammensetzung anberaumt, allerdings nur bei Bedarf″. Es ist zumindest möglich, dass der alte Rat dann über den Neumarkt entscheidet wahrscheinlich ist es nicht. Denn zur demokratischen Kultur gehört es, derart scherwiegende Entscheidungen dem neuen Rat zu überlassen, der sich am 1. November konstituiert.

Bildtext:

Richtungsstreit: Der Neumarkt ist ein wichtiges Wahlkampfthema in Osnabrück geworden.

Foto: Michael Gründel
Autor:
Wilfried Hinrichs


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