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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kulturelle Brille sorgt für Missverständnisse
Zwischenüberschrift:
Interessantes Experiment beim 12. Sophie-Scholl-Tag des Osnabrücker Abendgymnasiums
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Das Osnabrücker Abendgymnasium Sophie Scholl hat unter dem Titel " Integration, was ist das eigentlich? Motive und Formen des Engagements für Flüchtlinge" den 12. Sophie-Scholl-Tag gefeiert.
Osnabrück. Die interkulturelle Trainerin Denise Peters lud das Publikum zu " einer Fantasiereise" auf die fiktive Insel " Albatros" ein. Ihr Helfer Norbert Scharoun und sie mimten die Bewohner der Insel die Schüler, Lehrer und auswärtigen Besucher sollten sich in die Rolle neuer Gäste auf " Albatros" versetzen. So schritten beide voran, der Mann vorweg, die Frau hinterher und begrüßten jeden einzelnen Neuankömmling. Wer nicht beide Füße auf dem Boden hatte, wurde freundlich aufgefordert, dies zu ändern.
Anschließend setzten sich die Bewohner. Während der Mann auf einem Stuhl Platz nahm, kniete die Frau auf dem Boden, reichte dem Mann eine Dose mit Erdnüssen an, die dieser als Erster essen durfte. Wie zum Gebet verneigte sich die Frau zum Boden auf die Handlung des Mannes hin, der sie mit einer Handbewegung zum Grund führte. Anschließend diskutierten die Gäste das gerade erlebte und teilten ihre unterschiedlichen Erfahrungen.
Was von den einen als freundliche Begrüßungen der Gäste aufgefasst wurde, erlebten andere eher als eine Inspizierung von Angestellten durch einen Hotelmanager. Die Rolle der Frau wurde als untergeordnet identifiziert und bis hin zur Unterdrückung gedeutet. Auch der Umgang mit der " Beide Füße auf dem Boden"- Regel wurde thematisiert. Manche Zuschauer wussten das Gesehene nicht einzuordnen, zu wenig wüssten sie über die kulturellen Hinter- und Beweggründe der Inselbewohner.
Eine gerechtfertigte Einschätzung, denn im Anschluss an die Diskussion sorgte Peters für den " Aha"- Effekt: Die Bewohner von " Alabatros" glauben an einen Muttergott, der im Inneren der Erde wohnt, erklärte die Trainerin. Dadurch, dass sie wie die Erde Leben hervorbringt, genieße die Frau eine besondere Stellung. Sie darf näher am Boden sitzen und die Energie der Erde aufsaugen. Der Mann hingegen muss erhöht sitzen, muss für die Frau testen und vorkosten. Er darf nur durch sie die Energien des Bodens aufnehmen.
Neben dieser Demonstration einer in diesem Fall westlich geprägten – " kulturellen Brille", durch die eine fremde Kultur vorverurteilt wird, gab Geschichtslehrer Rainer Bendieck eine Einführung in die Geschichte des deutschen Asylrechts. Er erinnerte daran, dass sich selbst konträre Persönlichkeiten wie Hermann von Mangoldt (CDU) und Friedrich Wilhelm Wagner (SPD) seinerzeit gleichermaßen für ein uneingeschränktes Asylrecht ausgesprochen und damit zu einem Gründungskonsens der Bundesrepublik beigetragen hätten.
Deutschland sei geprägt von Menschen, die nicht zuletzt in der NS-Zeit Asyl fanden, führte Bendieck weiter aus. Ex-Bundeskanzler Willy Brandt etwa, Max Braun, der ehemalige Bürgermeister von Altona, und der ehemalige bayrische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner seien nur einige Beispiele. " Stellen Sie sich das mal vor, ein Asylant in dem Amt, das heute Horst Seehofer bekleidet", sagte Bendieck über Hoegner, der zwölf Jahre im Exil in der Schweiz lebte. Überhaupt warum seien deutsche Flüchtlinge nie Asylanten, sondern " Deutsche im Exil"?
Den Abschluss bildete eine von Bendieck geleitete Podiumsdiskussion mit Peters, Josh Groeneveld (Aktivist beim Osnabrücker Exil-Verein) und der ehrenamtlichen Integrationshelferin Heike Mullins. Der Tenor der Beteiligten war eindeutig: Um Integration zu meistern, darf sich die Bevölkerung zum einen nicht auf die wenigen Ehrenamtlichen verlassen. Zum anderen müssen staatliche Strukturen geschaffen werden. Die Zivilgesellschaft alleine könne die Aufgabe der Integration nicht stemmen.

Bildtext:

Auf Geheiß des sitzenden Mannes verneigt sich die kniende Frau- doch der Blick durch die kulturelle Brille trügt: Was für einen Westeuropäer nach Frauenfeindlichkeit aussieht, ist auf der fiktiven Insel " Albatros" ein Ausdruck ihrer besonderen Stellung.

Foto:

Gert Westdörp
Autor:
David Hausfeld


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