User Online: 2 | Timeout: 08:49Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Baustopp, weil die Stadt nicht aufgepasst hat
Zwischenüberschrift:
Panne in Gretesch: Genehmigung für Mehrfamilienhaus im Überschwemmungsgebiet rechtswidrig
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Der Rohbau steht, jetzt sollte eigentlich das Dach folgen. Aber die Stadt hat Ugur Özalps Baustelle stillgelegt. Sein Mehrfamilienhausprojekt befindet sich im Überschwemmungsgebiet. Das hatte der Fachbereich Städtebau bei der Erteilung der Baugenehmigung übersehen.
Osnabrück. Für den Bauherrn hat die Verwaltungspanne schwerwiegende Folgen. Ugur Özalp, der Geschäftsführer der Terra Ingenieurgesellschaft aus Osnabrück, wollte das Haus im Sommer bezugsfertig haben. Jetzt muss er sich darauf einstellen, dass seine Baustelle an der Poststraße 16 für Monate oder Jahre ruhen wird. Sollte es ganz hart kommen, müsste er den errichteten Rohbau am Ende sogar abreißen. So oder so drohen dem Unternehmer Verluste in sechs- oder siebenstelliger Höhe. Deshalb will er gegen den Bescheid Widerspruch einlegen.
Die hochwassergefährdete Baustelle liegt nicht etwa auf einer Wiese vor den Toren der Stadt, sondern inmitten eines Wohngebiets, das seit den 60er-Jahren Stück für Stück bebaut wurde. Nach heutigen Maßstäben dürften die meisten Häuser in der Nachbarschaft gar nicht mehr genehmigt werden, weil sie im Überschwemmungsgebiet des Belmer Bachs stehen. Für die vorhandenen Bauten gilt Bestandsschutz. Aber darauf kann Ugur Özalp mit seinem Bauprojekt für acht Wohnungen nicht zählen.
Dass der Belmer Bach über die Ufer tritt, ist den Anrainern der Poststraße noch sehr präsent. Am 28. August 2010 stand bei Norbert Gerrath von der Nummer 14 der ganze Keller voller Wasser. " Wir hatten acht Tage lang keinen Strom", erzählt der direkte Nachbar der Baustelle, das Wasser drückte ihm die Scheiben ein, am Ende musste er mehr als vier Kubikmeter Schlamm nach draußen befördern. Und natürlich sämtliche Möbel und Einrichtungsgegenstände, die er nicht mehr vor der schmutzigen Flut retten konnte.
Der außer Kontrolle geratene Pegel wurde später als 100-jähriges Hochwasser kategorisiert und diente dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Anlass, die Überschwemmungsgebiete neu festzusetzen. Mit der Folge, dass auf den entsprechenden Landkarten ganze Wohnquartiere rot schraffiert werden mussten, darunter auch die Wohnsiedlung an der Poststraße.
Die Stadt Osnabrück war an der Festlegung der Überschwemmungsgebiete direkt beteiligt. Aber als der Bauantrag der Terra Ingenieurgesellschaft bearbeitet wurde, passierte die Panne. Durch einen " bedauerlichen Übertragungsfehler" sei bei der routinemäßigen Überprüfung der für den Hochwasserschutz zuständige Fachbereich Umwelt und Klimaschutz nicht eingeschaltet worden, antwortete Stadtbaurat Frank Otte auf eine entsprechende Ratsanfrage der CDU-Fraktion.
Die im November erteilte Baugenehmigung ist somit rechtswidrig. " Um den Schaden nicht zu vergrößern, wurde vorsorglich ein Baustopp verhängt", heißt es weiter im Antwortschreiben an den Rat. Vorsorglich habe die Verwaltung den Kommunalen Schadensausgleich informiert, eine Art Haftpflichtversicherung für Städte und Gemeinden.
" Da ist ein Fehler passiert", räumte Otte auf Anfrage unserer Redaktion ein. Die Stadt werde versuchen, das Wohngebiet an der Poststraße mit dem Bau einer Mauer vor weiteren Überflutungen zu schützen. Für die 350 000 Euro teure Investition hoffe er auf Fördermittel des Landes. Zuvor müsse aber nachgewiesen werden, dass es durch einen solchen Eingriff nicht zu Nachteilen an anderer Stelle komme.
Für Ralf Golembiewski, den Anwalt des Bauherrn, hört sich das nach einer unendlichen Geschichte an. Er argumentiert, das Überschwemmungsgebiet sei lediglich zum Schutz der Gebäude ausgewiesen worden. Wer das Risiko in Kauf nehme, dürfe nicht am Bauen gehindert werden.
Ugur Özalp hat das Haus ohne Keller geplant. Die Bodenplatte ragt aus dem Erdreich heraus und könnte, wie er hofft, einem leichten Hochwasser standhalten. Für ihn gibt es nur ein Ziel: so schnell wie möglich weiter zu bauen.

Bildtext:

Stillgelegt: Ugur Özalp möchte so schnell wie möglich weiterbauen. Der Baustopp kostet ihn viel Geld. Foto: Gert Westdörp

Kommentartext:

Harter Fall

Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Das ist gewiss keine Spezialität der Stadtverwaltung. Aber während sich mancher Lapsus leicht korrigieren lässt, kann ein anderer Existenzen gefährden. Die rechtswidrige Baugenehmigung in Gretesch gehört sicherlich zu den harten Fällen. Es kann Jahre dauern, diese Panne aus der Welt zu schaffen.

Beim Blick auf die stillgelegte Baustelle drängt sich allerdings die Frage auf, wie die Stadt eine ganze Wohnsiedlung im Überschwemmungsgebiet überhaupt zulassen konnte. Jahrzehntelang wurde mit amtlichem Segen ein Haus nach dem anderen errichtet. Sorglos wurde darüber hinweggesehen, dass der Belmer Bach über seine Ufer treten konnte, und gelegentlich kam das auch vor. Durch den Klimawandel sind solche Ereignisse häufiger geworden, und der Gesetzgeber hat darauf reagiert. Ärgerlich, dass ein Mitarbeiter für diese neue Sachlage noch nicht sensibilisiert war. Die Stadt darf den Bauherrn jetzt nicht im Regen stehen lassen. Und sie muss alles daransetzen, dass sich ein solches Missgeschick nicht wiederholt.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


Anfang der Liste Ende der Liste