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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Gottesdienste auf Arabisch
Zwischenüberschrift:
Wie die rum-orthodoxe Gemeinde in Osnabrück Flüchtlingen hilft
Artikel:
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Originaltext:
Als Flüchtling nach Deutschland kommen, binnen Kurzem aufgenommen sein in eine Gemeinschaft, dort Hilfe und Freunde finden wo gibt es das denn? In der rum-orthodoxen Gemeinde in Osnabrück.
Osnabrück. " Wir haben hier unsere zweite Heimat gefunden" sagt Antouan Rezek und lächelt erleichtert. " Hier gibt es Gottesdienste in arabischer Sprache und Freunde." In der rum-orthodoxen Gemeinde in der Lerchenstraße fand er Halt und die freundliche Aufnahme, die er als Flüchtling aus Syrien mit seiner Familie suchte. Mittlerweile engagiert sich Antouan Rezek hier, singt im Chor und hilft anderen Flüchtlingen, weil er schon besser Deutsch kann als viele andere.
Die Gemeinde in der Lerchenstraße ist etwas Besonderes: Als orthodoxe Kirche in der Tradition des nahöstlichen Christentums ist sie geschmückt mit vielen Ikonen. In den Gottesdiensten spricht und singt man traditionell in arabischer Sprache. Die Frauen und Männer, die die Gemeinde vor zwanzig Jahren in Osnabrück gründeten, sind Türken, die in zweiter Generation in Deutschland leben. Ihre Eltern kamen ursprünglich aus der Südosttürkei. Zu Hause sprach man in diesen Familien Arabisch. Deutsch lernten die Kinder in der Schule und auf der Straße. Türkisch sprach man, wenn man in den Ferien die Großfamilie in der Türkei besuchte. Die gemeinsame arabischen Sprache wurde nun für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, den Ländern, in denen die rum-orthodoxe christliche Kirche traditionell beheimatet ist, zum Ankerpunkt in der Fremde.
Behördendeutsch
Die Kirche ist voll, wenn in der Gemeinde mit dem Namen " Heilige Mutter Gottes Maria" die Messe gefeiert wird. Neben den langjährigen Mitgliedern der Gemeinde, die aus einem großen Umkreis anreisen, sitzen jetzt die Flüchtlinge. " So eine Kirche haben wir gesucht, mit arabischer Liturgie und Menschen, die uns helfen", sagt Lamies Haddad, eine 55-jährige syrische Christin. Nach dem Gottesdienst sitzt man im Gemeindehaus zusammen bei Kaffee und Kuchen. Viele haben dann einen Brief dabei, von der Krankenkasse, dem Arbeitsamt oder der Ausländerbehörde. " Alles in schönstem Behördendeutsch, auch für uns oft kaum verständlich" berichten Monika Akyuz und Jaklin Ögütveren. Die beiden Frauen machten bereits zuvor viel ehrenamtliche Arbeit, auf der die gesamte Gemeinde beruht. Nun übersetzen sie Briefe, setzen sich bei Ämtern und Behörden für die Betroffenen ein und begleiten beim Arztbesuch.
Besonders wichtig: Hier hat man offene Augen und Ohren. " Es ist schockierend zu hören, was diese Menschen erlebt haben" sagt Jaklin Ögütveren, die nach ihrer Arbeit als Hauswirtschafterin in einer Kindertagesstätte oft Hausbesuche macht und berät. " Ich versuche zu trösten und zu zeigen: Ihr seid bei uns in eine große Familie gekommen." Die Herausforderungen, die die neuen Mitglieder aus Syrien und dem Irak mitbringen, nimmt man voll an. " Die Gemeinde hat jetzt noch eine größere Bedeutung", meint Monika Akyuz, die als Altenpflegerin bei der Caritas arbeitet. " Unsere christlichen Werte und der Glaube haben sich noch mehr mit Leben gefüllt."
Die rum-orthodoxe Gemeinde stand von Anfang an im ökumenischen Dialog. Brauchen sie zusätzliche Hilfe bei ihrer Flüchtlingsarbeit, wenden sich Jaklin Ögütveren und Monika Akyuz an die benachbarte katholische Gemeinde Christus König oder an die evangelisch-reformierte Gemeinde, von der man vor fünf Jahren den Kirchenbau in der Lerchenstraße übernahm.
Verfolgte Minderheit
In Syrien, wo die meisten der neuen Mitglieder herkommen, gehören Christen seit dem Bürgerkrieg zu einer verfolgten Minderheit. Viele haben Gewalt erlebt und manche darüber harte anti-muslimische Einstellungen entwickelt. Aber in der Gemeinde sind diese nicht erwünscht. " Wir leben hier in Deutschland, jeder ist willkommen, selbstverständlich auch Muslime. Wir respektieren andere Glaubensrichtungen", bezieht Monika Akyuz Position. Pauschale Urteile lehnt auch Jaklin Ögütveren ab. " Ich mache klar, dass Hass keinen Platz hat." Man will einen differenzierten Blick auf das Geschehen. " In Syrien werden jetzt viele Kirchen zerstört, einfach alles, wo ein Kreuz drauf ist", sagt Alin Sogman voller Bedauern. Die 34-Jährige ist froh, mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann der Verfolgung entronnen zu sein. " Aber die Täter sind nicht die, mit denen wir früher in Syrien zusammengelebt haben. Es sind die islamistischen Kämpfer, die jetzt von überall her nach Syrien kommen", weiß sie zu unterscheiden und teilt Trauer und Empörung darüber mit ihren neuen Freunden in der rum-orthodoxen Gemeinde.

Bildtext:

Mitglieder der rum-orthodoxen Gemeinde in der ehemaligen evangelischen Erlöserkirche an der Lerchenstraße. Die Gemeinde, die Gottestdienste auf Arabisch feiert, hilft Flüchtlingen aus Syrien.

Foto: Hermann Pentermann

Kommentar:

Rum-orthodoxe Kirche
Die rum-orthodoxe Kirche blickt auf eine lange Tradition von 2000 Jahren zurück und gehört zu den orthodoxen Kirchen, wie es sie zum Beispiel auch in Griechenland oder Russland gibt. Ihr Zentrum lag in der heutigen Südost-Türkei. Erst im 19. und 20. Jahrhundert wurden auf dem Einzugsgebiet der Kirche die Staaten Syrien, Irak und Türkei gegründet. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen wanderten viele rum-orthodoxe Christen in den Sechziger- und Siebzigerjahren in die USA, nach Australien und Deutschland aus. Heute leben circa 10 000 rum-orthodoxe Christen in Deutschland. Ihre Kirche gilt als eine relativ progressive Kraft unter den orthodoxen Kirchen. sey
Autor:
Gunhild Seyfert


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