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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Als „unwertes Leben″ getötet
Zwischenüberschrift:
Ein Stolperstein in Atter erinnert an Frida Schröer
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Im Gehweg vor dem Atteraner Grundstück Benzstraße 9, wo heute die Firma Leysieffer Pralinen und andere Köstlichkeiten produziert, erinnert ein mit einer gravierten Messingplatte versehener Stolperstein an das Schicksal von Frida Schröer.
Osnabrück. Vor 80 Jahren gab es hier noch keine Benzstraße. Auf dem Grundstück mit der postalischen Anschrift Atter Nr. 15″ wohnte die am 1. Februar 1914 geborene Frida Schröer mit ihren Eltern und zwei Brüdern in einem Kotten. In den Meldeunterlagen war sie als Haustochter″ geführt, was besagt, dass sie keiner Berufstätigkeit nachging.
Aufgrund einer nicht bekannten Diagnose wurde Frida Schröer am 24. Juni 1939 stationär in der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück auf dem Gertrudenberg aufgenommen. Sie war 25 Jahre alt. Vielleicht war es eine psychische Erkrankung, vielleicht litt sie auch unter epileptischen Anfällen, wir wissen es nicht.
In der Zeit des Nationalsozialismus galten Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen als unwertes Leben″. Die Geschichtsforschung hat ermittelt, dass während des Krieges mehr als 70 000 Behinderte systematisch ermordet wurden. Neben rassenhygienischen Vorstellungen unter der Maßgabe einer Höherzüchtung der arischen Rasse″ wurden kriegswirtschaftliche Gründe für die Tötungen herangezogen.
Frida Schröer wurde zusammen mit 19 anderen Frauen am 18. September 1942 nach Hildesheim gebracht. Die Angehörigen erfuhren erst nach der Verlegung davon. Alle Betroffenen erhielten ein Schreiben mit dem gleichen Wortlaut: Auf Veranlassung des Herrn Oberpräsidenten in Hannover ist Ihr( e) Pflegling, Schwester, Tochter usw. am 18. dieses Monats von hier in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Hildesheim verlegt worden. Sie sollen sich in Zukunft wegen Auskunft über die Kranke nach dorthin wenden. Heil Hitler! gez. Dr. Kracke″.
Aus der Anstalt Hildesheim waren schon 1941 Menschen ins Gas geschickt worden, weil ein Teil der Anstalt als Lazarett genutzt werden sollte. Vom Oberpräsidenten wurde 1943 die Räumung eines weiteren Teils der Anstalt Hildesheim angeordnet. Weil die Schutzstaffel Germania″ mit einer SS-Schule im Anstaltsteil Michaeliskloster″ untergebracht werden sollte, wurden mindestens 120 Menschen durch den Anstaltsleiter Grimme ausselektiert und nach Uchtspringe, Altscherbitz und Pfaffenrode verlegt.
Am 13. April 1943 ging ein Transport mit 65 Frauen nach Altscherbitz/ Sachsen. Unter ihnen befand sich auch Frida Schröer. Nach wenigen Wochen starb sie dort am 30. Mai 1943, wahrscheinlich durch Hunger oder Medikamentenvergiftung. Im Totenschein steht, wie bei allen Frauen aus diesem Transport, körperliche Erschöpfung″ als Todesursache.
Die Familie ließ Frida Schröer nach Osnabrück zur Erdbestattung überführen. Als sie starb, war sie gerade einmal 29 Jahre alt.
Bei der feierlichen Setzung des Stolpersteins war ein Cousin des Opfers als letzter lebender Angehöriger zugegen, der heute 80-jährige Fritz Beiderwellen. Er war erst vier Jahre alt, als Frida Schröer eingeliefert wurde, und hat von daher nur sehr vage Erinnerungen an sie. Das Bürgerforum Atter hat die Patenschaft des Stolpersteins übernommen. Der Vorsitzende Manfred Niemann und weitere Mitglieder des Forums legten Rosen der Erinnerung um den Stolperstein. Niemann verlas die biografischen Daten und bat anschließend um eine Schweigeminute.

Bildtext:

Benzstraße 9 lautet heute die Adresse des Grundstücks, auf dem Frida Schröer mit ihrer Familie lebte. Dort befindet sich seit den Siebzigern der Sitz der Firma Leysieffer. Foto: Jörn Martens

Atter Nr. 15″ war die postalische Adresse des Kottens, in dem die Familie Schröer lebte. Foto: Privatarchiv Fritz Beiderwellen

Kommentar:

Stolpersteine
Messingplatten in Gehwegen erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den ehemaligen Wohnungen oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Roma, Deserteure sowie Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen, einer psychischen Erkrankung, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts Stolpersteine, dem sich mehrere Hundert Kommunen angeschlossen haben. In Osnabrück werden die Gedenksteine seit 2007 verlegt.
Verlegt haben den Stolperstein für Frida Schröer die Schüler Sascha Ahrens, Ilkay Ciftci, Lukas Lieber und Axel Schleinig vom Berufsschulzentrum am Westerberg. Mit ihrem Lehrer Rainer Knippenberg hatten sie sich zuvor auf das Thema vorbereitet.
Das Büro für Friedenskultur (Marienstraße 5/ 6) nimmt für künftige Gedenktafeln Hinweise über Opfer des Nationalsozialismus entgegen. Die Telefonnummer lautet 05 41/ 323-22 87. jweb/ jod
Autor:
Joachim Dierks


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